NSA ist überall – können wir uns dagegen wehren?
Von Peter Haisenko
Frankreichs Hollande ist verärgert über die Spionageaktivitäten der NSA. Er hat den US-Botschafter “einbestellt”. In diplomatischer Sprache heißt das: unverzüglich und ohne Widerrede. Da sind die Deutschen höflicher. Frau Merkel hat über ihren Kanzleramtschef Altmeier freundlich um ein Gespräch mit US-Botschafter Emerson gebeten. Der Unterschied ist fundamental.
Die Kanzlerin dürfte ähnlich verärgert sein wie ihr französischer Amtskollege. “Spionieren unter Freunden geht gar nicht”, hatten wir von ihr gehört. Warum bittet sie dann nur zum Gespräch, anstatt den Botschafter einzubestellen? Ex-US-Botschafter Kornblum hat klargestellt, dass kein deutscher Kanzler/in den US-Botschafter “einbestellen” kann. Man ist auf eine Einladung zum Gespräch reduziert. Ich empfinde das als demütigend, wenn meine Kanzlerin gegenüber den USA nicht so handeln kann, wie es international unter souveränen Staaten üblich ist. So also sieht eine “Partnerschaft unter Freunden auf Augenhöhe” aus, aus Sicht Washingtons.
Mit ihrer Einladung hat sich “Mutti” - immerhin wird sie als mächtigste Frau der Welt bezeichnet - restlos dem Diktat Obamas ausgeliefert. Eine Einladung kann angenommen oder abgelehnt werden. Darauf hat der Wille meiner Kanzlerin keinen Einfluss. Washington, Obama und sein Stellvertreter in Deutschland Emerson können die Einladung mit einem müden Grinsen ignorieren. Wahrscheinlich werden sie das nicht tun, denn in diesem Gespräch werden sie Angela Merkel Anweisungen erteilen, wie das weitere Vorgehen zu gestalten ist. Unsere Transatlantiker werden in jedem Fall positiv berichten.
Spionage ist immer ein feindlich aggressiver Akt.
Wenn auch noch Wirtschaft ausspioniert wird, geht es richtig an die Substanz, nicht nur an unsere. Wir müssen folglich feststellen, dass sich Deutschland mit einem feindlich aggressiven Akt seitens der USA konfrontiert sieht, der dazu geeignet ist, unsere Wirtschaft und unsere politische Handlungsfähigkeit massiv zu beschädigen. Nun hat uns Frau Merkel freundlich mitgeteilt, “dass auf deutschem Boden deutsches Recht gilt”. Da hat sie Recht. Es gibt deutsche Gesetze aus den 1950er und 1960er Jahren, die den USA das Recht zusichern, auf deutschem Boden nach Belieben zu spionieren. Diese Gesetze haben auch nach den 2 + 4-Verträgen Gültigkeit. Auf der anderen Seite ist politische und Wirtschaftsspionage – und darum geht es hier – nach deutschem Recht eindeutig ein Straftatbestand.
Wollte die Kanzlerin diesen eigentlich unmöglichen Zustand ändern, dann müsste der Bundestag diese Gesetze annullieren. Das könnte er schon morgen tun, vorbehaltlich der Rechte Washingtons, die immer noch im Grundgesetz festgeschrieben sind. Doch was dann? Die Bundesregierung könnte dann die USA ultimativ auffordern, ihre Spionagetätigkeiten in Deutschland einzustellen. Ultimativ? Ein Ultimatum kann nur dann sinnvoll eingesetzt werden, wenn es bei Zuwiderhandlung ein Druckmittel gibt. Welches Druckmittel könnte es von deutscher Seite gegenüber den USA geben? Wollen wir ein Embargo verhängen und den Export von Luxusgütern über den Atlantik einstellen? Nun, das würde die Oberklasse in den USA hart treffen, wenn sie nicht mehr mit BMWs, Mercedes und deutschen Küchen protzen könnten. Aber es hätte einen ähnlich geringfügigen Effekt, wie die Sanktionen gegen Russland. Hat Deutschland gegenüber den USA also überhaupt ein Druckmittel? Die Finanzwaffe ist fest in angelsächsischer Hand.
Russland als Partner auf Augenhöhe
Das einzig denkbare Druckmittel ist vor zwei Jahren mit der Ukraine-Krise demontiert worden: Die deutsche Politik hätte den USA signalisieren können, sich enger mit Russland zusammenschließen zu wollen. Das hätte die USA hart getroffen und gezwungen, tatsächlich auf Augenhöhe mit Deutschland zu verkehren. Nicht umsonst hat Washington etliche Milliarden investiert, um die Ukraine-Krise herzustellen und am Laufen zu halten. Daran erkennen wir, wie weitreichend die imperial-strategischen Planungen der USA sind. Nicht nur Putin soll getroffen werden, gleichzeitig wurde Deutschland das einzig denkbare Druckmittel genommen – zumindest auf absehbare Zeit. Die deutsche Wirtschaft wird nicht nur ausspioniert, sie wird auch besonders hart von den Sanktionen gegen Russland getroffen.
Die Bewertung des gegenwärtigen Zustands ist denkbar einfach: Wir können uns über die NSA aufregen, aber wir können es auch einfach lassen. Der Unterschied ist gleich Null. Alleine können wir gar nichts bewirken. Auch nicht mithilfe Frankreichs, denn die sind sauer auf uns, weil wir sie im Auftrag der USA auch ausspioniert haben. Deutschland kann nur im europäischen Verbund etwas bewirken. Wir, das besetzte Land, die größte Wirtschaftsmacht Europas, sind, was die USA anlangt, auf den Schutz der Europäer angewiesen. Auch die “Vierte Gewalt”, die Presse kann hier nicht helfen, denn wie die jüngsten Entwicklungen gezeigt haben, wird sogar “Der Spiegel” ausspioniert, verraten und von Transatlantikern beherscht. Ich empfinde das als überaus demütigend.
Wenn es sich von US-Spionage und deren Würgegriff befreien will, hat Deutschland nur eine Chance: Wir brauchen einen neuen Hegemon, einen Partner auf Augenhöhe, der den USA die Stirn bieten kann. Wer anders könnte das sein als Russland?
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Deutsches Recht auf deutschem Boden? Sehen Sie dazu diesen Ausschnitt aus "Die Anstalt" (5 Minunten): https://www.youtube.com/watch?v=exO_-umPSd4&feature=youtube_gdata_player
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