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Die Causa Schwarzer: Erst kommt die Geldgier, dann die Moral

Von Hubert von Brunn

O tempora o mores! Der Sittenverfall in unserem Land wird immer unerträglicher, immer unbegreiflicher. Nein, dieses Mal geht es nicht um Vergewaltigung, häusliche Gewalt gegen Frauen, erzwungener Beischlaf, und als so was. Nein, wäre das der Fall, stünde unsere Ober-Kampfemanze Alice Schwarzer in vorderster Front, würde lautstark in allen Gazetten und auf allen TV-Kanälen ihren moralischen Zeigefinger erheben, und der Rest der Journalistenzunft hätte nichts mehr dazu zu sagen. Aber jetzt geht es um Steuerbetrug – und A. S.  steht wieder in vorderster Front. Sapperlot, wer hätte das gedacht?! Selbst in diese als rein männlich vermutete Disziplin dringt sie vor und macht dem staunenden Volk klar, dass xx Steuerhinterziehung mindestens ebenso gut beherrscht wie xy.

In bester Gesellschaft der Bundesverdienstkreuz-Träger

Wenn es um Geldgier geht – das hat uns die „Super-Emma“ damit gelehrt – spielen Chromosomen keine Rolle. Die, die sowieso schon genug haben, bekommen den Hals nicht voll und nutzen jede Gelegenheit, sich auf Kosten der Allgemeinheit (= des braven Steuerzahlers) schamlos zu bereichern. Gerade bei besonders ehrenwerten Bürgern, denen man für ihre außerordentlichen Verdienste um das Vaterland bereits das Bundesverdienstkreuz ans Revers geheftet hat, scheint Steuerbetrug ein recht beliebter Sport zu sein. Damit ist Alice Schwarzer, die seit 2005 ja auch das Verdienstkreuz 1. Klasse trägt, in bester Gesellschaft: Ex-Postchef Klaus Zumwinkel, Schlagersänger Freddy Quinn, Schraubenkönig Reinhold Würth, Ex-CDU-Bundesschatzmeister Walther Leisler Kiep – um nur einige zu nennen – haben die höchste Auszeichnung, die Deutschland zu vergeben hat, mit ergriffener Miene und vielleicht sogar einer Träne der Rührung im Augen vom Bundespräsidenten in Empfang genommen, wohl wissend, dass sie eben diesen Staat seit Jahren nach Strich und Faden bescheißen. Zumwinkel hatte immerhin noch so viel Anstand, sein Bundesverdienstkreuz 2009, nachdem er zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldbuße von 1 Millon Euro verknackt worden war, zurückgegeben.

Davon ist Alice Schwarzer weit entfernt. Seit den 1980-er Jahren hat sie in der Schweiz Geld gebunkert und für die Zinsen keine Steuern gezahlt. Dieses Konto, erzählt sie treuherzig, sei einfach da gewesen, zu ihrer „Beruhigung“. Einfach so, und über die Jahre haben die Mäuse Junge bekommen – und das nicht zu knapp: Von einem in Frage stehenden Vermögen von mindestens 2,4 Millionen Euro ist die Rede. Sauber! Wohl dem, der es sich leisten kann, ein solches Konto durch Zins und Zinseszins vor sich hin wachsen zu sehen, ohne jemals darauf zurückgreifen zu müssen. Die überwiegende Mehrheit der Bundesbürger ist von einem derart luxuriösen Zustand weit, weit entfernt. Aber sie (vor allem die männlichen Geschlechts) müssen sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit moralische Zurechtweisungen der Oberklaferze Schwarzer gefallen lassen.

Vom Täter zum Opfer

Einen Fehler habe sie begangen, aber den habe sie ja auch wieder gut gemacht, indem sie sich 2013 selbst angezeigt und 200.000 € an den deutschen Fiskus zurückgezahlt hat. Na toll: Das bezieht sich auf hinterzogene Steuern in den letzten zehn Jahren. Alles, was davor war, ist verjährt. – So kann man auch zu etwas kommen. Im Übrigen verbittet sich Frau Schwarzer weitere Berichterstattung über ihren Fall, denn schließlich habe sie jetzt die Steuernachzahlung geleistet, und ab sofort gelte für sie „das Recht auf Privatsphäre und das Steuergeheimnis“. Anstatt sich reumütig zu geben und die Menschen, insbesondere die Frauen, die ihr über viele Jahre vertraut und als leuchtendes Vorbild im Geschlechterkampf gesehen haben, um Verzeihung zu bitten, entblödet sich diese Frau nicht, sich jetzt auch noch als „Opfer“ hinzustellen. So viel Chuzpe ist einmalig. Was das Bundesverdienstkreuz anlangt, könnte sich die streitbare Alice eine Scheibe von Klaus Zumwinkel abschneiden. Aber das ist ja ein Mann, und ein Mann kann für die verbiesterte Feministin niemals Vorbild sein.

Das Ende einer moralischen Instanz

Noch einmal Zumwinkel. Mit seinen Tricksereien gelangte das Thema Steuerbetrug durch wohlhabende Mitbürger in großem Stil 2008 erst so richtig in den Focus der Öffentlichkeit. In der Folge haben mehrere deutsche Finanzämter etliche Millionen für CDs bezahlt, auf denen die Daten von Steuersündern gespeichert sind. Diese Investitionen haben sich gelohnt, denn jene Indiskretionen haben dem deutschen Fiskus ein Vielfaches davon eingebracht. Dieses (juristisch durchaus zweifelhafte) Verfahren hat immerhin dafür gesorgt, dass seitdem Tausende von Bundesbürgern, die steuertechnisch Dreck am Stecken haben, den Weg der Selbstanzeige wählten, um halbwegs mit einem blauen Augen aus dem Schlamassel herauszukommen. Ohne diese Entwicklung hätte sich weder ein Uli Hoeneß, geschweige denn eine Alice Schwarzer freiwillig beim Finanzamt angezeigt. Herrn Hoeneß traue ich zu, dass er sich – egal zu welchem Urteil das Gericht kommen wird – seiner Verantwortung stellt, die, wie auch immer geartete, Strafe annimmt und sich im Nachhinein nicht als „Opfer“ geriert. Frau Schwarzer hat diesbezüglich den Rubikon schon überschritten, und deshalb kann man ihr nur raten: Halten Sie in Zukunft Ihren schmallippigen Mund. Als moralische Instanz haben sie in diesem unserem Lande ausgedient.                    

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