Katalonien – ein Lehrstück über die Verkommenheit der Demokratie
Von Peter Haisenko
Wer denkt schon an die wechselvolle Geschichte Kataloniens, wenn er sich an den Stränden Barcelonas das Fell versengen lässt? War es nicht schon immer ein Teil Spaniens? Weit gefehlt und im 20. Jahrhundert wurde den Katalanen abwechselnd Autonomie zu- und aberkannt, nachdem die Region vor 200 Jahren auch schon mal zu Frankreich gehört hatte. Der Wunsch der Katalanen nach Unabhängigkeit oder mehr Autonomie ist nachvollziehbar, nicht nur weil Katalonien die wirtschaftlich stärkste Region Spaniens ist.
Mit allen Mitteln, ja mit brutaler (Polizei-)Gewalt soll verhindert werden, dass die Katalanen am 1. Oktober ein Referendum über ihre Unabhängigkeit abhalten. Allein das zeugt von einem seltsamen Demokratieverständnis der Zentralregierung in Madrid, wenn nicht Verachtung derselben. Auf jeden Fall ist es eine große Dummheit. Es steht nämlich keineswegs fest, wie die Katalanen entscheiden werden. Allerdings ist als Reaktion auf die repressiven Maßnahmen Madrids eine breite Trotzhaltung zu erwarten, wie Hunderttausende Demonstranten erahnen lassen. Warum also sieht Madrid nicht gelassen dem Ergebnis entgegen, um dann über Verfassung etc. zu diskutieren, falls es tatsächlich notwendig sein sollte.
Referenden bergen reichlich Sprengstoff in sich
Das Völkerrecht stellt den Bürgerwillen an oberste Stelle. Referenden, die zu Abspaltungen führen können, sind erlaubt. Es könnte sein, dass genau hierin die Probleme gesehen werden, denn die letzten Jahre haben einige davon erlebt. Um Haaresbreite ist das Vereinigte Königreich Großbritannien einer Abspaltung Schottlands entgangen. Und nachdem sich London für den Brexit entschieden hat, werden die Schotten aller Voraussicht nach einen weiteren Anlauf unternehmen. Von Deutschland aus gesehen, erscheint Spanien als ein stabiler, geradezu monolithischer Block. Das ist keineswegs der Fall, wenn man zum Beispiel das Baskenland betrachtet. Spanien steht hier nicht allein. Südtirol, die Kurden in vier Staaten, Abchasien in Georgien und ja, auch in Bayern gibt fast ein Drittel an, einen eigenen Staat zu bevorzugen. Es gibt noch mehr Beispiele, die alle deutlich machen, welchen Sprengstoff Referenden in sich bergen.
Nach dem Ersten Weltkrieg haben die Briten mit selbstgefälliger Arroganz oder Gewalt Grenzen neu bestimmt. In Europa, dem gesamten Nahen und Mittleren Osten und schon vorher in Afrika und Asien. Der große Coup war aber, dass es ihnen gelungen ist, den Völkerbund nach dem Ersten Weltkrieg dazu zu bewegen, die neuen britischen Grenzziehungen fortan als sakrosankt, als unveränderlich zu bestimmen. Natürlich waren es die Briten selbst, die sich nicht daran gehalten haben, zum Beispiel als sie Kolonien in die Unabhängigkeit entließen. Auch von ihnen selbst zugelassene Referenden haben sie einfach für unzulässig erklärt, wenn ihnen das Ergebnis nicht gepasst hat. Ich erinnere hier an das Gebiet Breslau, in dem 1926 eine Abstimmung klar ergeben hat, dass die Bürger zum Deutschen Reich gehören wollten. Diese britische Missachtung des Volkswillens dort hat – nebenbei bemerkt – bewirkt, dass wir heute eine Kanzlerin Merkel haben. Ihr Großvater, der Pole Ludwig Kazmierczak, der im Ersten Weltkrieg auf Seiten Frankreichs gegen das Deutsche Reich gekämpft hatte, wollte auch lieber im Deutschen Reich leben. Deshalb ist er nach Berlin gegangen und hat sich in Kasner umbenannt.
Was wäre daran so schlimm, wenn neue Kleinstaaten entstünden?
Ganz allgemein ist festzustellen, dass Staatsgrenzen vielfach weder ethnische, noch geomorphologische Gegebenheiten berücksichtigen. Man denke hier nur an Kaschmir, wo die Briten mit Aufgabe ihrer Kolonialherrschaft eine Grenze bestimmt haben, die mehr als vier Millionen Menschen zur Flucht getrieben und einen Konflikt verursacht haben, der bis heute andauert. Und natürlich die Kurden und Afrika, wo ich nur auf den Massenmord zwischen Hutu und Tutsi verweise. Man kommt kaum umhin festzustellen, dass die existierenden Grenzziehungen wenig geeignet sind, dauerhaften Frieden zu garantieren. Würde folglich die Vernunft nicht anraten, weltweit Referenden abzuhalten, um die Menschen entscheiden zu lassen, unter wessen Herrschaft sie leben wollen? Wenn dann vielleicht neue Kleinstaaten entstünden, wäre das in Zeiten der Globalisierung so schlimm?
Ein eigener Staat Katalonien wäre lange nicht der kleinste Staat Europas. Ein „Königreich Bayern“ zählte zu den zehn wirtschaftsstärksten Staaten Europas. Wo wäre das Problem? Was spricht gegen ein Europa der Regionen, unter dem Dach eines gemeinsamen, freundschaftlichen Verbunds? Ohne Verordnungsdiktatur, aber mit freiwilliger Teilhabe, wo es jede Region selbst bestimmen kann, in welchem Ausmaß sie zentrale Verfahren übernimmt. Wäre es nicht ein Weg zu Frieden und Zufriedenheit, wenn Volksgruppen selbstbestimmt leben dürften? Weltweit. Wie aber will man China ermahnen, Tibet zu respektieren, wenn nicht einmal Spanien den Katalanen ihre Unabhängigkeit zugestehen will?
Das Vorgehen der spanischen Zentralregierung ist unsensibel und dumm
Referenden bergen Sprengstoff. Bestehende Strukturen und vor allem Machtbereiche könnten vollkommen neu zu ordnen sein. Betrachtet man den Zustand Europas und der Welt, fällt es mir schwer, das von vorn herein als Unglück zu sehen. Im Gegenteil erachte ich das in einigen Regionen als überfällig. Allerdings passt dieser schöne Traum von Frieden und Selbstbestimmung nicht in die Pläne der jeweiligen Machthaber. Einmal wohl, weil sie mit den andauernden Konflikten ihre Geschäfte und Ränkespiele treiben und darüber hinaus, weil sich dadurch gewaltige Veränderungen in den etablierten Machtstrukturen ergeben würden. Auch ökonomisch.
Im aktuellen Verfahren in Katalonien aber spielt womöglich noch etwas ganz anderes eine wesentliche Rolle. Die Krim. Was wäre denn, wenn die Katalanen ihre Unabhängigkeit durchsetzten, gegen Madrid und gegen die spanische Verfassung? Kurz bemerkt: Das Völkerrecht stellt ein Referendum über die Verfassung. Wer könnte dann noch die Rechtmäßigkeit des Referendums auf der Krim infrage stellen, wenn Katalonien seine Unabhängigkeit ertrotzen kann?
Die Welt ist im Umbruch. Wirtschaftlich und politisch. Die Unzufriedenheit wächst allenthalben und neigt zu Gewalttätigkeit. Da ist es zumindest unsensibel, wenn nicht geradeheraus dumm von der spanischen Zentralregierung, das katalanische Referendum mit Gewalt zu verhindern, noch dazu, wo der Ausgang keineswegs absehbar war – jedenfalls nicht bis zur Gewaltanwendung durch Madrid. Ja, Demokratie kann schmerzhaft sein, aber so wird Demokratie vergewaltigt, wenn nur noch Abstimmungen mit erwarteten Ergebnissen zugelassen werden, die den Machpolitikern passen. Da fällt mir doch spontan noch Kanzleramtsminister Altmeier ein mit seiner Ansage, dass besser nicht gewählt werden soll, als der AfD eine Stimme zu geben. Die Zukunft nach Altmeiers Gusto lautet demnach: Ihr sollt wählen, aber nur mich und Meinesgleichen. Ansonsten bleibt lieber zuhause und fügt euch in das Schicksal, das wir für euch bestimmt haben!
Mehr über Altmeiers seltsames Demokratieverständnis hier: Altmeiers Demokratieverständnis: Nicht wählen ist besser als AfD wählen
Der Erste Weltkrieg war die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Nach dem Sieg der Briten, der eigentlich keiner war und nur durch die wieder von Lügen gestützte Teilnahme der USA möglich war, haben die Briten die Welt einfach neu nach ihrem Gusto „geordnet“. Heute gibt es keinen Konflikt oder Krieg, der nicht auf dieses Treiben der Briten ursächlich zurückgeführt werden kann. In meinem Werk „England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert“ führe ich Beweis, dass es nicht das Deutsch Reich war, das diesen Krieg wollte oder provoziert hat. Ohne den Ersten Weltkrieg wäre Hitler ein unbekannter Maler geblieben. Die Zeit ist reif zu verstehen, dass es eben nicht Deutschland war und ist, das für alles und jedes die Schuld zu tragen hat und schon gar nicht eine Erbschuld der heutigen Generationen. Ebenfalls lege ich dar, dass die Demokratie im Deutschen Reich weiter entwickelt war, als in den Ländern, die heute anderen Demokratie aufzwingen wollen. „England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert“ ist erhältlich im Buchhandel oder direkt zu bestellen vom Verlag hier.