Ein wirtschaftlich gesundes Land beginnt keinen Krieg. – Wie real ist die Bedrohung durch Russland?
Von Peter Haisenko
Kriege werden hauptsächlich aus zwei Gründen angezettelt: Wirtschaft und Religion. Vor, während und nach einem Krieg wird die Wahrheit vergewaltigt. Die wahre Kriegskunst besteht darin, dem Besiegten und allen Unbeteiligten zu vermitteln, dass der Sieger am Ausbruch des Kriegs keine Schuld hat. Diese Propaganda ist wichtiger als der Waffengang selbst, hat aber eine weiche Stelle: Die Wirtschaftshistorie ist kaum zu fälschen und sie gibt Auskunft darüber, wer tatsächlich den Krieg angezettelt hat.
Ein wirtschaftlich gesundes Land beginnt keinen Krieg. Es kann durch Krieg keine Verbesserung der eigenen Lage erwarten. Wenn ein wirtschaftlich gesundes Land keine Ambitionen hat, der ganzen Welt seine Religion im weitesten Sinn aufzuzwingen, dann wird dieses Land grundfriedlich sein. Um einen Kriegstreiber zu erkennen, müssen wir also nachforschen, in welchem wirtschaftlichen Zustand sich die beteiligten Länder befinden. Der scheinbare Wohlstand in einem Land ist hierzu ein schlechtes Kriterium. Wohlstand ist relativ und kann auf Kosten anderer hergestellt sein. Es ist einzig die Außenhandelsbilanz, die in dieser Hinsicht Auskunft über den Zustand eines Landes gibt.
Krieg als ultima ratio zur Lösung wirtschaftlicher Probleme
Ein wirtschaftlich marodes Land ist immer als potentiell aggressiv anzusehen. Krieg hilft diesem Land, seine wirtschaftlichen Probleme auch innenpolitisch zu verschleiern. Betrachten wir also Russland, das von der NATO als Bedrohung, als Aggressor dargestellt wird. Solange es dort die Sowjetunion gab, gab es auch einen quasi-religiösen Anspruch die Welt mit dem Kommunismus zu beglücken. Die Sowjetunion war wirtschaftlich marode und so gab es gleich zwei Gründe, dieses Land als aggressiv zu fürchten. Die Sowjetunion gibt es nicht mehr.
Das postsowjetische Russland der 1990er Jahre ist unter Jelzin im Chaos versunken. Sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftspolitisch. Das führte vom Ausverkauf der Nationalökonomie an westliches Kapital über den Aufstieg von Oligarchen bis zum Staatsbankrott. Dann hat Putin die Führung in einer demokratischen Wahl vom russischen Volk übertragen bekommen. Diese erste Wahl Putins ist nicht als undemokratisch verunglimpft worden. Putin hat das Land aus dem Chaos geführt und die Wirtschaft stabilisiert, einen stetig ansteigenden Wohlstand für breitere Bevölkerungsschichten geschaffen. Er hat die Macht der Oligarchen auf das gesetzlich zulässige beschränkt und den Ausverkauf der Nationalökonomie gestoppt, sogar revidiert.
Putin hat den Russen eine neue Perspektive gegeben
Das moderne Russland ist ein Musterbeispiel, wie ein Land aus dem Chaos zurückfinden kann zu Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität. In kaum einem Land der westlichen Hemisphäre ist die Staatsverschuldung niedriger: Weniger als 10 Prozent. Die Außenhandelsbilanz ist solide positiv, auch wenn dieser Umstand im Wesentlichen Rohstoffexporten geschuldet ist. Wenn Russland also etwas von anderen Ländern haben will, dann kann es das einfach einkaufen und ohne Kreditaufnahme bezahlen. Welches Interesse könnte Russland haben, Nachbarländer zu destabilisieren oder gar kriegerisch zu erobern?
Ein instabiles oder besetztes Land kann kein guter Handelspartner sein. Es sei denn, man plant dieses Land fortan zum eigenen Vorteil auszubeuten. (siehe Deutschland!) Bei einem solchen Vorhaben muss aber die Verhältnismäßigkeit und der mögliche Vorteil betrachtet werden. Das riesige Russland, immerhin der größte Staat der Erde, braucht gewiss keine territorialen Zugewinne. Die Wirtschaftsleistung seiner direkten westlichen Nachbarn ist im Verhältnis zum eigenen Land so gering und die Verschuldung so hoch, dass sich Russland mit einer kriegerischen Annexion nur Nachteile einhandeln kann. Das gilt selbst dann, wenn Russland keine Befürchtungen haben müsste, mit Sanktionen für eine Annektierung „bestraft“ zu werden.
Friedlicher Handel ist für Russland die beste Möglichkeit, den Fortschritt im eigenen Land voranzubringen. Jeder andere Weg kann nur dumm sein, und wenn Putin eines immer wieder bescheinigt wird, dann dass er alles andere als dumm ist. Wie kann also die NATO oder Herr Rasmussen auf die Idee kommen, Russland wäre eine Bedrohung für seine westlichen Nachbarn? Ich denke, hier müssen wir die andere Seite betrachten.
Die größten Schuldenmacher sind die USA und Großbritannien
Vor allen anderen sind es die USA und Großbritannien, die ihre Rechnungen nicht bezahlen können. Dass diese Staaten nicht schon lange pleite sind ist nur dem Umstand geschuldet, dass sie gemäß des Systems von Bretton Woods einfach Geld drucken dürfen und die Welt das – bislang – akzeptiert. Das reale Außenhandelsdefizit dieser zwei liegt bei mindestens 40 Prozent. (Zum Vergleich: 1910 lag das Außenhandelsdefizit des British Empire bei 50 Prozent.) Die Wirtschaft dieser beiden Staaten ist also richtig marode. Nur ein Staat mit maroder Wirtschaft ist potenziell aggressiv und die jüngere Geschichte bestätigt das. Die Briten und die USA waren in den letzten 60 Jahren in mehr als 250 Kriege verwickelt, haben Regierungen gestürzt und Staatschefs ermorden lassen. Es ging vor allem um Öl und Macht. Heute ist unzweifelhaft nachgewiesen, dass als Begründung für die Kriege der Angelsachsen immer wieder Lügen und Desinformation herhalten mussten.
Betrachten wir nun Faktor zwei für einen Krieg: Religion, und zwar im weiteren Sinn. Demokratie und Marktwirtschaft haben im Bewusstsein der westlichen Hemisphäre einen geradezu religiösen Status. Mit derselben Aggressivität die den Kreuzzügen der Christen oder der kriegerischen Ausbreitung des Islam zueigen war, wird heute seitens der USA allen Ländern diese „Religion“ aufgezwungen, ob es nun zur gewachsenen Struktur der Länder passt oder nicht. Die Folgen sind heute wie damals dieselben: Millionen unschuldige Tote und Länder, deren gewachsene Strukturen auf unabsehbare Zeit zerstört sind, die im Chaos versinken.
Russland hat keine „Heilslehre“ zu verkünden
Könnte im Fall Russlands eine ähnlich „heilbringende“ Motivation angenommen werden? Sicher nicht. Russland ist (ebenso wie China) noch auf lange Zeit mit sich selbst beschäftigt, nach Ende des Kommunismus überhaupt einen eigenen Weg zu finden. Russland hat kein eigenes Modell, das es anderen aufzwingen wollen könnte. Russland hat aber das Recht, nach einem eigenen Weg zu suchen, auch wenn dieser nicht vollständig den westlichen Idealen entspricht. Und Russland hat ebenso das Recht, sich vor Einmischungen und Bedrohungen von außen zu schützen. Dieses Recht hätten Länder wie Persien, Ägypten, Vietnam, Ecuador, Panama, Irak, Afghanistan, Libyen und Syrien auch gehabt, aber diese verfügten nicht über die Stärke, diesen Schutz durchzusetzen.
Die NATO und ihr Generalsekretär Rasmussen verdrehen die Tatsachen vollkommen. Das hat eine hundertjährige Tradition und ist nur möglich, weil sie die Leitmedien auf ihrer Seite wissen. Während der letzten 20 Jahre hat die NATO Russland immer enger in den Würgegriff genommen. Von allen Seiten. Seit Afghanistan hat Russland kein Land angegriffen oder einen imperialen Anspruch gezeigt und der sowjetische Sündenfall in Afghanistan ist 30 Jahre her. Anders die NATO, respektive die USA.
Absurde Bedrohungsszenarien – siehe Kuba
Russland bedroht niemand. Im Gegenteil hat Russland auch unter Putin immer wieder konkrete Zusammenarbeit und Allianzen vorgeschlagen, die aber sämtlich vom Westen ignoriert oder arrogant abgetan worden sind. Russland hat kein Interesse an einer instabilen Ukraine. Welchen Nutzen könnte Russland daraus ziehen? Im Gegenteil ist es nur im Interesse Russlands, wenn eine stabile Ukraine weiterhin als Handelspartner zur Verfügung steht und endlich seine Gasrechnungen bezahlt. Es ist die US-geführte NATO, die Russland mit instabilen Ländern einkreisen will, damit Russland auf dem Weg zu Wohlstand wichtige und zuverlässige Handelspartner verliert und so nicht zu einem ernstzunehmenden Konkurrent wird. Es sind die USA, die genau wissen, dass die engere Partnerschaft Russlands mit Europa ihre eigene Position zusammenbrechen lassen wird; weil sich Europa dann vielleicht nicht mehr mit wertlosen Dollars abspeisen lässt.
Betrachten wir in diesem Zusammenhang Kuba. Erst vor wenigen Tagen haben die USA ihre Embargos und Sanktionen gegen Kuba um ein weiteres Jahr verlängert, die nun seit mehr als 50 Jahren bestehen. Begründung? Gibt es keine! In welcher Weise könnte Kuba die USA bedrohen? Außer vielleicht, dass auch Kuba sich weigert, die „Religion“ der Demokratie und des Turbokapitalismus bedingungslos zu adaptieren? Ja, und vielleicht Guantanamo von den USA zurückzufordern und zu schließen. Die USA selbst könnten viel Geld und Reibung einsparen, wenn sie endlich den absurden Status von Guantanamo aufgäben. Und damit sind wir am nächsten Punkt.
Ähnlich wie das marode British Empire vor 100 Jahren wenden die USA enorme Mittel für ihr Militär auf. Diese Kriegsmaschine ist ebenso wie die des British Empire nicht zur Landesverteidigung ausgelegt. Sie dient dem Anspruch, auf der ganzen Welt nach Belieben Krieg führen zu können. Wer sollte realistisch betrachtet die USA angreifen wollen? Die Insel zwischen Pazifik und Nordatlantik? Weswegen sollte das irgendjemand auch nur planen? Die USA könnten ohne Verlust an „Nationaler Sicherheit“ ihr Militär auf einen minimalen Küstenschutz reduzieren. Dann könnte die US-Industrie ihren Fokus wieder auf zivile Güter richten und so vielleicht zurück finden zu einer ausgeglichenen Handelsbilanz. Genau das hat aber das British Empire auch nicht getan und die Folge war der Erste Weltkrieg.
Subversive Attacken, um ein Land zu stabilisieren
Ein wirtschaftlich gesundes Land beginnt keinen Krieg. Was muss man also tun, um ein gesundes Land kriegswillig zu machen? Ganz einfach. Man muss nur die Wirtschaft angreifen und so diesem Land seine Gesundheit nehmen. Siehe Pearl Harbor. Bei Kuba hat es nicht funktioniert. Es waren die USA die den Angriff auf Kuba in der Schweinebucht verbrochen haben und nicht einmal das hat Wirkung gezeigt. Was tut man also mit einem Land, das sich nicht zu unbedachten Handlungen hinreißen lässt? Man versucht dieses Land auf den Status Kubas zu reduzieren: Abgeschnitten vom Welthandel und so von der Entwicklung, die zeigen könnte, dass es mehrere Wege zu Wohlstand und einer lebenswerten Gesellschaft gibt.
Wiederum vergleichbar mit Kuba zeigt sich in der Handlungsweise der USA gegenüber Russland dasselbe Muster und kein Staat kann sich davon unbeeindruckt zeigen. Von dem Moment an, da in einem Land Unfrieden geschürt wird, ist es zu Reaktionen gezwungen, die dieses Land von sich aus nicht wollte. Ich meine hier die subversiven Attacken der sogenannten NGO´s, die ein Land von innen heraus destabilisieren sollen. Siehe die „Orangene Revolution“ in der Ukraine, finanziert vom Amerikaner George Soros. Derselbe Soros, der auch die „Rosenrevolution“ in Georgien mit seinem Geld initiiert hat. Oder eben die NGO´s, die in Russland tätig sind und Russland gescholten wird, weil es sich dieser Organisationen und ihrer subversiven Tätigkeiten erwehrt.
Die Russen haben MH 017 nicht abgeschossen
Gibt es russische Organisationen, die das Ziel haben, andere Länder zu destabilisieren? Mir sind keine bekannt, aber die NATO behauptet, Russland wäre aggressiv. Mittlerweile verfestigt sich im Westen die Erkenntnis, dass es eben dieser Westen war, der den Ukraine-Konflikt verursacht hat. Diese Erkenntnis wird allerdings noch relativiert, indem unbedachtes Vorgehen postuliert wird. Was hat der US-Präsident Roosevelt (FDR) dazu gesagt? „In der Politik passiert nichts zufällig. Wenn etwas passiert, können Sie davon ausgehen, dass es genau so geplant war.“
Eines ist sicher: Russland hat den Abschuss der MH 017 weder geplant noch durchgeführt. Russland kann kein Interesse an instabilen Nachbarn haben. Russland will niemanden angreifen. Alle anderen Behauptungen können weder belegt werden, noch sind sie in sich logisch. Es sind die USA und Großbritannien, die wirtschaftlich schon über den Rand des Abgrunds gerutscht sind. Deswegen ist ihnen kein Mittel zu infam, ihren Status zu erhalten. Wie kann noch irgendjemand diesen Ländern glauben, nachdem sie die Welt so oft und so offensichtlich belogen haben? Und bevor jetzt wieder jemand laut „Krim“ ruft, noch ein klares Wort hierzu:
Ja, die Krim war Teil der Ukraine. Seit 1953. Aber die Krim ist auch der Teil der Ostukraine, wo niemand erschossen wird und kein Haus zerstört worden ist. Allein dadurch hat sich Putin mehr für den Friedensnobelpreis qualifiziert als der Drohnenmörder Obama. Um es noch einmal klarzustellen: Russland hat die Krim nicht besetzt, hat keine Soldaten dorthin geschickt. Die russischen Soldaten vor Ort waren vertragsgemäß dort und es waren weniger, als die Verträge es erlaubt hätten. Verträge gebrochen hat die Maidan-Regierung, als sie die laufenden Verträge zur Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte für nichtig erklärt hat. Das war ein aggressiver Akt. Russland und seine Schwarzmeerflotte waren bedroht, nicht anders herum. Genauso, wie die Osterweiterung der NATO für Russland als Bedrohung wahrgenommen werden musste, nicht anders herum.
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Anhand der Wirtschaftshistorie kann auch nachgewiesen werden, dass es keinesfalls das Deutsche Reich gewesen sein kann, das den Ersten Weltkrieg wollte. Bereits damals, vor einhundert Jahren war das British Empire in einer wirtschaftlich verzweifelten Lage und drohte weltpolitisch ins Abseits zu geraten. Nun, der Erste Weltkrieg hat das verhindert – und der Zweite auch. Das kleine und wirtschaftlich unbedeutende Großbritannien ist immer noch Vetomacht der UN. Wenn Sie an der ausführlicheren Version interessiert sind, wie anders das 20. Jahrhundert aus wirtschaftshistorischer Sicht dargestellt werden muss, empfehlen wir dieses Buch: England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert. Im Buchhandel oder direkt beim Verlag.