US-Krise: Der ganze Wahnsinn wird sichtbar
Eine Satire von Peter Haisenko
Will man das absurde Theater, das sich derzeit in den USA abspielt, einigermaßen begreiflich machen, gelingt das wohl am ehesten, wenn man die Vorgänge so darstellt, wie man es einem Kind erklären würde:
Da gibt es ein sehr großes Land, das dem Rest der Welt gerne vorschreibt, wie er zu funktionieren hat. Aber: Dieses Land hat furchtbar viele Schulden – nicht nur bei seinen Banken, nein, bei der ganzen Welt. Und jeder weiß, dass dieses Land seinen gigantischen Schuldenberg niemals mehr wird abtragen können.
Gleichzeitig gibt es in diesem Land Banken, die ganz, ganz reichen Leuten gehören. Die haben durch ihren Reichtum so viel Macht, dass sogar der Präsident dieses Lands dagegen ganz ärmlich aussieht. In seinem Land wird so schlecht gewirtschaftet und so wenig produziert, dass es nicht einmal für die eigenen Bürger reicht. Das Land muss viel mehr an wichtigen Dingen einführen, als es den anderen Ländern verkaufen kann. Damit gerät dieser Präsident in eine schreckliche Lage. Wenn da nicht eine Besonderheit wäre, die es in anderen Ländern nicht gibt: Die ganz wichtigen Banken der USA dürfen Geld drucken so viel sie wollen, und mit diesem Geld bezahlt dieses Land dann seine Rechnungen.
Nun könnte man meinen, dass die anderen Länder immer so dumm bleiben werden, wie bisher. Dass sie sich ihre Waren einfach weiterhin mit grün bedrucktem Papier bezahlen lassen, von dem es schon viel zu viel überall auf der Welt gibt. Ja, das könnte man wirklich meinen, denn kein Land muckt dagegen auf. Zum Glück gab es aber in diesem Land vor langer Zeit sehr gescheite Leute. Die haben damals Gesetze gemacht, die dafür sorgen sollten, dass nicht unendlich viele Schulden gemacht werden dürfen. Und wenn doch, dann muss die ganze Regierung darüber abstimmen. Wenn sich alle einig wären, könnte es noch lange so weitergehen. Leider sind sich gerade mal gar nicht alle einig, und so geht es in diesem Land zu wie in einem Kindergarten. Du kriegst mein Spielzeug nicht, wenn du nicht nett zu meinen Freunden bist.
Und so lange die sich zanken, darf der Präsident nicht so viel Geld drucken lassen, wie er gern ausgeben möchte. Und jetzt, liebe Kinder aufgepasst, passiert etwas ganz Komisches: Da gibt es ganz viele Leute, die gern arbeiten würden und die Arbeit machen wollen, die gemacht werden muss. Diese Leute dürfen aber nicht arbeiten, weil sich der Präsident von dem frisch gedruckten Geld nichts mehr leihen darf. Das Parlament hat es ihm einfach verboten. Von einem Tag auf den anderen. Gestern durften sie noch arbeiten, heute müssen sie Urlaub machen. Ohne Bezahlung.
Da fragen sich diese Leute doch, was seit gestern passiert ist. Wenn sie morgens aus dem Bett steigen, können sie nichts erkennen, was sich seit gestern verändert haben soll. Die Kühe geben brav ihre Milch, und das Gemüse wächst weiter im Garten. Nur arbeiten dürfen sie nicht. Es gibt kein Geld, um sie zu bezahlen, wird ihnen gesagt. Vor den vielen Sehenswürdigkeiten und Parks des Landes stehen die Besucher vor verschlossenen Toren, weil das Personal diese Tore nicht mehr aufschließen darf. Und diese Staatsbedienstete dürfen die Tore deshalb nicht mehr aufschließen, weil sich der Präsident kein Geld mehr leihen darf. Das können sie nicht verstehen – und eigentlich versteht es niemand.
Dabei ist es ganz einfach: Da gibt es Leute, die haben so viel Geld, dass sie nach Belieben damit spielen können. Das ist ein ganz gemeines Spiel. Sie verleihen ihr Geld an Leute, die kein Geld haben. Dafür nehmen sie Zinsen. Weil aber jetzt die armen Leute Zinsen zahlen müssen, müssen sie sich immer mehr Geld leihen und immer mehr Zinsen bezahlen. So kommt immer mehr Geld zu den ganz Reichen, und die haben ihr Geld so lieb, dass sie es mit niemandem teilen wollen. Sie wollen es nicht einmal mehr dem Präsident leihen, und so kann der Präsident die Leute nicht mehr bezahlen, die die Arbeit für ihn machen sollen. Der Präsident muss das Arbeiten verbieten.
Ja, liebe Kinder, und jetzt stellt ihr die berechtigte Frage: Wie kann es sein, dass ein Land, das gestern noch funktioniert und gearbeitet hat, plötzlich nicht mehr funktioniert und nicht mehr arbeiten darf, nur weil irgendjemand gesagt hat, dass es kein Geld mehr gibt? Wenn wir nicht mehr arbeiten dürfen, dann können die anderen ihr Geld auch nicht mehr ausgeben. Das klingt doch ziemlich unsinnig, oder?
Dabei ist es im Grunde wieder ganz einfach: Eigentlich sollte Geld nur dafür da sein, um es gegen Arbeit und Waren zu tauschen. Da gibt es aber Leute, die wollen genau eines nicht: arbeiten. Sie wollen nur mit ihrem Geld noch mehr Geld machen. Und diese Leute haben schnell herausgefunden, dass sie mit der Macht ihres Geldes über ein ganzes Volk bestimmen können – am Ende sogar über den Präsidenten. Ja, Kinder, ihr habt recht: Wenn die Leute nicht mehr arbeiten dürfen, weil der Präsident nicht mehr bezahlen kann, dann haben zum Schluss die ganz Reichen auch kein Geld mehr. Aber das macht ihnen nichts aus, denken sie, weil ihnen sowieso das halbe Land schon gehört. Und weil sie dem Präsident sagen können, was er zu tun hat.
Nein, liebe Kinder, ich kann es euch auch nicht erklären, warum die Leute, die immer von sich behaupten, furchtbar gescheit zu sein, so einen Unsinn treiben. Und dann noch behaupten, der ganze Wahnsinn wäre logisch und würde irgendwelchen Gesetzen folgen, die sie sich selbst ausgedacht haben. Wenn sie wirklich so gescheit wären, hätten sie schon lange erkennen müssen, dass sie sich alles falsch ausgedacht haben. Dass ihre absurden Regeln nur dazu führen, dass plötzlich die ganze Welt nicht mehr funktioniert, obwohl sich eigentlich nichts verändert hat, außer ein paar unendlich langen Zahlenreihen in irgendwelchen Computern, die in den Bankhäusern stehen. Aber wenn sie das zugeben würden, dann müssten sie auch zugeben, dass sie das alles nur machen, um noch reicher und mächtiger zu werden.
Nein, Liebe Kinder, aufhängen sollte man diese Leute nicht! Aber einsperren sollte man sie! Für ganz lange, damit sie mit ihrem Unsinn nicht wieder Menschen daran hindern können zu arbeiten, wenn sie arbeiten wollen, und wenn deren Arbeit gebraucht wird. Und man muss ganz arg nachdenken, wie wir aus diesem Wahnsinn herauskommen. Ja, es könnte eine Lösung geben, wenn alle ihre Karten auf den Tisch legen und gemeinsam versuchen, komplett neu zu starten. Die alten Schulden vergessen und auch die wahnsinnig großen Vermögen. Einfach streichen. Ja, liebe Kinder, auch da habt ihr recht: Es wird dann nichts von dieser Welt verschwinden, was wir wirklich brauchen. Nur jede Menge grün bedrucktes Papier, und von dem es sowieso viel zu viel gibt und das eigentlich nichts wert ist.
Was sagt ihr? Das werden die ganz Reichen nicht zulassen? Aber das sind doch nur ganz wenige! Die Demokratie funktioniert nicht, solange die ganz Reichen so viel Geld haben? Nein, man muss sie deswegen trotzdem nicht aufhängen! Es reicht, wenn man sie für ganz lange wegsperrt.