US-Raketenabwehr für Korea – die Einkreisung Russlands wird vorangetrieben
Von Peter Haisenko
Die nukleare Abschreckung, das “Gleichgewicht des Schreckens”, hat uns nun seit beinahe 70 Jahren davor bewahrt, dass eine Nuklearmacht einen Atomkrieg vom Zaun bricht oder die andere konventionell angreift. Grundlage dessen ist das Gleichgewicht, das dem möglichen Aggressor unausweichlich klar macht, dass ein Angriff im Gegenzug zur eigenen Vernichtung führen würde. Bereits US-Präsident Reagan hat mit seinem “Star Wars Programm” versucht, dieses Gleichgewicht zugunsten der USA zu verschieben, was zum Glück nicht funktioniert hat. Jetzt haben die USA im medialen Schatten von Fußball-EM und Brexit angekündigt, dass sie in Südkorea einen Schutzschirm gegen Raketenangriffe aus Nordkorea installieren werden. Zu welchem Zweck? Was steckt wirklich hinter diesem Plan?
Die militärischen Planer der Nuklearpolitik sind allesamt Psychopathen. Sie stehen jeden Tag auf und versuchen zu beweisen, dass sie einen Erstschlag führen können, ohne ihr eigenes Land der totalen Vernichtung anheim zu geben. Zum Glück mussten sie bislang jeden Abend zu dem Ergebnis kommen, dass das unmöglich ist. Eben bislang. Die “Schutzschirme” in Europa – Polen, Rumänien – haben entgegen anderslautenden Versicherungen den einzigen Zweck, die Erstschlagphantasien der paranoiden Militärs zu anderen Ergebnissen zu führen – und das ist das Gefährliche an dieser Vorgehensweise. Durch die Stationierung der Raketenabwehr in Korea soll nun die pazifische Flanke der USA abgesichert werden, sowohl gegen Russland als auch gegen China, um auch auf dieser Seite die Abschreckung aus dem Gleichgewicht zu bringen. Im Kalkül der Amerikaner hat Korea in Asien mithin die gleiche Rolle zu spielen wie Deutschland in Europa: Standort für massive Militärpräsenz und logistisches Zentrum zur Realisierung imperialer Weltmachtgelüste.
China hat bereits protestiert. Es sieht seine nukleare Gegenschlagkapazität und damit das Gleichgewicht bedroht. Russland hält sich wie üblich diplomatisch zurück, obwohl diese Installation die russische nukleare Gegenschlagkapazität massiv beeinträchtigt. Der Blick von Europa aus vernachlässigt die pazifische Komponente. Tatsächlich ist die Distanz zwischen Russland, hier natürlich Ostsibirien, und den USA eher kürzer, als der Weg über den Nordatlantik. Russland kann also einen Gegenschlag auf einen nuklearen Angriff der USA von beiden Seiten führen – über den Pazifik und den Nordatlantik. Den Weg über den Nordpol haben die USA mit ihren Installationen in Alaska, Grönland und anderen Nordpolarregionen weitgehend abgesichert. Jetzt soll auch noch ein Riegel in Korea das Arrangement weiter vervollständigen und so einem möglichen Erstschlag die Angst vor dem Echo nehmen.
Was können AWACS gegen den IS aufklären?
Währenddessen geht die konventionelle Einkreisung Russlands unvermindert weiter. Auf dem NATO-Gipfel in Warschau wurde beschlossen, mit AWACS-Flugzeugen den Luftraum über Syrien von türkischem Luftraum aus zu überwachen mit dem tollen Argument, den IS besser aufklären zu können. Dem Nicht-Fachmann fällt dieser Unsinn nicht so leicht auf. Die AWACS-Flugzeuge haben keinerlei Fähigkeit, Bewegungen am Boden festzustellen. Der IS hat aber keinerlei Luftfahrzeuge, welcher Art auch immer. Was sollen also diese Flugzeuge aufklären? Mir fällt dazu nur eine Erklärung ein: Es geht darum, die russischen Aktivitäten in Syrien genau zu beobachten und festzustellen, was die russische Luftwaffe wirklich kann und wo ihre weichen Stellen sind. Auch im Bereich der elektronischen Kriegführung. Zu tief sitzt der Schock über das, was Russland in Syrien und vorher in Georgien vorgeführt hat. Der Erfolg eines konventionellen Waffengangs der USA/NATO gegen Russland wird bislang selbst von führenden US-Militärs negativ bewertet.
Abgesehen davon ist die Aufklärungsreichweite der AWACS-Flugzeuge über der Türkei natürlich nicht auf den Süden beschränkt. Führt ihre Route “zufällig” entlang der türkischen Nordgrenze, ist das gesamte Schwarze Meer abgedeckt, inklusive der Kaukasusregion, Krim und Südrussland. Gleichzeitig haben die USA einen zweiten Flugzeugträger ins Mittelmeer entsandt und ihre Flottenpräsenz im Schwarzen Meer massiv aufgestockt. Wenn ich in Moskau säße, würde ich mich massiv bedroht fühlen. Das hat nichts mehr mit Abschreckung zu tun, man schafft vielmehr Stück für Stück die Voraussetzungen, einen Krieg mit Russland zu seinen Gunsten entscheiden zu können, indem sukzessive die notwendige Infrastruktur geschaffen wird.
Völkerrechtlich war die Krim nie Teil der Ukraine
Selbst unsere “Qualitätsmedien” können nicht umhin zu bemerken, wie mit den “rotierenden Stationierungen” von NATO-Einheiten und schwerem Kriegsgerät an der russischen Grenze die Verträge der NATO-Russland-Akte in grenzwertiger Weise umgangen werden. Abschreckung und Gesprächsbereitschaft wird als Argument präsentiert. Abschreckung? Wogegen? Gesprächsbereitschaft? Man hätte die Gespräche erst gar nicht einstellen sollen. Aggressives Russland? Ja, die Krim und die Ukraine werden immer wieder wie ein Mantra angeführt.
Man kann eine Lüge noch so oft wiederholen – zur Wahrheit wird sie nie. Thema “Annexion” der Krim. Tatsache ist: Die Krim hat eine Sezession durchgeführt und dieser Vorgang ist vom Völkerrecht abgedeckt. Wäre das nicht der Fall, hätte man längst den Internationalen Gerichtshof bemüht. Das aber lässt man tunlichst bleiben, weil klar ist, dass man dort eine Abfuhr erhalten wird. Wenn etwas völkerrechtswidrig und damit ungültig war, dann war es das Geschenk Chruschtschows, als er 1954 die Krim an die Ukraine gegeben hat. Wenn also das Völkerrecht bemüht wird, dann kann nur festgestellt werden, dass die Krim nie zur Ukraine gehört hat. Man sollte auch nicht vergessen, dass die Krim die einzige (ehemalige) Region der Ukraine ist, wo es den Menschen heute deutlich besser geht, als vor zwei Jahren. Niemand ist während der Chaosphasen erschossen worden. Allein diese Tatsachen sollten dankbar bewertet, anstatt mit Sanktionen “bestraft” werden.
Nun hat sich auch noch in Warschau ein führender NATO-General zu der Zwecklüge hinreißen lassen, Kiew hätte alle Ziele des Minsk-II-Abkommens erfüllt. Jeder weiß, dass das Gegenteil die Wahrheit ist, aber dieser General wollte wohl noch mehr Wärme suchen, im hinteren Ende von Poroschenko. Dennoch bringt er damit Frau Merkel in arge Bedrängnis. Hat sie doch gesagt, dass die Sanktionen gegen Russland nur dann aufgehoben werden dürfen, wenn Minsk II erfüllt ist. Also was nun? Erfüllt – Sanktionen weg! Oder doch nicht erfüllt? Beide können nicht Recht haben, Merkel und der NATO-General. Allein daran wird deutlich, wie mit der Wahrheit und Fakten umgegangen wird, je nachdem, wie man es gerade braucht. All das dient nur einem Zweck: Der Wähler, das Volk, soll ruhig(gestellt) der weiteren Einkreisung Russlands und Kriegsvorbereitungen gegen Russland zustimmen, obwohl die Mehrheit das nicht will, wie Umfragen immer wieder ergeben.
Für oder gegen wen regiert Frau Merkel eigentlich?
In seiner Ausgabe vom 7.7.2016 stellt der Stern eine entsprechende Umfrage vor und das Ergebnis ist mehr als eindeutig: 63 Prozent der Deutschen lehnen die NATO-Strategie gegenüber Russland ab, nur 25 Prozent befürworten sie. Selbst innerhalb der CDU stimmen 52 Prozent gegen die Abschreckungspolitik und fordern mehr Dialog. Nur 35 Prozent empfinden die Sanktionen für gerechtfertigt, während 56 Prozent für eine Aufhebung sind. 50 Prozent vertrauen Putin, 44 Prozent nicht. Dem Stern kann nun wirklich nicht nachgesagt werden, russlandfreundlich zu sein und so darf davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Stimmung im Land noch klarer pro Russland und pro Putin ist. Die letzten Umfragen zur Stimmung gegenüber den USA waren noch deutlicher. Bei T-online erklärten 83 Prozent ihr Misstrauen gegenüber unserer Besatzungsmacht. Das ist nun mehr als ein halbes Jahr her und seitdem hat niemand mehr gewagt, diese Frage erneut zu stellen, schon gar nicht in den Qualitätsmedien.
Wir müssen folglich feststellen, dass Kanzlerin Merkel und ihre Transatlantiker gegen das Volk, gegen die Wähler, regieren und das eben nicht nur, wenn es um TTIP oder CETA geht. Allenthalben herrscht große Sorge ob des Säbelrasselns gegen Russland. Man darf nun spekulieren, ob die Aussagen von Steinmeier und Gabriel bezüglich dieses Säbelrasselns einer besseren Einsicht folgen, oder doch eher der nackten Panik geschuldet sind, die in der SPD ob der katastrophalen Wahlvorhersagen herrscht. Nicht nur in Italien haben sich regionale Parlamente gegen eine Fortführung der Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. Die Menschen in Europa wollen keine Konfrontation mit ihrem riesigen und stets friedlich vertragstreuen östlichen Nachbar. Sie wollen das, was Putin bereits 2001 vor dem deutschen Bundestag vorgeschlagen hat: Einen gemeinschaftlich freundschaftlichen (Wirtschafts-) Raum von Lissabon bis Wladiwostok. Deutsches/europäisches Können kombiniert mit den Rohstoffen, den ergänzenden Fähigkeiten und dem nahezu unendlichen Absatzmarkt Russlands. Was bräuchten wir mehr? – Die andere Seite der Medaille ist, dass genau diese Vision in Washington nackte Panik auslöst. Sie muss mit allen Mitteln verhindert werden und wenn es nicht anders geht – dann eben mit Krieg.
Die Vorbereitungen dazu laufen auf Hochtouren und ich frage mich seit einiger Zeit, welches terroristische Großereignis die Neocons in Washington planen, das sie Russland in die Schuhe schieben können. Russland hat sich bislang nicht zu unüberlegten Handlungen verleiten lassen und so bleibt nur die alte Methode, mit einer gefälschten Aktion einen “gerechten Kriegsgrund” gegen Russland herzustellen. Siehe Tonkin in Vietnam oder die Massenvernichtungswaffen im Irak, um nur die zwei markantesten zu nennen. Bis dahin werden die Provokationen, Kriegsvorbereitungen und die weitere Einkreisung Russlands nicht abreißen in der Hoffnung, dass Putin doch noch der Kragen platzen möge. Ich danke wiederholt Putin und seiner Mannschaft, für ihre zurückhaltende und deeskalierende Diplomatie. Gnade uns Gott, wenn die Oberkriegstreiberin Hillary Clinton die Wahl in Amerika gewinnt. Sie ist es nämlich, die, im Gegensatz zu Trump, schamlos vom Charme eines nuklearen Erstschlags spricht.