Das Märchen von der deutschen Willkommenskultur

Von Peter Haisenko 

In Oberbayern gibt es einen Witz: „Warum ist es eine Katastrophe, wenn in Berchtesgaden ein „Preuße“ stirbt? Weil dann 10 weitere Preußen nach Berchtesgaden zur Beerdigung kommen und neun davon bleiben hier!“ Willkommenskultur geht anders. Die Frage ist zu beantworten, ob es jemals, nicht nur in Bayern, in ganz Deutschland eine Willkommenskultur für Zuwanderer gegeben hat oder ob diese politisch korrekte Wortneuschöpfung nur dem Zweck dient, einen Zustand zu fördern, den es nicht gibt.

Die größte Zuwanderungswelle erlebte der westliche Teil Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Viele Millionen – deutsche (!) - Flüchtlinge und Vertriebene aus den Ostgebieten haben ihr Heil im Westen gesucht und sie waren zuallermeist alles andere als willkommen. Ein wesentlicher Faktor dürfte gewesen sein, dass die sowieso schon knappen Ressourcen unter noch mehr Menschen verteilt werden mussten. Aber das war beileibe nicht alles. Die – wiederum deutschen – Zuwanderer brachten andere Dialekte und Gepflogenheiten mit, die nur schwer in althergebrachte Strukturen zu integrieren waren. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Speisen, die in Bayern bis dahin unbekannt waren, abfällig als “Flüchtlingsessen“ abgetan wurden.

Viele unerwünschte „Besucher“ in der Geschichte Deutschlands

Ich selbst – mein Vater aus Russland und meine Mutter aus Mitteldeutschland, aber geboren in München – wurde in der Schule als Russe beschimpft, obwohl ich kein Wort Russisch beherrschte. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es zu dieser Zeit keine Willkommenskultur gegeben hat. Zu bemerken ist dazu allerdings, dass mein Vater, der gebürtige Russe, in Deutschland mit seiner Arbeit als Ingenieur sehr zum Prosperieren Deutschlands beigetragen hat, mit einer Vielzahl von bahnbrechenden Erfindungen auf dem Gebiet der Elektronik. Das ist ein wesentlicher Aspekt, der ganz allgemein in dieser Diskussion einen hohen Stellenwert haben sollte.

Die Geschichte Deutschlands, des deutschen Raums, kann erklären, warum in Deutschland gegenüber Fremden immer Zurückhaltung geübt worden ist. Die zentrale Lage in Europa bedingt, dass durch den deutschen Raum immer wieder fremde Horden gezogen sind und diese meist Schrecken und Verderben mit sich brachten. Beispielsweise seien genannt: Römer, Tataren, Hunnen, Schweden und Türken. Demzufolge ist in Deutschland die Gastfreundschaft unterentwickelt im Gegensatz zu den Randbereichen Europas. Es gilt: Je ungestörter eine abgelegene Region ist, desto freudiger werden Fremde empfangen. Sie bringen Gutes mit sich: Neue Nachrichten und Fertigkeiten; man profitiert von ihnen.

Kontrollierte Zuwanderung war positiv für Deutschland

Die andere Seite ist aber sehr positiv für Deutschland. „Den Deutschen“ gibt es nicht. „Der Deutsche“ zeichnet sich dadurch aus, dass er in aller Regel ein Gemisch aus vielen Vätern ist. Wenn man in den Familienhistorien nur weit genug zurückgeht, dann finden sich nahezu überall Einmischungen aus fremden Kulturen. Das macht „den Deutschen“ aus und die tragende Gemeinsamkeit ist die deutsche Sprache, die letztlich auch die deutsche Kultur bestimmt. Nun muss man noch den quantitativen Aspekt betrachten. Bis 1945 waren die Zuwanderungsmengen eher geringfügig. Sie waren zu klein, um Inseln fremder Kulturen entstehen zu lassen. Man musste sich einfach integrieren, der vorhandenen „Leitkultur“ unterordnen. Das gilt auch für die gewünschten Zuwanderungen zum Beispiel der Hugenotten oder der polnischen Bergarbeiter. Spätestens nach zwei Generationen waren diese bestenfalls noch an ihren Namen zu erkennen. Deutschland hat von diesen Zuwanderern sehr profitiert.

So wenig es eine Willkommenskultur in Deutschland gibt, so sehr ist Toleranz und Hilfsbereitschaft ausgeprägt. Friedrich II., der „Alte Fritz“ hat am 22. Juni 1740 das geflügelte Wort geprägt: „Jeder soll nach seiner Façon selig werden“. Damit war Preußen Vorbild nicht nur in Sachen religiöser Toleranz. Allerdings sollte hierbei beachtet werden, dass diese Toleranz Voraussetzungen unterworfen war. Die Zuwanderer mussten sich deutschen Gepflogenheiten und Gesetzen unterordnen und sollten die wirtschaftliche Entwicklung fördern. Trotz aller aufgeklärten Fortschrittlichkeit darf also weniger von einer Willkommenskultur gesprochen werden, sondern mehr von einer konditionierten Duldung, die Deutschland Vorteile gebracht hat.

Den Menschen besser vor Ort helfen

Der „gute Deutsche“ hilft, wenn er kann, aber er tut das nicht gern selbstlos. Sobald er selbst Einschränkungen durch seine Hilfsbereitschaft erleiden muss, geht die Hilfsbereitschaft schnell gegen Null. Solange aus Überschüssen geholfen werden kann, ist alles in Ordnung. An dieser Stelle laufen wir aktuell in eine Situation, die die Hilfsbereitschaft infrage stellt und die die nächste Frage aufwirft: Wie helfen wir anderen „richtig“? Ist es wirklich nachhaltige Hilfe, wenn wir von weltweit etwa 60 Millionen Flüchtlingen 200.000 Asyl gewähren? Was ist mit dem Rest, der dann immer noch 60 Millionen beträgt? Wäre es nicht zielführender, wenn wir unsere ganze Kraft dafür einsetzten, die Zustände, die Menschen zur Flucht veranlassen, in den Herkunftsländern zu verändern, zu verbessern? Aber können wir das überhaupt? Wir könnten, aber es wäre dann notwendig, die bedingungslose Gefolgschaft gegenüber unseren Verbündeten zu überprüfen – um es vorsichtig auszudrücken.

Jeder Flüchtling ist nach seiner Flucht heimatlos und das ist kein wünschenswerter Zustand. Kommt er aus südlichen Gefilden zu uns, muss er mit einem ungewohnt kalten Klima leben. Allein das bedingt, dass sich der Flüchtling unserer Kultur anpassen muss, was die Kleidung anbelangt. Die deutsche, die europäische Kultur hat sich aus den gegebenen Umständen entwickelt und ist für das Leben in Europa demgemäß sinnvoll. Unser ethisches Empfinden, unsere Moralvorstellungen sind geprägt vom Christentum. Auch das hat sich bewährt und niemand wird diesen Zustand von Toleranz und Recht gegen etwas anderes eintauschen wollen.

Zuwanderung braucht klare Regeln

Manche erinnern sich noch an die emotional geführte Diskussion um die „Leitkultur“. Es war geradezu ein Sakrileg, als Deutscher eine deutsche Leitkultur zu fordern. Aber genau hier liegt das Problem. Warum gibt es in Bayern kaum Probleme mit Zuwanderern? In München leben pro Einwohner mehr Zuwanderer als in Berlin, aber Berliner Zustände sind in München undenkbar. Den Unterschied zwischen Berlin und München sehe ich darin, dass in München, in Bayern ein gesundes Selbstbewusstsein gelebt wird. „Mir san Mir!“, heißt es in Bayern und wer bei uns leben will, der soll sich gefälligst einordnen. So funktioniert Integration und wer sich einordnen will, dem kann ein herzliches Willkommen entbracht werden.

Man macht es Zuwanderern einfacher, wenn sie klar formulierte Regeln vorfinden. Sie können/müssen dann entscheiden, ob sie sich diesen Regeln unterordnen wollen und wenn nicht, dann müssen sie eben weiterziehen; leider oftmals nicht in ein anderes Land, sondern nur in ein anderes Bundesland, wo sie mit Gleichgesinnten Inseln außerhalb der üblichen deutschen Gepflogenheiten vorfinden und ausweiten können. So sehe ich Probleme mit Zuwanderern weniger bei den Zuwanderern selbst, sondern vielmehr im Verhalten unserer eigenen Gesellschaft. Wir brauchen keine Willkommenskultur sondern klare Regeln, ein gesundes Selbstbewusstsein, die vor allem von der deutschen Gesellschaft getragen und gelebt werden und von Zuwanderern als Voraussetzung für ihre Zuwanderung anerkannt werden können. Dann, und nur dann wird es keine unscharfen Ängste vor Überfremdung geben, die heute als „Fremdenfeindlichkeit“ fehlinterpretiert werden.

Flüchtlinge sind die Folge verbrecherischer Politik

Wer wirklich Asyl beanspruchen kann/muss, wird wegen der großen Not zu uns kommen wollen, ob er nun willkommen geheißen wird, oder nicht. Es geht schließlich ums nackte Überleben. Aber die Entscheidung, bei uns Asyl zu suchen oder lieber in einem anderen Land, muss dem Flüchtling ermöglicht werden dadurch, dass er verlässliche Regeln vorfindet mit der unzweideutigen Voraussetzung, dass er nur willkommen geheißen wird, wenn er sich integrieren und die Gegebenheiten und Gesetze als gut und unumstößlich für seinen Aufenthalt im Land seiner Wahl anerkennen will.

Eine deutsche Willkommenskultur gibt es nicht, gab es nicht und wird auch nicht benötigt. Voraussetzung für Willkommenskultur ist der Wunsch nach Zuwanderung, aber selbst der beste Gutmensch wird kaum behaupten wollen, dass er Zuwanderung von Flüchtlingen aus Kriegs- oder Krisengebieten wünscht. Dass es Flüchtlinge gibt, ist immer mehr oder weniger verbrecherischer Politik geschuldet und die wünscht wohl niemand. Was sich aber alle wünschen sollten und wahrscheinlich wirklich wünschen ist, dass es allen Menschen so gut in ihrer Heimat geht, dass sie diese nicht verlassen wollen und schon gar nicht müssen.

Deutschland ist mittlerweile Zuwanderungsland Nummer zwei nach den USA. Dort und in anderen souveränen Staaten gelten für Zuwanderer genau die Regeln, die ich eben gefordert habe und die selbstverständlich sein sollten. Dass Willkommenskultur allein nicht lange andauert, selbst wenn sie spontan und freiwillig entsteht, kann an „der Wende“ beobachtet werden. „Begrüßungsgeld“ gab es für DDR-Bürger. Wie lange hat es gedauert, bis sich die Ersten die Mauer zurückgewünscht haben, bedauerlicherweise bis heute? Vergessen wir nicht, hierbei handelt es sich um Deutsche! Eine befohlene Willkommenskultur für Nicht-Deutsche wird die Probleme sicher nicht lösen können.

 

 

Was mit Zuwanderung und Asyl in Deutschland schiefläuft und wie man es besser machen sollte, beschreibt Hans-Jörg Schrötter in messerscharfen und meist unterhaltsamen Analysen in dem Buch „Auf nach Germania“. Im Buchhandel oder direkt beim Verlag hier.

 

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