Sanktionen gegen Russland – aufgrund welcher konkreten Forderung?
Von Peter Haisenko
Üblicherweise gestaltet sich der Vorgang so: A stellt eine Forderung an B, eine sehr konkrete Forderung, wohlgemerkt. Macht B keine Anstalten, dieser Forderung nachzukommen, droht A, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, mit Sanktionen. So mag ein Gläubiger mit einem Schuldner verfahren; so erzieht man Kinder – oder eben auch Staaten. Voraussetzung ist aber immer eine konkrete Forderung, eindeutig erkennbar für den, an den sie gerichtet ist.
Bleiben wir bei der Kindererziehung. „Wenn du nicht brav bist, darfst du nicht fernsehen!“ Mit dieser „Breitband-Begründung“ nicht brav sein sind kaum positive Entwicklungen zu erwarten. Das Kind kann nur frustriert sein, aus mindestens zwei Gründen. Es hat nicht die Möglichkeit mit einer konkreten Verhaltensänderung die Sanktion abzuwenden und muss befürchten, dass es nicht brav genug sein kann, um den unscharfen Forderungen seiner Erzieher gerecht zu werden, egal was es tut. Das Kind wird schmollen und nach einem Weg suchen, unbemerkt von seinen Erziehern Zugang zum Fernsehen zu finden.
Ohne konkrete Forderungen laufen Sanktionsandrohungen ins Leere
Sanktionsandrohungen können also nur dann sinnvoll und erfolgversprechend sein, wenn mit ihnen eine klar definierte und abgegrenzte Forderung verbunden ist. Diese Forderung muss zudem gut begründet sein, wenn Einsicht vom Sanktionierten erwartet wird. Man vergleiche hier das Abmahnungs-Verfahren im deutschen Arbeitsrecht. Gegen eine betriebliche Abmahnung kann aus gutem Grund Einspruch eingelegt werden. Ein unabhängiges Gericht muss dann darüber entscheiden, ob die Abmahnung des Arbeitgebers gerechtfertigt ist. Spätestens dann muss der Abmahner seine Position gegenüber einem unbeteiligten Dritten verteidigen. So funktioniert ein rechtsstaatliches Verfahren.
Die Sanktionsandrohungen und verhängten Sanktionen gegen Russland sprechen rechtsstaatlichen Verfahren Hohn. Es gibt keine konkreten Forderungen, nur wachsweich formulierte Allgemeinplätze, die nicht einmal ansatzweise mit Beweisen für konkretes Fehlverhalten unterlegt sind. Russland soll die Unterstützung der ukrainischen Separatisten einstellen. Beweise wie und womit Russland die Separatisten konkret unterstützt, werden nicht vorgelegt. Die Praxis zeigt eine vollständige Verdrehung der Tatsachen. Zum Beispiel hat Russland als erstes eine unabhängige Untersuchung des Absturzes der MH 017 gefordert. Zusammen mit der deutschen Kanzlerin. Als dann nach Tagen in der UNO ein einstimmiges Votum für die Forderung Russlands zustande gekommen ist, wurde in den Medien verbreitet, dass die Sanktionen gegen Russland offensichtlich Wirkung zeigen, weil Russland dieser Resolution zugestimmt hat. Wäre die Sache nicht so ernst, könnte man nur darüber lachen.
Wer nicht nach der Pfeife der USA tanzt, wird sanktioniert
Russland fordert Waffenruhe in der Ukraine: Sanktionen gegen Russland. Russland fordert eine unabhängige Untersuchung der Schüsse auf dem Maidan: Sanktionen gegen Russland. Russland legt einen zehn-Punkte Fragenkatalog zum Absturz der MH 017 vor: Er wird ignoriert, Sanktionen gegen Russland müssen verschärft werden. Russland legt Radaraufzeichnungen zu MH 017 vor, alle anderen halten ihre Aufzeichnungen zurück. Seit Tagen herrscht dröhnendes Schweigen über die Erkenntnisse der Auswertungen der Recorder der MH 017: Sanktionen gegen Russland werden eine Stufe erhöht. Russland kann tun und lassen was es will, es werden immer Sanktionen gegen Russland gefordert.
Dieses Verhalten der westlichen Welt unter Führung der USA ist nicht neu. Betrachten wir dazu Kuba. Seit nunmehr mehr als 50 Jahren ist Kuba wegen der einseitig von den USA verhängten Sanktionen von der allgemeinen Entwicklung abgeschnitten. Der Vorgang zeugt von der ungeheuerlichen Arroganz der USA: Die USA allein entscheiden, ob ein Land den „richtigen“ Weg wählt, und wenn dieser den USA nicht passt, verhängen sie Sanktionen. Damit aber nicht genug. Die USA bedrohen sehr konkret alle anderen Länder mit Sanktionen, die sich den von ihnen verhängten nicht bedingungslos anschließen. Das sind dann allerdings nicht direkte Sanktionen, sondern versteckte. Abzug von Kapital, Währungsmanipulationen, Embargos – eben die Finanzwaffe. So, wie man Ägypten nach dem (verlorenen – Ägypten hat gewonnen) Suez-Krieg 1955 vom internationalen Kapitalmarkt ausgeschlossen hat, und das Land sich seitdem nie wieder erholen konnte. Die USA führen mit der Finanzwaffe einen ununterbrochenen Krieg gegen jeden, der sich ihrem Weltbeherrschungsanspruch nicht bedingungslos unterwirft.
Putin, der Spielverderber, muss weg
Zurück zu Russland. Solange der Trunkenbold Jelzin den Ausverkauf der russischen Nationalökonomie an das westliche Kapital nicht nur zugelassen, sondern sogar gefördert hat, gab es ein gutes Russland. Mit anderen Worten: Solange sich Russland gegen die amerikanische Finanzwaffe nicht gewehrt hat, mussten keine Sanktionen verhängt werden. Dann kam Putin. Er hat in kürzester Zeit wehrhafte Strategien gegen den Ausverkauf Russlands entwickelt und die Souveränität des Landes wiederhergestellt. Ein übler Spielverderber, dieser Putin. Also muss er weg. Aber damit nicht genug. Russland/Putin hat den USA und ihren Weltbeherrschungsplänen die Stirn gezeigt. Er hat das russische Militär wieder auf Vordermann gebracht. Er hat den US-Vasallen Saakaschwili in Georgien in seine Schranken verwiesen. (Nebenbemerkung: Wer hat schon in den Medien davon gehört, dass Saakaschwili mittlerweile in Georgien des Hochverrats angeklagt ist?) Er hat die restlose Zerstörung Syriens verhindert. Und jetzt eben geht es darum zu verhindern, die Ukraine in die NATO zu integrieren. All das hat einen einzigen Namen: Putin, der Spielverderber, muss weg.
Man kann die Sanktionsforderungen gegen Russland auch so beschreiben: Wenn du nicht brav bist, dann verhängen wir Sanktionen. Wenn du nicht brav genau das machst, was unseren Interessen dient, dann werden wir dich mit Sanktionen (der Finanzwaffe) in die Knie zwingen. Solange, bis das russische Volk seine demokratische Entscheidung für einen Präsident Putin revidiert, und ein Adäquat zum Trunkenbold Jelzin wieder über Russland herrscht.
Wie sieht es in dieser Hinsicht mit Deutschland/Europa aus? Nicht besser! Deutschland/Europa will die Finanzmärkte strenger regulieren? Dann wird das Kapital aus Europa abgezogen, heißt hier die durchaus unüberhörbare Drohung. Nicht anders, als es gerade mit Russland praktiziert wird. Banken „verstoßen“ gegen Handelssanktionen, die von den USA verhängt worden sind? Gerichte in USA verhängen Milliardenstrafen gegen europäische Banken, und die braven Europäer akzeptieren das widerspruchslos. Sie sind eben (noch) richtig brav, die Europäer. Deutschland allen voran.
Wo bleiben die Sanktionen gegen amerikanisches Fehlverhalten?
Und die andere Seite? Israel begeht gerade im Gaza-Streifen einen Genozid. Sanktionen gegen Israel? Wer könnte auf so eine absurde Idee kommen? Die USA haben den Irak mit gefälschten Anschuldigungen überfallen und ins Chaos gebombt. Sanktionen oder Reparationsforderungen gegen die USA? Selten so gelacht! Katar, USA und Konsorten beliefern nach eigenen Aussagen Mörderbanden in Syrien mit Waffen. Sanktionen gegen irgendjemanden? Fehlanzeige. Weltweite und völkerrechtswidrige Drohnenmorde (mehr als 3.000) der USA. Sanktionen? Seit 10 Jahren Guantanamo. Sanktionen, um das endlich zu beenden? US-Präsident Obama gibt grässliche Folterungen der CIA zu. Sanktionen oder Ermahnungen? Der Europäische Gerichtshof hat Polen wegen der Mithilfe an Menschenrechtsverletzungen in geheimen CIA-Gefängnissen (dort wurde auch gefoltert) verurteilt. Konsequenzen, Sanktionen? Der Platz reicht nicht aus, alles aufzuzählen.
Man muss sich das schon einmal richtig auf der Zunge zergehen lassen: Eine malaysische Boeing wird über der Ukraine abgeschossen. Zu viele unschuldige Tote. Die Ukraine und der Westen unter Führung der USA verweigern jegliche Hilfe zur Aufklärung über die Täterschaft. Sie halten alles an Dokumenten zurück, was zur Aufklärung beitragen könnte. Die Flightrecorder werden seit mehr als einer Woche ausgewertet, dröhnendes Schweigen über irgendwelche Erkenntnisse. Die Konsequenzen? Die Sanktionen gegen Russland gehen in die nächste Stufe. Wen wundert es da noch, dass ich nicht der einzige bin, den das anwidert? (Anmerkung: Als Fachmann kann ich versichern, dass die Gespräche und Geräusche des Voicerecorders innerhalb einer Stunde nach Anschluss an ein Analysegerät zur Verfügung stehen und allen, die daneben gestanden haben, bekannt sind. Beim Flightrecorder dauert die erste Auswertung maximal einen Tag länger.)