Altmeiers Demokratieverständnis: Nicht wählen ist besser als AfD wählen
Von Hubert von Brunn
Da hat der Herr Altmeier (CDU), der doch sonst so gern staatstragend salbadernd durch die Talkshows zieht, einmal kräftig daneben gelangt. In einem Interview mit der „Bild“-Zeitung beantwortete er die Frage, ob ein Nichtwähler besser sei als ein AfD-Wähler mit: „Aber selbstverständlich“. Wenn der amtiere Kanzleramtsminister wenige Tage vor der Wahl dazu aufruft, lieber auf sein Stimmrecht zu verzichten, als sein Kreuzchen bei der AfD zu machen, dann offenbart dies – vorsichtig formuliert – ein höchst merkwürdiges Demokratieverständnis.
Besondere Brisanz gewinnt diese Aussage, indem sie nicht von einem Hinterbänkler der CDU kommt, der sich auf den letzten Drücker auch noch einmal wichtig machen wollte, sondern von der rechten und der linken Hand der Kanzlerin. Frau Merkels Abräumer, der Mann fürs Grobe, den sie gern an die mediale Front schickt, damit sie bei bestimmten Themen in Deckung bleiben kann. War das jetzt bei Altmeiers Attacke gegen eines der Grundprinzipien unserer Demokratie etwa auch der Fall? Bemerkenswert immerhin: Während die Ministerkollegen de Maizière (CDU) und Maas (SPD) sowie der SPD-Fraktionsvorsitzende Oppermann umgehend dagegen hielten und übereinstimmend dafür plädierten, dass möglichst viele Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen und ihre Stimme abgeben sollten, hüllt sich die Kanzlerin einmal mehr in dezentes Schweigen.
Und auch der Bundespräsident, dessen Aufgabe es ist, sich parteiübergreifend für den Erhalt und die Stärkung der Demokratie einzusetzen, zieht es vor, nichts zu sagen. Er sollte schließlich das Grundgesetz kennen. Dort heißt es im Artikel 21, Abs. 2: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungsfeindlich“. Im Umkehrschluss heißt das: Alle 42 Parteien die sich am Sonntag zur Wahl stellen, sind verfassungskonform – also auch die AfD. Damit läuft Altmeiers Begründung für seine Nichtwähler-Präferenz ins Leere. In dem „Bild“-Interview nämlich behauptete er, die AfD spalte das Land und nutze die Sorgen und Ängste der Menschen aus. „Und deshalb glaube ich, dass eine Stimme für die AfD – jedenfalls für mich – nicht zu rechtfertigen ist“.
Falsch, Herr Altmeier! Millionen Menschen in weiten Teilen der Welt genießen nicht das Privileg, in einer freien, gleichen und geheimen Wahl ihren politischen Willen kundzutun. 1989 sind die Menschen in Ostdeutschland nicht zuletzt für dieses Privileg auf die Straße gegangen. Schon vergessen? Und jedem Bürger unseres Landes steht es zu, jeder Partei, die zur Wahl zugelassen ist, seine Stimme zu geben – ob es Ihnen passt oder nicht. – Mit seinem Statement hat sich der Kanzleramtsminister nicht nur als Demokrat disqualifiziert, sondern er spielt damit auch noch der AfD in die Hände. Deren Spitzenkandidaten Weidel und Gauland haben auf diesen Vorgang nämlich ausgesprochen sachlich und entspannt reagiert. „Nicht jeder mag meine Partei“, erklärte Gauland, „aber jeder, der seine demokratische Bürgerpflicht ernst nimmt, sollte sich zumindest mit uns auseinander setzen und dann anschließend wählen, was er will“.
Mindestens in dieser Sache erweisen sich die Spitzen der Partei, die allenthalben und von allen Seiten als neonazistisch, undemokratisch, populistisch usw. gescholten wird, als die besseren Demokraten – im Sinne des Grundgesetzes. Eine bessere Steilvorlage für die Wahlen am Sonntag hätte „Peter der Geschwätzige“ der AfD nicht liefern können.
Gehört Herr Altmeier zu denjenigen, die sich das wünschen? „Die Deutschen – Das klügste Volk auf Erden verabschiedet sich von der Geschichte“ In diesem auch humoristischen Werk werden noch viele andere vorgeführt und ja, es ist zwar vergnüglich zu lesen, gibt aber auch viel zu denken. Erhältlich im Buchhandel oder direkt zu bestellen beim Verlag hier.