Warum wird sexueller Missbrauch nur bei der katholischen Kirche thematisiert?
Von Peter Haisenko
Verfolgt man die Diskussion über Missbrauch und dessen Skandale, drängt sich der Eindruck auf, die katholische Kirche hätte ein Monopol darauf. Es ist offensichtlich, dass das so nicht sein kann. Warum also wird sexueller Missbrauch nur bei der katholischen Kirche verfolgt und aufgearbeitet?
Die Berichte über Missbrauch in englischen Internaten sind Legion. Mancher prominente Politiker in England ist schon über Sexskandale gestürzt, auch mit Minderjährigen. Gerade Pädophilie ist auf der Insel so verbreitet, dass die britische Polizei vor Jahresfrist bekanntgegeben hat, dass sie wegen der enorm hohen Anzahl von Vorfällen von einer konsequenten Verfolgung Abstand nehmen muss. Das korrespondiert mit der Erfahrung, dass die britische Polizei Anzeigen wegen Fahrzeugaufbrüchen schon seit Jahren nicht einmal mehr aufnimmt. Die einfache wie fatale Begründung lautet: Wir kriegen die Täter sowieso nicht. All das ist kein Thema für die Qualitätsmedien. Man muss sich fragen: Warum ist das so?
Sind Protestanten und Anglikaner moralisch überlegen?
Seit den 1970-er Jahren musste ich beobachten, dass es “modern” ist, Negatives über die katholische Kirche zu verbreiten. Ich selbst bin kein Katholik und stehe auch den Evangelikalen nicht nahe, obwohl ich evangelisch getauft bin und sogar konfirmiert. Dennoch bin ich darüber irritiert, in welcher Ausschließlichkeit über Missbrauchsskandale der katholischen Kirche gerichtet wird. Schließlich wissen wir aus allen Bereichen, in denen mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet wird, dass es Missbrauch gibt. Von den Kinder- und Jugendheimen in der ehemaligen DDR gibt es die übelsten Berichte. Selbst der Hochleistungssport ist davon nicht ausgenommen und hier gibt es sogar Ansätze der Aufklärung. Warum also ist die evangelische Kirche davon ausgenommen und die anglikanische schon ganz?
Der Vatikan ist ein Machtzentrum. Wahrscheinlich das einflussreichste der Welt. Die anglikanische Kirche ist der erklärte Erzfeind des Vatikan. Während Demokratie eigentlich Laizismus verlangt, also Trennung von Staat und Kirche, ist das im “Mutterland der Demokratie” nicht so ganz klar. Die Queen selbst ist neben dem Bischof von Canterbury die höchstrangige Vertreterin der anglikanischen Kirche. Der Blick nach Übersee zeigt, dass bis auf wenige Ausnahmen alle Präsidenten der USA Anglikaner waren. Das kann natürlich daran liegen, dass in den USA nur 20 Prozent Katholiken sind. Da sollte es erst recht stutzig machen, wenn auch dort nur Übergriffe der Katholiken angeprangert werden. Sind Protestanten und Anglikaner also moralisch gnadenlos überlegen? Definitiv nicht und das weiß ich aus eigener Erfahrung.
Seltsame Szene im lichten Fichtenwald
Zur Konfirmation gehört die “Konfirmanden-Freizeit”. Hier unternehmen die Jungen und Mädchen im Alter von etwa 12 bis 14 neben dem Konfirmationsunterricht Ausflüge und andere Gemeinschaftsaktivitäten – unter der Führung eines Kirchenmitarbeiters. In meinem Fall war es ein Herr Gerhard Bumke, Student der Elektrotechnik, der den kirchlichen Auftrag der Obhut über uns hatte. Eines sonnigen Frühlingstages machte er mit etwa zehn Jungs einen Ausflug mit dem Fahrrad von Gräfelfing in die Nähe von Starnberg, der in einem jungen, lichten Fichtenwald sein Ziel fand. Es war warm und der Jungscharleiter animierte uns Jungs, uns nackt auszuziehen und im verdorrten Gras niederzulassen. Wir fanden das ganz originell und haben Folge geleistet, denn der Führer ging beispielhaft voran mit dem Entkleiden.
So saßen wir eine zeitlang im warmen Gras herum, bis Herr Bumke plötzlich seine Hand zeigte, in der ein weißliches Gelee zu sehen war. Mit den Worten, “darum sollen sich jetzt die Ameisen kümmern”, schmierte er sein Ejakulat ins Gras. Ich gestehe, dass ich damals keine Ahnung hatte, was da abgelaufen ist. Es war Jahre später, bis ich begriffen hatte, dass dieser feine Herr angesichts der nackten Knaben seinen Treib mit der Hand befriedigt hatte. Und nein, ich bin deswegen nicht traumatisiert oder in meiner sexuellen Entwicklung beeinträchtigt worden. Aber in dieser Gruppe gab es einen, der sehr wohl verstanden hatte, was da geschehen ist. Es fiel nicht nur mir auf, dass Günter M. fortan ein engeres Verhältnis zu dem Jungscharleiter unterhielt und von diesem auch Geschenke erhielt, wie Funkgeräte, die damals für Jungs einen ähnlichen Stellenwert hatten, wie heute ein Smartphone.
Ich weiß nicht, mit wie vielen Jahrgängen an Konfirmanden dieser Herr Bumke – ja, er heißt wirklich so – seine Triebe ausgelebt hat. Es ist aber nicht anzunehmen, dass ich da einen krassen Einzelfall erlebt hatte, auch was Vorfälle in anderen Gemeinden betrifft. Ich kann folglich sagen, dass es im Umfeld der evangelischen Kirche definitiv Missbrauch gegeben hat und sehr wahrscheinlich bis heute gibt. Also nochmals die Frage: Warum wird nur bei den Katholiken auf Aufklärung und Buße bestanden und bei den anderen nicht?
Das unselige Wirken der Puritaner
Verfolgt man, welche Anzahl an evangelikalen Machtgruppen in USA ihren Einfluss ausüben, könnte sich hier ein Indiz abzeichnen. Die großen Medienkonzerne sind nicht in katholischer Hand. Dass die Evangelikalen seit ihrem Bestehen einen blutigen Krieg gegen die Macht in Rom führen, ist spätestens mit dem Dreißigjährigen Krieg unübersehbar geworden. Ablegersekten wie die Puritaner haben viel Leid über die Welt gebracht, mit ihrer verqueren Lehre. Nicht nur, dass die Ausrottung der amerikanischen Ureinwohner im Wesentlichen unter der geistlichen Führung der Anglikaner stand, haben sie überall wo sie konnten ihre sauertöpfischen Lehren durchgesetzt. So war es nicht nur in Südafrika bis in die 1970-er Jahre an Sonntagen verboten, ins Kino oder Schwimmbad zu gehen. Auch die perverse “Kultur” des “Table-dance” kommt aus dem anglikanischen Umfeld und ist bis heute eigentlich nur dort zu finden. Auf die verklemmte “Sexualmoral” in allen Ländern, wo die Anglikaner tonangebend sind, muss man nicht extra hinweisen. All das steht im Konflikt mit der Lebensfreude, die der katholischen Lehre anhaftet.
Der Einfluß des Vatikan soll beschädigt werden
Der südamerikanische Kontinent, von Mexiko abwärts, ist katholisch. Die “Monroe-Doktrin” hat diesen Kontinent zum “natürlichen” Einflussbereich der (anglikanischen) USA erklärt. Dem steht der große Einfluss der katholischen Kirche im Weg. Wie viel Leid haben anglikanische US-Präsidenten über diese Länder gebracht mit dem Ziel, die Monroe-Doktrin umzusetzen? Umstürze, (Politiker-)Morde, Verarmung und Ausbeutung. Ist es da nicht offensichtlich, dass dieser Machfaktor Nummer eins in Südamerika, die katholische Kirche, durch weitverbreitete Skandale weiter geschwächt werden soll?
Das Geldsystem wird von London und New York beherrscht, also auch von Anglikanern (und in der zweiten Reihe Juden). Wenn einer hier etwas verändern wollte und könnte, dann ist das der Vatikan. Der Papst ist es, der seinen Priestern vorschreiben kann, was sie zu predigen haben. So könnte er Milliarden dazu aufstacheln, sich gegen das verbrecherische Finanzsystem aufzulehnen. Inwieweit der Vatikan selbst an diesem Verbrechersystem beteiligt ist, halte ich dabei für nebensächlich. Es geht darum, dass er es könnte und so eine Dauergefahr für zumindest die finanzielle Herrschaft der Anglikaner ist, die mit allen Mitteln beschädigt werden muss.
Wieder einmal wird mit zweierlei Maß gemessen
Wie üblich, sollte auch im Fall der katholischen Kirche die Frage vornan stehen: Wem nutzt es, wenn die Macht der katholischen Kirche angegriffen wird? Oder die Macht des Islam, der auch ein anderes Geldsystem in seinen Lehren vorschreibt und dieses durchaus erfolgreich praktiziert. Ohne Zins und Zinseszins. Worum geht es also wirklich, wenn sich die öffentlich sichtbare Diskussion auf die Verfehlungen der katholischen Kirche konzentriert? Die mindestens ebenso offensichtlichen und nicht minder abscheulichen Verfehlungen der anderen aber ignoriert? Es liegt mir wirklich fern, die katholische Kirche oder den Papst “heilig zu sprechen”. Zu große Leichenberge liegen in deren Kellern. Aber mein Gerechtigkeitssinn verbietet mir zu schweigen, wenn wieder einmal mit zweierlei Maß gemessen wird; wenn, wie auch im Fall Deutschland, nur eine Seite bezichtigt wird und die andere ihren Heiligenschein behalten darf.
Ich unterstütze grundsätzlich die Aufarbeitung der Missbrauchsskandale der katholischen Kirche. Ich heiße es gut, wenn deutsche Verbrechen aufgearbeitet werden, an denen weder ich noch meine Vorfahren irgendeinen Anteil hatten. Ich kämpfe aber mit meiner ganzen Kraft dagegen, dass nur die eine Seite das Büßerhemd anziehen soll. Wenn sich die Welt auch in dieser Hinsicht verbessern soll, dann müssen die abscheulichen Taten auf allen Seiten offen gelegt werden, damit nicht nur immer eine Seite, die ebenfalls Verbrechen begangen hat, den moralischen Zeigestock schwingen kann. Wie gesagt, die katholische Kirche hat kein Monopol auf Missbrauch, genauso wenig wie Deutschland ein Monopol auf Verbrechen hat.
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