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Ein Casus B. macht noch kein Himmelreich

Von Hubert von Brunn

Seit nunmehr zwei Wochen geistert ein Thema durch die deutsche Medienlandschaft, das bei jedem erwachsenen, über ein Minimum an Lebenserfahrung verfügenden Menschen nur noch Kopfschütteln hervorrufen kann: Jene unsägliche, von der „Heiligen Johanna vom Stern“ angezettelte „Sexismus“-Debatte um Rainer Brüderle. Alle Berufsquatscher im deutschen Fernsehen – Jauch, Illner, Lanz, und wie sie alle heißen – springen begierig auf den Karren und bieten den für Anstand, Sitte und political correctness zuständigen Klaferzen einmal mehr ein großartiges Podium für ihre moralinsaure Männerschelte. Was für eine Farce!

Man könnte diesen Casus (der in Wahrheit ja keiner ist) einfach ignorieren und sich den wirklich wichtigen Themen zuwenden. Das tun wir auch, aber da der „Fall Brüderle“ inzwischen derart hohe Wellen geschlagen hat, dass selbst die New York Times darüber berichtet, wollen wir von AnderweltOnline diese vor Verlogenheit strotzende Nummer nicht gänzlich ignorieren.

  • Eines vorneweg: Busengrapschen, Poklatschen, zwischen die Beine fassen etc. geht natürlich gar nicht. Allerdings gilt diese Tabu-Regel für beide Seiten, Männer und Frauen. Vor dem Gesetz sind wir doch alle gleich. Oder? Und soll mir keiner sagen, es gäbe keine sexistische Anmache von Frauen in Richtung Männer. Wer das abstreitet, dem rate ich, die nächsten Tage und Nächte in einer der Karnevalshochburgen Köln, Düsseldorf oder Mainz zu verbringen. Aber Hallo! Da geht die Post ab – und zwar nach allen Seiten.

  • Latenter Sexismus gehört zum uralten Spiel zwischen Männern und Frauen. Üblicher Weise macht das Weibchen mit seinen körperlichen Reizen auf sich aufmerksam, bis das Männchen reagiert (oder darauf hereinfällt). Gäbe es diesen natürlichen Sexismus nicht, wäre die Menschheit längst ausgestorben.

  • Wenn eine Frau ihre Kleidung so wählt, dass ihre körperlichen Vorzüge mehr oder weniger deutlich erkennbar sind, dann macht sie das in voller Absicht. Weniger gut bestückte Geschlechtsgenossinnen sollen neidisch werden, die Männer geil. Geschlechtsreife Frauen suchen immer nach der Bestätigung für ihr Frausein – auch wenn sie damit gar keine konkrete Aktion anstreben. Einfach festzustellen: Ich ziehe die Blicke auf mich, wenn ich wollte, könnte ich ja… Das genügt vielfach schon für einen erfolgreichen Testlauf, den eigenen „Marktwert“ betreffend. Leider durchschauen manche Männer diese Spielchen nicht und interpretieren das potenzielle Angebot gleich als konkrete Aufforderung. Sehr tölpelhaft, natürlich, doch gewiss nicht das einzige Missverständnis zwischen den Geschlechtern.

  • Von diesem Missverständnis grundsätzlich verschont werden Menschen weiblichen Geschlechts, die, was das Aussehen anlangt, von der Natur derart benachteiligt wurden, dass kein Mann diesseits von 3,0 Promille im Blut auch nur einen Blick riskieren würde, selbst wenn sie nackt durch die Fußgängerzone spazierten. Jene Frauen hüllen ihren Leib dann in knallbunte Wickelgewänder oder schwarze Sackkleider, die garantiert nicht die Spur von Weiblichkeit preisgeben, und beschreiten gewissermaßen der Not gehorchend den Weg des männerverachtenden Feminismus’.

  • Die von Frau Himmelreich (nomen est omen?) mit einem Jahr Verspätung publizierte Empörung über vermeintlich sexistisch übergriffige Bemerkungen des Herrn B. in einer Hotelbar ist an Perfidie nicht zu überbieten. Just in dem Moment, da Brüderle zur Gallionsfigur der FDP für den bevorstehenden Wahlkampf erkoren wird, tritt der „Stern“ eine mediale Lawine los, die nur ein Ziel hat: Brüderle und mit ihm die gesamte FDP zu diskreditieren, damit Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr bekommt, und wir demnächst wieder von Rot-Grün regiert werden.

  • Bis dahin habe ich Herrn Osterkorn, den Chefredakteur des Blattes, das sich doch so gerne in der Oberliga der deutschen Wochenmagazine spielen sähe, für einen ordentlichen und vor allem seriösen Journalisten gehalten. Das hat sich grundlegend geändert. Wer als verantwortlicher Chefredakteur eines meinungsbildenden Mediums den unausgegorenen Egotrip einer seiner Jungredakteurinnen mitträgt und darüber hinaus zulässt, dass mit diesem „Aufhänger“ ein rufschädigender „Fall“ konstruiert wird, hat journalistisch versagt und sollte seinen Schreibtisch räumen.

  • A propos „Stern“ und „Sex sells“: 1978 war die verstorbene Schauspielerin Inge Meysel (Mutter der Nation) eine der Klägerinnen im „Sexismus Prozess“ gegen das Magazin. Stein des Anstoßes: Ein knackiger Frauenpo in Hotpants, der sich sehr tief in einen Fahrradsattel drückt. Dieses Titelfoto transportierte fraglos unverhohlenen Sexismus. Und wenn man sich die Mühe machte, den „Stern“ auf diesbezügliche Text- und Bildbeiträge zu durchforsten – man hätte wochenlang zu tun, und das Ergebnis wäre sehr ernüchternd.

  • Ein letztes Wort zu Frau Himmelreich und ihrem Verständnis zu ihrer Arbeit als Journalistin. Ich war selbst viele Jahre als politischer Zeitungsjournalist unterwegs und habe in dieser Eigenschaft an unzähligen Pressekonferenzen, Parteitagen, Meetings etc. teilgenommen. Auch damals war es Gang und Gäbe, dass sich Politiker und Journalisten nach der Veranstaltung an der Bar getroffen, etwas getrunken und jenseits des Protokolls miteinander geredet haben. Was bei diesen Anlässen besprochen wurde, und was sich bei der Gelegenheit nicht selten auch im zwischenmenschlichen Bereich abspielte, war immer, ich betone immer, „off the records“. Darüber wurde nicht gesprochen und schon gar nicht geschrieben. Das war ein ungeschriebenes Gesetz, das von allen Kollegen und Kolleginnen eingehalten wurde.

  • Frau Himmelreich wollte sich wichtig machen, das ist ihr gelungen. Ob es ihrer weiteren journalistischen Karriere zuträglich ist, bleibt abzuwarten. Das einzige, was man Herrn Brüderle in diesem Kontext vorwerfen kann, ist, dass er – offensichtlich aus Höflichkeit – die Unwahrheit gesagt hat. Denn um ein ordentliches bayerisches Dirndl wirklich ausfüllen zu können, müsste das hanseatische Trockenbrötchen noch viele Maß Bier trinken, oder eben kräftige „push ups“ einsetzen.

  • Allen Leserinnen und Lesern, die mit diesem „Klartext“ übereinstimmen und darüber hinaus dem Mann-Frau-Thema durchaus auch mit Humor begegnen können, empfehle ich die Lektüre meines Buches „Staat der Frauen – Eine utopische Satire“ (TB, 9 €), 1999 Berlin. ISBN: 3-8280-0891-7

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