Führt Griechenlands Rache zum Sturz von Merkel?
Von Peter Haisenko
Betrachtet man die Flüchtlingsrouten nach Zentraleuropa, dann fällt eines auf: Die gesamte Balkanroute ist nur möglich, weil Griechenland seine Grenze nach Norden geöffnet hat. Vor einem Jahr war diese Grenze noch geschlossen. Man sollte sich jetzt an die Drohungen des griechischen Verteidigungsministers Kammenos erinnern.
Bereits ein Tag nach der Wahl in Griechenland im letzten Jahr haben die Führer der großen europäischen Länder begonnen, auf die neue ungeliebte Regierung in Athen einzuprügeln. Hier allen voran Schäuble, die deutsche Regierung und die BILD-Zeitung. Es durfte nicht zugelassen werden, in Griechenland ein neues Konzept zu testen, jenseits der Armutspolitik (Austeritätspolitik). Wieder allen voran hat Schäuble niemals ernsthaft mit Varoufakis oder Tsipras verhandelt, sondern diktatorisch auf seinem Standpunkt beharrt. Es war dann im Frühjahr, als der griechische Verteidigungsminister in seiner Not und Verzweiflung die viel gescholtene Drohung ausgesprochen hat, die bereits in Griechenland angekommenen Flüchtlinge unbesehen nach Berlin weiterzuschicken. Genau das ist passiert und man kann sich nur wundern, dass das offensichtlich niemandem aufgefallen ist.
Unsolidarische Haltung der Bundesregierung
Wenn jetzt über Grenzsicherung geredet wird, wird vor allem auf die Unmöglichkeit hingewiesen, in der jetzigen Situation europäische Grenzen wirkungsvoll zu schützen. Besonders unter dem Aspekt, keine humanitäre Katastrophe zu verursachen. Es wird übersehen, dass dieser Zustand noch vor Jahresfrist gegeben war – außer für Griechenland. Die Flüchtlinge, die in Griechenland auf dem kurzen Weg zu den Inseln gelangt waren, wussten, dass sie gemäß dem Dublin-Abkommen von hier aus nicht weiter kommen würden. Dementsprechend verhalten war die Zuwanderung damals nach Griechenland, wobei dieses arme Land auch damit schon restlos überfordert war. Die Haltung der Bundesregierung dazu war arrogant unsolidarisch, auch was die Probleme Italiens anbelangt.
Realistisch betrachtet können die (See-)Grenzen Griechenlands nicht geschützt oder gar geschlossen werden. Man müsste auf Flüchtlingsboote schießen, um sie daran zu hindern, griechischen, also europäischen Boden zu betreten. Geht gar nicht. Was ist also möglich? Ganz einfach: Das Dublin-Abkommen wieder konsequent umsetzen. Das würde bedeuten, dass Griechenland seine Nordgrenze wieder dicht macht und damit die Balkanroute unmöglich. Das aber benötigt als Voraussetzung, dass vornehmlich Deutschland seine Politik gegenüber Griechenland komplett neu gestaltet: Volle Solidarität.
An Griechenlands Nordgrenze lässt sich das Problem lösen
Tatsächlich passiert aber genau das Gegenteil. Während Erdogans Türkei die Milliarden in den Rachen geschoben werden, werden die armen Griechen mit weiteren Rentenkürzungen und ähnlichem gequält. Und ein weiterer Faktor wird auch nicht angesprochen: Die Sanktionen gegen Syrien, die sicherlich auch ein starker Beweggrund für die Flüchtlingsmassen aus diesem geschundenen Land sind. Ich kann diesen unsäglichen Altmaier nicht mehr hören, wenn er immer wiederholt, wie toll die Verhandlungen mit der Türkei und anderen Ländern seien. Mit allen möglichen, nur nicht mit Griechenland. Ist Frau Merkel derart verfangen in ihrem Hass gegen Assad und die vom Volk gewählte Regierung in Athen, dass sie dafür bereit ist, Deutschland und Europa zu zerstören? Oder betreibt sie das Geschäft der Transatlantiker, die den Vorgaben aus Washington hirnlos Folge leisten mit dem Ziel, Europa als Konkurrent auszuschalten?
Das bislang völlig erfolglose Bestreben, das Migrantenproblem auf europäischer Ebene lösen zu wollen, wäre plötzlich möglich, wenn die griechische Nordgrenze wieder geschlossen würde. Allein die Nachricht darüber würde die meisten Migranten von ihrem gefährlichen Weg abhalten. Genauso, wie eben die Nachricht über die Öffnung der Grenze nach Norden erst die Migrantenwelle in ihrem jetzigen Ausmaß nach Griechenland eingeleitet hat. Wenn die griechische Nordgrenze wieder geschlossen ist, dann erübrigen sich auch weitere Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums. Die in Griechenland angekommenen Migranten oder Flüchtlinge könnten geordnet und gemäß dem Dublin-Abkommen innerhalb Europa verteilt werden. Aber dazu müsste Athen volle Solidarität und jegliche Hilfe gewährleistet werden, auch wenn der Chef Tsipras heißt und eine Wirtschaftspolitik machen will, die Herrn Schäuble gar nicht passt. Die Milliarden für die Türkei wären in Griechenland sicher besser angelegt. Es wäre für ein EU-Land, aus dem keine Nachrichten zu beklagen sind über verhaftete und ermordete Journalisten.
Hochmut kommt vor dem Fall
Es kann nicht sein, dass ich der Einzige bin, der diesen Zusammenhang erkannt hat. Zumal die Drohung des Herrn Kammenos damals breit diskutiert und gescholten worden ist. Entweder das Kanzleramt negiert diese Kausalität, oder – wenn es sie nicht erkennt und nicht entsprechend handelt – ist es nicht geeignet, weiterhin über Deutschlands und Europas Schicksal zu bestimmen. Die angekündigte Öffnung der griechischen Nordgrenze ist die Rache der Griechen für die diktatorisch miese Behandlung der vom Volk gewählten Regierung. So, wie es sich jetzt entwickelt, könnte diese Rache das Ende der Merkel-Herrschaft bewirken. Hochmut kommt vor dem Fall. In diesem Sinn und im Sinn einer allseits gewünschten echten europäischen Solidarität muss auch der Umgang mit den „Rebellen-Regierungen“ in Portugal und Spanien auf eine Ebene gebracht werden, die den demokratischen Willen aller Europäer respektiert. Die deutsche Regierung – und mit ihr leider auch die deutschen Bürger – haben ihre Strafe für ihr arrogant unsolidarisches Verhalten mit dem Migrationschaos erhalten. Ich bezweifle, dass Frau Merkel das noch reparieren kann, selbst wenn sie es wollte.