Waffenexporte wieder gestiegen – die deutsche Wirtschaft braucht sie nicht!
Von Peter Haisenko
Die Regierung meldet: Rüstungsexporte im ersten Halbjahr 2016 auf neuem Höchststand. Besonders Munition wird exportiert. Das sollte nicht verwundern, wenn man die Berichte aus dem Nahen und Mittleren Osten verfolgt. Die Bilder zeigen, wie dort Munition im industriellen Maßstab verschossen wird. Es geht um deutsche Arbeitsplätze, behauptet Gabriels Ministerium. Das hält einer kritischen Betrachtung nicht Stand.
Die Einnahmen aus deutschen Rüstungsexporten sind durchgängig niedriger als zehn Milliarden Euro pro Jahr. Das erste Halbjahr 2016 brachte etwa vier Milliarden. Dem steht ein Außenhandelsüberschuss von 240 Milliarden im Jahr 2015 gegenüber. Würde also der Rüstungsexport gänzlich eingestellt, würde der Außenhandelsüberschuss um weniger als vier Prozent sinken. Wohlgemerkt, nur der Außenhandelsüberschuss! Umgelegt auf das gesamte Bruttoinlandsprodukt wäre die Minderleistung im kleinen einstelligen Promillebereich. Das kann die deutsche Wirtschaft nicht ernstlich in Gefahr bringen.
Wo bleibt die Moral im Waffengeschäft?
Dem steht ein stetig beklagter Fachkräftemangel gegenüber, besonders was Ingenieure und Facharbeiter anlangt. Zöge man nun einen Teil von diesen aus der Rüstungsindustrie ab, könnte der Mangel im zivilen Bereich verringert werden. Diese hochqualifizierten Kräfte würden dort mit Kusshand genommen; die Mär von steigender Arbeitslosigkeit, wenn die Waffenproduktion heruntergefahren würde, zieht also nicht. Ganz abgesehen von den moralischen Fragen, die sich beim Thema Waffenhandel in mehrfacher Hinsicht stellen. So wird den Bürgern reichlich Sand in die Augen gestreut, wenn Gabriels Ministerium über die große Bedeutung der Rüstungsexporte für die deutsche Wirtschaft fabuliert. In Wahrheit soll damit nur vertuscht werden, dass die eigentlich strengen Vorschriften für den Waffenexport eins ums andere Mal so lange zurechtgebogen werden, bis die Lieferung schließlich genehmigt werden kann. Dabei geht es keineswegs nur um einfache Waffen und Munition, die zum Beispiel in Saudischer Hand massenweise Jemeniten den Tod bringen. Es geht auch um Hightech-Komponenten, ohne die amerikanische Killerdrohnen nur blinde Hühner wären.
Im Zweiten Weltkrieg wurden die Arbeiter in amerikanischen Rüstungsbetrieben zu Höchstleistungen motiviert mit dem propagandistischen Hinweis, dass jede produzierte Kugel einen Japaner oder Deutschen töten kann und wird. Das gilt in der Gegenwart auch für deutsche Kugeln, durch die jetzt eben Araber, Afrikaner und Südamerikaner vorzeitig ins Jenseits befördert werden. Ich lasse das Argument nicht gelten, dass ja dann ein anderer liefert, wenn wir es nicht tun. Wer auch nur ansatzweise einen moralischen Anspruch reklamieren will, muss wissen, dass mit dieser Argumentation niemals ein Weg zu weniger Gewalt und Morden gefunden werden kann. Einer muss anfangen und wem könnte das leichter fallen als Deutschland? Deutschland, das vom Gesetz her und von dem aus dem letzten Krieg erwachsenen Anspruch auf Friedlichkeit keine Waffen exportieren dürfte, wenn zu befürchten ist, zum Beispiel in Krisengebieten, dass diese auch angewendet werden.
Terroristen können aus eigener Kraft weder Waffen, noch Munition produzieren
Das Morden in Syrien, im Irak, im Jemen, in der Ostukraine, in Nigeria, in Afghanistan… ganz egal wo auf der Welt bis an die Zähne bewaffnete Kämpfer – aus welchen Motiven auch immer – aufeinander losgehen, ist nur möglich, weil Waffen und Munition dorthin geliefert werden. Weder Al Kaida, noch der IS, noch irgendeine andere Terrorbande verfügen über die Fähigkeit, tödliche Waffen in nennenswerter Menge und Qualität herzustellen. Wir können es und tun es und laden so die Schuld an Zigtausenden Toten auf uns – zumindest moralisch. Der Löwenanteil sei in die USA geliefert worden, sagt entschuldigend Gabriel. Wir wissen aber, dass unsere Kriegsprodukte von dort den Weg in alle möglichen Regionen finden und zu irgendwelchen „Verbündeten“ gelangen, ohne dass Deutschland dann noch Kontrolle darüber hätte.
Die deutsche Industrie ist nicht auf Waffenproduktion angewiesen und schon gar nicht auf deren Export. Auf die lächerlich wenigen Promille am BIP können wir mühelos verzichten. Anders in den USA, wo außer Waffen kaum noch Produkte hergestellt werden, die auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind. Aber selbst die US-Waffenproduktion ist abhängig von Zulieferungen aus Deutschland, besonders von Hightech-Komponenten. Wenn also Deutschland alle Exporte von rüstungsfähigen Gütern und Komponenten einstellte, wäre das ein mutiger und unkonventioneller Ansatz, die Welt wenigstens etwas weniger waffenstarrend zu machen.
Deutschland sollte eine Vorreiterrolle übernehmen
Und dann ist da noch ein nicht zu unterschätzender psychologischer Aspekt. Gerade der Besitz von Waffen bedeutet für viele Menschen die „Faszination des Machbaren“. Wer eine Waffe in der Hand hält, ist weniger geneigt zu Verhandlungen und Kompromissen. Ich habe erleben müssen, was schon der Besitz eines Krummdolchs mit der Psyche eines Arabers macht. Was kann da wohl ein Maschinengewehr anrichten? Und Munition ohne Ende? Wie kann jemand so hirnrissig sein zu glauben, dass Waffen Frieden stiften könnten? Ganz gleich, wer sie in der Hand hält. Wäre es nicht ein wegweisendes Signal, wenn Deutschland in dieser Hinsicht voranginge und alle Waffenexporte einstellte? (Abgesehen von Pistolen für die Polizei.) Gut, ein schöner Traum, wird jetzt mancher sagen, aber jedes wirtschaftliche Argument pro Waffenexport ist eine Zwecklüge, denn die deutsche Industrie braucht keine Waffenexporte, um zu florieren.
Wenn Deutschland im globalisierten Tötungsgeschäft eine Vorbildfunktion einnähme, könnte unsere Regierung diesbezüglich auch auf dem politisch-/diplomatischen Parkett eine Vorreiterrolle spielen. Dergestalt, dass sie auf andere waffenproduzierende Staaten einwirkt, es dem deutschen Vorbild gleichzutun und eben keine Waffen mehr zu exportieren. Wenn es den großen Staatenlenkern ernst ist mit ihren gebetsmühlenartig vorgetragenen Bekundungen, alles zu tun, um den internationalen Terrorismus auszumerzen und dem massenhaften Töten unschuldiger Zivilisten ein Ende zu setzen – dann müssen sie genau das tun: Jeglichen Waffenhandel unterbinden. In dem Moment, da den Mörderbanden die Munition ausgeht und kein Nachschub mehr eintrifft, werden Geschütze und Raketenwerfer in Kürze verstummt sein. Ihre Kalaschnikows können die „tapferen Krieger“ dann bestenfalls noch als Keule einsetzen und letztlich müssen sie mit dem Krummdolch in der Hand Mann gegen Mann aufeinander losgehen. Da wird ihnen die Lust am Töten sehr schnell vergehen.