Die Nominierung von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin ist Wahlbetrug
Von Peter Haisenko
Wäre es vorstellbar, würde es akzeptiert, wenn eine Partei mit einem Spitzenkandidat antritt, und anschließend jemand anderen zur Wahl durch die Abgeordneten antreten lässt? Es gab schon Fälle von Wahlwiederholungen, weil der Kandidat verstorben ist. Das ist Schicksal. Aber das unwürdige Geschacher um den höchsten EU-Posten, das sich gerade in Brüssel und Straßburg abspielt, ist eine Verhöhnung der Demokratie.
Zunächst könnte man erleichtert sein, dass der konturlose Strebertyp Weber nicht Kommissionspräsident wird. Auf der anderen Seite zeigt das aber auf, wie wenig abgestimmt im europäischen Rahmen dieser Kandidat aufgestellt worden ist. Hier von fahrlässig zu sprechen, wäre zu wenig. Ist es nicht vielmehr so, dass dieser gesamte Vorgang aufzeigt, wie zerrüttet die EU ist und nicht einmal “Schwesterparteien” zu einer gemeinsamen Linie finden können? Haben die Parteien der EVP schon gewaltige Einbußen bei der EU-Wahl hinnehmen müssen, ist doch tatsächlich ernsthaft erwogen worden, den Kandidaten der Sozialdemokraten Timmermans zur Wahl zu stellen. Den Kandidat der Parteien, die die größten Verluste eingefahren haben. Allein das muss schon als krasse Verachtung der Wähler gewertet werden.
Jede demokratische Entscheidung muss respektiert werden
Generell sollte infrage gestellt werden, ob nächtelange Marathonsitzungen wie sie auch in diesem Fall stattgefunden haben, überhaupt sinnvoll sein können. Findet da nicht eher ein Ermüdungskrieg statt, bei dem am Ende im Halbdelirium irgendein Unsinn “beschlossen” wird, nur um dem Theater ein Ende zu bereiten? Wenn bis sechs Uhr Abends keine Einigung gefunden worden ist, stimmt im Gesamtkomplex etwas nicht. Natürlich ist es schwierig, eine Lösung zu finden, die alle 28 Staatschefs für gut befinden. Geht es aber gar nicht, ist das Verhandlungsangebot von vorn herein untauglich. Da müsste vorab Grundsätzliches vereinbart werden und das ist offensichtlich versäumt worden. Die EU ist in einem jämmerlichen Zustand und das liegt sicher nicht daran, dass angeblich Putin oder Trump es so wollen. Es ist Kanzlerin Merkel, die nicht nur mit ihrer Migrationspolitik die EU gespalten hat.
Die Länder der EU haben unterschiedliche Problemlagen. Wirtschaftlich, klimatisch und politisch. So kann es grundsätzlich nicht zielführend sein, alle Regelungen und Vorschriften für alle gleich zu machen. Zum Beispiel ist es für die südlichen Regionen durchaus sinnvoll, Glühbirnen zu verbieten, aber im Norden ist deren Heizleistung willkommen, eher klimaneutral. Auch die Diskussion um eine einheitliche Zeit ist nicht wirklich sinnvoll, denn zwischen Estland und dem Westende Spaniens unterscheidet sich die Zeit des Sonnenauf- und Untergangs schon um mehr als zwei Stunden. Auch außen- und handelspolitisch sind die Interessenlagen alles andere als einheitlich. Wen kann es da noch verwundern, wenn man sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidat für den Kommissionsvorsitz einigen kann?
Erschwerend kommt hinzu, dass Länder kujoniert werden, die “falsch” gewählt haben. Ungarn, Polen, Österreich oder Italien. Auch das passt nicht in mein Verständnis für Demokratie. So muss meines Erachtens grundsätzlich darüber diskutiert werden, wie das große Friedensprojekt EU neu, besser aufgestellt werden kann. Jede demokratische Entscheidung muss respektiert werden, auch wenn sie manchem nicht gefällt.
Niemand in Europa hat Frau von der Leyen seine Stimme gegeben
Diejenigen Parteien, die die EU reformieren wollen in dem Sinn, dem übertriebenen Zentralismus Einhalt zu gebieten, haben deutlich an Zustimmung gewonnen. Man spricht von EU-Verdrossenheit. Im Übrigen haben alle Parteien – zumindest in Deutschland – in ihrem EU-Wahlkampf Reformen der EU angekündigt, allerdings ohne konkret zu werden. Was aber jetzt in Brüssel vorgeführt wird, ist nur noch tauglich, die EU-Verdrossenheit zu befördern. Gibt es in Europa überhaupt noch Persönlichkeiten, die über genügend Kompetenz und Charisma verfügen, nationenübergreifend als geeignete Führungspersönlichkeit anerkannt zu werden? Offensichtlich nicht, denn wäre das der Fall gäbe es das unwürdige Geschacher nicht, das wir gerade erleiden müssen.
Wie gesagt, kann man froh sein, dass die drei “Spitzenkandidaten” aus dem Rennen sind. Es ist ja nicht so, dass diese in einem demokratischen Prozess ihre Kandidatur erlangt haben, sie wurden von der Politclique einfach aus dem Hut gezaubert. Wer kannte schon vor wenigen Monaten einen Manfred Weber? In Deutschland oder gar in Bulgarien? Niemand außerhalb Deutschlands konnte ihm überhaupt seine Stimme geben. Ist das ein demokratischer Prozess? Für ganz Europa? Gut, immerhin war einigermaßen klar, dass man einem Herrn Weber seine Stimme gab, wenn man die Parteien der EVP-Gruppe wählt. Aber eines steht fest: Niemand in ganz Europa hat Frau von der Leyen seine Stimme gegeben. Sie stand nicht zur Diskussion.
Frau von der Leyen hat sich in allen ihren Ämtern nicht mit Ruhm bekleckert. Geschenke an die Versicherungswirtschaft, Berateraffären und Untersuchungsausschüsse zu Korruption sind ihr Markenzeichen, vom Zustand der Bundeswehr gar nicht zu reden. Man darf annehmen, dass die Union in Deutschland noch schlechter abgeschnitten hätte, wenn diese Frau als Spitzenkandidatin an Stelle von Herrn Weber nominiert worden wäre. Frau Merkel hat ja nicht einmal mehr gewagt, sie als Parteivorsitzende oder gar Kanzlerkandidatin durchzudrücken. Und jetzt soll sie Europa führen?
Hier eine kleine Auswahl der "Meisterleistungen" von der Leyens:
https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20182/ursula-von-der-leyens-ministerium-mehrfach-im-fadenkreuz-der-justiz/ https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20191/konsequente-unfaehigkeit-hat-einen-namen-ursula-von-der-leyen/
Widerwärtiges Geschachere hinter verschlossenen Türen
Das Verfahren zur Kür des Kommissionspräsidenten war noch nie wirklich demokratisch. Der gemeine Bürger hat keine Einflussmöglichkeit, wer aufgestellt wird. Genauso wenig darauf, wer dann gewählt wird. Das wird in Hinterzimmern ausgekartelt, wie wir jetzt aktuell erleben können. Da wollte man sich wohl ein demokratisches Tarnmäntelchen umhängen mit dem neuen Verfahren des Spitzenkandidaten. Das ging daneben und jetzt zeigt der Politklüngel seine häßliche, undemokratische Fratze. Ist uns scheißegal, wen oder was ihr wählt, wir machen sowieso, was wir wollen.
Hätte man den Posten wie bisher einfach ausgeklüngelt, wäre das wieder unbeanstandet von den Monopolmedien durchgegangen. Jetzt aber ist es Wahlbetrug, wenn Frau von der Leyen überhaupt zur Wahl gestellt wird. Obwohl sich breiter Widerstand abzeichnet, steht zu befürchten, dass sie am Ende doch “gewählt” wird. Schafft sie es nämlich nicht, eine Mehrheit zu überzeugen oder zu erpressen, dann steht das Ende der EU im Raum, wie wir sie heute kennen. Genau das ist es, was mich das Wort “erpressen” benutzen lässt. Betrachtet man dazu die angedachte Verteilung der anderen “Spitzenposten”, wird das Geschacher unübersehbar. Ihr bekommt eure Uschi, wir Sozen dafür den nächst besten Posten, obwohl wir in ganz Europa schmählich abgestraft worden sind.
Echte Demokratie im gesamteuropäischen Rahmen halte ich für schwierig bis unmöglich. Statt des Bürokratie- und Kostenmonsters EU-Parlament wäre es wahrscheinlich praktikabler, ein Gremium zu haben, das aus wenigen Delegierten der einzelnen Staatsregierungen besteht. Diese könnten sich abstimmen, wie man miteinander umgehen will. Kann es sinnvoll sein, den gesamten Zirkus der Einzelregierungen mit ihrem Parteienstreit im Europaparlament zu wiederholen, zu spiegeln, mit denselben Parteien, die sich schon national zerfleischen? So wird der nationale Stillstand auf die europäische Ebene direkt übertragen. Ja, die Zeitumstellung soll abgeschafft werden, nächstes Jahr? Zwei Jahre später? Oder doch nicht? Glyphosat, ja oder nein? Finanztransaktionssteuer? Geht seit Jahrzehnten nicht, um nur wenige Beispiele zu nennen. So kann sich jeder auf die EU rausreden, wenn er nicht in der Lage oder Willens ist, zuhause vernünftige Gesetze zu beschließen.
Was wird geschehen, wenn von der Leyen nicht gewählt wird? Gibt es einen “Plan C”, denn UvdL ist schon “Plan B”. Oder doch nicht? War das Merkels ursprünglicher Plan, diese Frau unauffällig durchzudrücken, die Russland so hasst wie sie und in der NATO bestens vernetzt ist? War der Wahlbetrug von Anfang an geplant? Welchen “Kompromisskandidat” wollen sie dann aus dem Hut zaubern? Wie viele Jahre wird es dauern, bis eine Lösung gefunden wird? Wird das vor der nächsten EU-Wahl sein? Ich weiß es nicht. Was da gerade in Brüssel mit dem Zirkus um die Spitzenposten vorgeführt wird, wird die Europamüdigkeit beflügeln und das Vertrauen in die Politik sicher nicht befördern. Vielleicht bin ich ja naiv, aber Demokratie habe ich mir irgendwie anders vorgestellt.