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Karikaturist Hanitzsch nimmt Netanjahu auf die Schippe und verliert seinen Job bei der SZ – Hurra, hurra, die Zensur ist wieder da!

Von Hubert von Brunn

Presse- und Meinungsfreiheit und die Freiheit der Kunst gehören zu den viel beschworenen „westlichen Werten“, die immer als Ausdruck moralischer Überlegenheit nach vorne gestellt werden, wenn es darum geht, andere Gesellschaften, die ihren eigenen Weg gehen wollen, zu kujonieren, notfalls mit Gewalt. Was diese „Werte“ in unserem Land tatsächlich noch wert sind, zeigt sich jetzt an dem Fall des Karikaturisten Dieter Hanitzsch. Dessen Israel- und Netanjahu-kritische Karikatur hat ihm nicht nur einen Shitstorm eingebracht, wo er als Antisemit, Judenhasser usw. beschimpft wird, er hat auch gleich noch seinen Job bei der SZ verloren.

Viele Jahre hat der inzwischen 85-jährige Hanitzsch für die „Süddeutsche Zeitung“ das politische Tagesgeschehen mit spitzer Feder aufs Korn genommen. Kohl, Bush, Putin, Obama, Merkel, Trump – alle haben sie ihr Fett abbekommen und auch die haben bei der künstlerisch-satirischen Interpretation ihrer Taten keineswegs immer gut ausgesehen. Das wurde toleriert, von der Leserschaft der SZ ebenso wie von der Chefredaktion des Blattes. Aber Netanjahu und Israel? – Nein, das geht gar nicht. Was die Israelis tun ist wohlgetan und Netanjahu als Regierungschef ist sakrosankt, mag er sich noch so martialisch, kompromisslos und kriegslüstern gebärden. Wie viele ehrverletzende und bösartige Karikaturen wurden in den zurückliegenden Jahren in englischen, griechischen, polnischen und auch israelischen Zeitungen und Magazinen mit Angela Merkel als Protagonistin abgedruckt. Und jedes Mal wurde die Nazi-Keule herausgeholt, wenn den Zeichnern nichts mehr einfiel. Ich bin weit davon entfernt, mich als advocatus diaboli für Frau Merkel stark zu machen. Mir geht es um Verhältnismäßigkeit und das Messen mit gleichem Maß. Genau das sehe ich mit der aufgebauschten Affäre um die Hanitzsch-Karikatur nicht gegeben.

Warum hat niemand bei der SZ vor der Veröffentlichung sein Veto eingelegt?

Als jemand, der viele Jahre in unterschiedlicher Funktion für verschiedene Zeitungen gearbeitet hat, sind mir die redaktionellen Abläufe bei der Produktion einer Tageszeitung sehr wohl bekannt. Gerade die stark meinungsbildenden Beiträge wie Leitartikel, Kommentare und natürlich auch politische Karikaturen werden in den Redaktionskonferenzen, in jedem Falle von der Chefredaktion besonders aufmerksam angesehen. Und am Ende des Tages gibt es in aller Regel einen Schlussredakteur, meist der „Chef vom Dienst“ (CVD), der noch einmal einen kritischen Blick auf die Seiten wirft, ehe er sie „gehen“ lässt, d.h. zum Druck frei gibt. Irgendeine dieser Kontrollinstanzen wird es bei der SZ ganz gewiss auch geben. Irgendjemand in der Chefetage hätte also VOR Drucklegung entscheiden können oder – wenn er sie denn als so furchtbar antisemitisch eingestuft hätte – müssen: ‚Diese Karikatur geht gar nicht; die nehmen wir nicht mit.’ Das ist jedoch nicht geschehen, sondern die für die Produktion einer Zeitung Verantwortlichen, haben den aktuellen Hanitzsch abgenickt. Vermutlich hat man sich auch noch köstlich darüber amüsiert.

Als dann NACH der Veröffentlichung eine Welle der Empörung über die Redaktion hereinbrach, weil der bis dahin geschätzte Karikaturist ein Tabuthema angegriffen hat, bekam die Chefredaktion kalte Füße und reagierte, wie ferngelenkte Journalisten nun mal reagieren müssen: Die Karikatur wird sofort aus dem Online-Auftritt entfernt und damit die Empörung denn auch wirklich glaubhaft daher kommt, kriegt der Urheber auch noch einen Tritt in den Hintern. Nicht zu vergessen der öffentliche Kotau von SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach, der sich natürlich zutiefst zerknirscht für den Fehltritt seines Karikaturisten entschuldigt hat. Hurra, hurra, die Zensur ist wieder da! Hanitzsch wird das persönlich nicht jucken. Der 85-Jährige war so viele Jahre im Geschäft, dass es ihm bestimmt an nichts fehlt, aber immerhin ist wieder einer der „gefährlichen alten Männer“ aus dem Verkehr gezogen – jedenfalls für die Leser der SZ.
Ist es doch bezeichnend, wenn der Karikaturisten-Kollege Klaus Stuttmann vom Berliner „Tagesspiegel“ resigniert feststellt, dass
das Thema israelische Politik/Netanjahu kaum noch behandelbar sei. „Das rühre ich zur Zeit nicht an. Egal, was ich dazu zeichne, ich kriege einen Shitstorm, mit den Vorwürfen des offenen oder versteckten Antisemitismus.“

Von wegen Meinungsfreiheit

Da haben wir’s. Und uns Journalisten geht es nicht besser. Dass die Kollegen, die bei den Zeitungen des Springer-Verlags ihr Geld verdienen, kein kritisches Wort gegen Israel sagen dürfen, ist klar. Das hat Axel Cäsar damals so verfügt und das steht so im Redaktionsstatut, das jeder zusammen mit seinem Arbeitsvertrag unterschreiben muss. Aber dass die sich ansonsten ach so liberal und unabhängig gerierende SZ diese Art von Zensur mitmacht, ist schon ein wenig verwunderlich. Dass die Netanjahu-Karikatur nicht die allerbeste ist, die Hanitzsch hervorgebracht hat, stellt auch Kollege Stuttmann nüchtern fest. Aber dass diese in Anspielung auf die israelische Sängerin Netta, die dieses Jahr, weshalb auch immer, den ESC gewonnen hat, traurige Figur mit der Bombe in der Hand an „nationalsozialistische Propaganda“ erinnert, wie der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, ausmacht, erschließt sich mir nicht. – Eine künstlerische Glanzleistung ist diese Hanitzsch-Karikatur sicherlich nicht, aber ganz gewiss auch kein Kündigungsgrund. Seid vorsichtig, ihr Kollegen, die ihr in abhängigen Arbeitsverhältnissen seid. Notfalls müsst ihr abwägen zwischen Meinungsfreiheit und der Notwendigkeit euren Job zu behalten, damit ihr eure Familie ernähren könnt. – Armes Deutschland!

Quelle: SZ
Die Unternehmensverfassung des Axel Springer Konzerns. Vergrößern durch Anklicken.

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