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Russische SU 24 abgeschossen – dreht Erdogan jetzt völlig durch?

Von Peter Haisenko 

Am 24. November 2015 hat die türkische Luftwaffe eine russische SU 24 abgeschossen. Erdogan sowie Obama sprechen vom selbstverständlichen Recht der Türkei auf Selbstverteidigung, weil der türkische Luftraum verletzt worden sei. Moskau widerspricht dieser Darstellung und die Reaktion der eilends von Erdogan einberufenen NATO-Konferenz lässt darauf schließen, dass auch in NATO-Kreisen die russische Version favorisiert wird. Dreht Erdogan jetzt völlig durch? Der Geisteszustand des Kalifen von Ankara ist sicherlich bedenklich, aber ganz so einfach liegen die Dinge nicht.

Die offizielle Darstellung der Türkei spricht von einer Verletzung des Luftraums für eine Dauer von 17 Sekunden. Es dauert länger, wenn man über den Zaun greift, um beim Nachbarn einen Apfel vom Baum zu stehlen. Niemand könnte es als gerechtfertigt ansehen, wenn man dafür erschossen wird. So widerspricht es allen internationalen Gepflogenheiten, ein Flugzeug wegen einer minimalen Luftraumverletzung einfach abzuschießen. Wie gesagt, selbst die Türkei meldet eine Verletzung von nur 17 Sekunden. Diese Aussage und der gesamte Vorgang lässt nur einen Schluss zu: Die türkischen Jets haben auf der Lauer gelegen (geflogen) mit dem klaren Ziel, ein russisches Flugzeug abzuschießen. Das Argument der Selbstverteidigung kann nicht gelten, denn die SU 24 war auf dem Heimweg von einer Mission und hatte seine Waffen abgeladen. Es war ein feiger Angriff auf ein wehrloses Flugzeug, das sowieso nicht für den Luftkampf ausgelegt ist. Dieses Flugzeug, auch wenn es sich um ein Kampfflugzeug handelt, stellte in keiner Weise eine Bedrohung für die Türkei dar.

Die Türkei unterstützt in vielfacher Hinsicht den IS

In diesem Zusammenhang muss man sich daran erinnern, dass US-Neocons und der militärisch-industrielle Komplex der USA bereits wenige Tage nach dem Eingreifen Russlands in den Syrien-Krieg gefordert haben, russische Kampfflugzeuge abzuschießen. Man muss folglich davon ausgehen, dass Erdogan die Unterstützung jener Kreise hatte, als er diese verbrecherische Provokation gegen Russland geplant und angeordnet hat. Die russischen Erfolge im Kampf gegen IS und andere Terrororganisationen auf syrischem Gebiet haben die US-geführte NATO, die USA selbst und natürlich die Türkei in eine prekäre Situation gebracht. Es wird offen ausgesprochen, aber wieder einmal von den „Qualitätsmedien“ nicht aufgegriffen, dass sowohl die Türkei als auch die USA Anti-Assad-Kämpfer – also Terroristen – aktiv unterstützen.

Die Türkei hält lange Abschnitte seiner Grenze zu Syrien offen. Über diese offene Grenze wird der IS mit Waffen und Kämpfern versorgt, der Verkauf des Öls abgewickelt und IS-Schlächter werden in türkischen Krankenhäusern medizinisch versorgt. Das ist ein offenes Geheimnis. Das Eingreifen Russlands hat diesen bislang gefahrlos ablaufenden Grenzverkehr massiv beeinträchtigt. Sobald es sich um syrisches Gebiet handelt, besteht nun die Gefahr, unter Beschuss durch russische Jets zu kommen. Der Fluss ist gestört. Ganz offen gesteht Erdogan, dass er die syrischen Nordregionen, die vornehmlich von Turkmenen bevölkert sind, als seinen Einflussbereich reklamiert. Kann es sein, dass Erdogan in seinem Größenwahn den zugehörigen Luftraum bereits als den seinen, also türkischen betrachtet und so den Abschuss der SU 24 rechtfertigt?

Arrogante Doppelmoral – wieder einmal!

Wikileaks veröffentlicht griechische Beschwerde über andauernde Luftraumverletzungen durch die Türkei

Interessanter Weise melden sich bereits wenige Stunden später amerikanische Militärs (z.B. Former Vice Chief of Staff of the US Air Force, Lt. Gen. Tom McInerney) zu Wort, die der türkischen Darstellung in doppelter Hinsicht widersprechen: Es gab keine Luftraumverletzung und auch die von der Türkei postulierten Warnungen – angeblich zehn an der Zahl – hat es nicht gegeben. Man gebrauche den Verstand: Wie können innerhalb 17 Sekunden zehn Warnungen ausgesprochen werden? Hinzu kommt wieder einmal eine arrogante Doppelmoral. Wikileaks hat am 24. November 2015 ein geheimes Telegramm des US-Militärs veröffentlicht, in dem festgestellt wird, dass die Türkei täglich 40 Mal den griechischen Luftraum verletzt – unter griechischem Protest.

Wie nicht anders zu erwarten, hat die NATO-Konferenz als erstes der Türkei Solidarität zugesichert. Die weiteren Ansagen waren jedoch ungewöhnlich. Deeskalation wurde gefordert und selbst der Oberkriegstreiber Stoltenberg hat sich eines gemäßigten Vokabulars bedient. Allein das belegt, dass die NATO ganz genau weiß, dass es eben keine Luftraumverletzung durch russische Jets gegeben haben kann. Wäre es anders, wäre die Reaktion eine andere gewesen. Auch US-Präsident Obama hat Deeskalation und Gespräche gefordert. Bricht man seine kurze Rede aber herunter auf die Substanz, dann hat er auch eine Drohung gegen Russland ausgesprochen: Solange Russland nur die Ziele angreift, die von den USA „genehmigt“ sind, besteht für die russische Luftwaffe keine Gefahr. Darf hier der Umkehrschluss gezogen werden, dass der türkische Angriff in gewisser Weise gut geheißen wird, weil Russland nicht unterscheidet zwischen „guten“ und „bösen“ Terroristen – nach amerikanischer Definition?

Putin gebührt höchste Anerkennung

Ich kann den russischen Präsident Putin nur bewundern ob seiner außerordentlich diplomatisch- zurückhaltenden Reaktion. Dafür gebührt ihm höchste Anerkennung. Natürlich muss er Konsequenzen androhen und solche auch in Kraft setzen und dabei kann er sich auch auf die Solidarität seiner Bürger verlassen. Die ersten Reiseunternehmen in Russland haben bereits die Türkei aus ihrem Programm genommen. Geht das konsequent weiter, was zu erwarten ist, werden der Türkei die Einnahmen von etwa 3,5 Millionen russischen Urlaubern im nächsten Jahr fehlen. Was wird aus dem Pipeline-Projekt für russisches Erdgas, was mit dem Handel mit Russland? Angesichts dessen müssen weitere Zweifel am Geisteszustand der gesamten türkischen Führung angemeldet werden. Es sei denn, Erdogan und seine Neocon-Freunde verfolgen ganz andere Ziele: Die Einverleibung Syriens unter türkische Herrschaft – inklusive des syrischen Öls.

Der Abschuss der russischen SU 24 ist mit nichts zu rechtfertigen. Ich stehe hier neben Putin, der sagt, der Abschuss war „ein Dolchstoß in den Rücken Russlands im Kampf gegen den IS“, eine Tat von Helfern des IS. Hierzu muss der Blick weiter reichen: Die Ukraine und die Sprengung der Stromversorgung zur Krim. Nicht nur das. Die Kiew-Regierung hat in den letzten Tagen wieder einmal begonnen, den Donbass mit schweren Waffen zu beschießen. Der Warenaustausch und damit die Versorgung zwischen Krim und Ukraine ist auf Weisung Kiews unterbrochen. All das verstößt gegen das Minsk II-Abkommen. Hat irgendjemand irgendetwas gehört von mahnenden Worten aus Berlin an die Adresse Kiews?

Wir müssen mithelfen, den Syrien-Krieg zu beenden

Es gibt offensichtlich mächtige westliche Kreise, die mit allen Mitteln verhindern wollen, dass das Morden im Nahen Osten beendet wird. Nachdem Russland die Führung im Kampf gegen den IS übernommen hat – und das sehr erfolgreich im Gegensatz zum nutzlosen Geplänkel der USA –, ist es Putin gelungen, federführend die Syrienkonferenzen in Wien zu etablieren und wirksame Allianzen gegen den IS zu schmieden – sogar unter Einbeziehung von Iran und Irak. Das kann weder dem Kalifen von Ankara gefallen, noch den US-Neocons. Bezeichnend, dass die US-Air Force 45 Minuten vor dem Angriff auf einen IS-Tanker-Konvoi Flugblätter abwirft mit der Warnung vor dem Angriff. Man mag das als „humanitäre Geste“ interpretieren, aber es sollte in dem Zusammenhang gesehen werden, dass die USA vor dem Eingreifen Russlands nicht einen einzigen ölbeladenen Tanker des IS angegriffen hat. Wieder einmal hat Putin hier seinen Finger in diplomatischster Weise in die Wunde gelegt, als er feststellte, dass der IS von 40 Staaten unterstützt wird, auch von G-20-Mitgliedern, ohne konkrete Staaten zu nennen. Im Übrigen muss jeder denkende Mensch an der Frage verzweifeln, warum dem IS nicht einfach der Geldhahn zugedreht wird.

Die Planung der US-Neocons bezüglich des Nahen Ostens liegt in Trümmern, wegen des Eingreifen Russlands. Hierzu sollte eine Betrachtung ganz allgemeiner Natur eingebracht werden. Der Erste und der Zweite Weltkrieg haben jeweils vier Jahre gedauert, jedenfalls was die heiße Phase des Zweiten anbelangt. Der Jugoslawienkrieg war nach fünf Jahren beendet. In Afghanistan und dem Irak dauern die zerstörerischen Kriegshandlungen nun bereits mehr als zehn Jahre an und in Libyen ist ein Ende der Gewalt nicht abzusehen. Das kann niemand aushalten und wir müssen nicht nur von einer „verlorenen Generation“ sprechen, vielmehr ist es ein anhaltender Genozid, der ganze Regionen entvölkern und Europa mit einem ungebremsten Zustrom von Flüchtlingen überfordern wird. Es ist in unser aller Interesse, Russland beizustehen und den Syrien-Krieg in seinem fünften Jahr zu beenden. Genau dagegen aber richtet sich der Abschuss des russischen Flugzeugs.

Die NATO hat ihre Mitglieder nicht mehr im Griff

Die US-Neocons fordern ganz offen Krieg gegen Russland. Krieg gegen Russland heißt aber Krieg in und gegen Europa. Der Abschuss der SU 24 und die Aktionen in der Ukraine zielen genau darauf ab. Die Rolle der Türkei? Der größenwahnsinnige Kalif von Ankara lebt entweder mit einer gigantischen Selbstüberschätzung oder er handelt im Auftrag. In wessen Auftrag? Das ist eher nebensächlich. Es kommt jetzt auf die europäische, die deutsche Politik an, jeden, absolut jeden als Partner abzuweisen, der nicht konsequent Lösungen im Nahen Osten aktiv unterstützt. Die europäische Politik muss auch der arroganten Forderung der Obama-Regierung widersprechen, Russland solle sich im Kampf gegen den IS der amerikanischen Führung unterordnen. Seit wann ordnet sich der Erfolgreiche dem Versager unter?

Der Abschuss der SU 24 hat einiges offengelegt: Die NATO hat ihre Mitglieder nicht mehr im Griff. Speziell die Türkei versucht ihr eigenes Süppchen zu kochen und dabei die NATO in Aktionen zu locken, die nicht abgestimmt sind. Gleichzeitig ist zu konstatieren, dass es offensichtlich mächtige Gruppierungen innerhalb der NATO gibt, die eine Politik im Interesse der Neocons und des militärisch-industriellen Komplexes betreiben. Eisenhauer hat schon vor 60 Jahren genau davor gewarnt. Eine NATO, die nicht einmal mehr die Kontrolle über die Aktionen ihrer Mitglieder behalten kann, jetzt offensichtlich sogar davon überrascht worden ist, ist kein funktionsfähiges Bündnis. Die NATO ist gegründet worden als Verteidigungsbündnis gegen die Bedrohung durch die Sowjetunion. Die gibt es nicht mehr und Russland ist kein Feind. Gegen wen also sollte sich die NATO verteidigen, Schutz bieten? So, wie die Sowjetunion aufgelöst worden ist, muss jetzt die NATO aufgelöst und ersetzt werden durch ein Bündnis eines geeinten Europa, das in friedlicher Zusammenarbeit mit Russland und China sein eigenes Wohlergehen als oberste Priorität der Politik und seiner militärischen Aktionen festschreibt.

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Wo liegen die Wurzeln des Terrorismus und was ist zu tun, um die Ursachen zu beseitigen? Raubtierkapitalismus produziert zwangsläufig Terroristen

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