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Wenn NVA und Stasi marschieren, wird mir schlecht

Von Hubert von Brunn

Am Abend des 08. Mai habe ich im Kreise von Freunden auf den Jahrestag der Kapitulation und der Befreiung von Hitlerdeutschland vor 68 Jahren angestoßen. So lange ich lebe, bin ich dankbar für „die Gnade der späten Geburt“ und werde nicht müde, die Freiheit, die jeder Bürger in diesem unserem Lande für sich in Anspruch nehmen kann, mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. In Frieden und Freiheit aufzuwachsen und mein gesamtes bisheriges Leben in diesem Zustand verbringen zu dürfen, ist ein großartiges Geschenk.

Zu unserer kleinen Feierrunde gehörten einige älter Damen, die den Krieg und dann eben auch dessen Ende als Kinder miterlebt hatten, die aus eigenem Erleben von Bombennächten, Vergewaltigung, Flucht und Vertreibung berichten konnten und mit tränenerstickter Stimme erzählten, welch eine tiefe, unvergessliche Bedeutung dieser Tag in ihrer Erinnerung hat.

Zwei Tage später musste ich dann in der Tagespresse u.a. die Überschrift lesen: „Stasi marschiert wieder – und der VoPo regelt den Verkehr.“ Dazu die entsprechenden Fotos von grimmig dreinblickenden Männern in Uniform, einer Vergangenheit huldigend, die alles andere als rühmlich ist. Den Brechreiz, der mich im ersten Moment erfasst hat, konnte ich überwinden. Mein Bedürfnis, den Genossen ein paar Worte mit auf den Weg zu geben, nicht. Deshalb dieser offene Brief:  

Werte Genossen,

am 09. Mai habt Ihr glühenden Anhänger und Verehrer von Stasi, NVA und Volkspolizei mit großem Gedöns und Tschingderassabum am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow den „Tag des Sieges“ über Nazideutschland gefeiert. Ganz so wie in seligen DDR-Zeiten, ganz so wie der „Große Bruder“ Euch damals geheißen hat, es zu tun. Was für ein skurriler Aufmarsch der Ewiggestrigen!

Als der Spitzbart und seine Obergenossen Euch eingebläut haben, dass es Nazis nur im Westen gab und gibt, also dort, wo Eure Landkarten eine weiße Fläche aufwiesen, da wart Ihr noch jung und unerfahren. Ihr habt die verlogene Propaganda aufgesogen wie süßen Nektar und hieltet Euch für die besseren Deutschen: absolut integer, politisch korrekt und moralisch hoch überlegen. Wenn man als junger Mensch in der Form lange genug indoktriniert wird, dann glaubt man irgendwann auch den letzten Schwachsinn. Insofern nachvollziehbar und in gewisser Weise verständlich.

Mit ein bisschen mehr Grips in der Birne hättet Ihr allerdings schon damals mitbekommen müssen, dass Ihr nichts weiter seid als die willfährigen Handlanger einer zweiten Diktatur auf deutschem Boden im 20. Jahrhundert. Nur mit Eurer devoten Befehlsempfänger-Haltung (genau das, was Ihr den einfachen Soldaten der deutschen Wehrmacht pauschal immer vorgeworfen habt) war es möglich, die Menschen zwischen Ostsee und Thüringer Wald im Zaum – ab 1961 hinter Zaun und Stacheldraht – zu halten. Dafür solltet Ihr Euch schämen und ganz bestimmt nicht mehr in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten.    

Aber nein, Ihr setzt noch eins drauf, haltet Euch immer noch für etwas Besonderes und marschiert in Euren hässlichen Uniformen im Stechschritt hinter der DDR-Fahne Säbel rasselnd durch die Gegend. Das hehre Recht der Demonstrationsfreiheit und der freien Meinungsäußerung, das Euch diese Bundesrepublik Deutschland zugesteht – genau diese Freiheit, die Ihr dem Volk in Eurem Machtbereich immer verwehrt habt – missbraucht Ihr auf übelste Weise, um Eure ewig gestrige Gesinnung kund zu tun. Damit unterscheidet Ihr Euch nicht im Mindesten von der NPD und anderem Neonazi-Gesockse. Das ist grotesk, widerlich und abstoßend.

Habt Ihr eigentlich schon mitbekommen, dass die großartige UdSSR seit 23 Jahren nicht mehr existiert, ebenso wenig wie Euer sozialistischer Operettenstaat? Eure Mauer im Kopf muss noch dicker sein als die, hinter der Ulbricht („Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen.“) mit Eurer Hilfe 28 Jahre lang sein Volk eingesperrt hat.    

Wollt Ihr den Menschen im Jahre 2013 allen Ernstes glaubhaft machen, Ihr hättet Deutschland von den Nazis befreit? Wollt Ihr – noch immer gefangen in der leninistisch-stalinistisch geprägten Heilslehre – weiterhin so tun, als hätte es nach 1933 in Rostock, Magdeburg, Erfurt usw. keine SA-Brigaden, Hitlerjugend, SS-Verbände und Gestapo gegeben? Dass das eine kommunistische Propaganda-Lüge war, hätte selbst in Euren verbogenen Spatzenhirnen allmählich Eingang finden müssen – sollte man meinen. Aber Ihr kapiert gar nichts. Die rechtsradikalen Auswüchse in Hoyerswerda und Rostock Anfang der 1990er Jahr und jetzt der NSU-Skandal: Ja wo hat das denn stattgefunden? Einfach mal hingucken und die Realitäten zur Kenntnis nehmen, könnte Euch wirklich nicht schaden.

Fette Pensionen und Renten kassieren von diesem Staat, den Ihr ganz offensichtlich ablehnt, das könnt Ihr. Gleichzeitig verachtet Ihr unser demokratisches Gesellschaftssystem ­ – Ihr habt Euch zwar so genannt, aber demokratisch wart Ihr nie – und trauert Euren schäbigen Privilegien nach. In meinen Augen seid Ihr elende Pharisäer und ekelerregende Opportunisten.

Genossen, hört meinen wohlgemeinten Rat: Geht hin, wo der Pfeffer wächst – falls man Euch dort rein lässt. Marschiert mit Euren blank gewichsten Stiefeln und den Blechorden auf der Heldenbrust durch die Pampa. Vielleicht trägt es dort, wo immer es sein mag, noch zur Belustigung der Bevölkerung bei. Ich möchte solche Bilder in meiner Stadt Berlin jedenfalls nicht mehr sehen.      

 

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