Im Iran-Konflikt steckt Trump in einem echten Dilemma – Die Falken setzen ihm zu
Von Hubert von Brunn
Wäre es nicht so ernst, könnte man über das Schmierentheater, das uns die Amerikaner da in schlechtester Hollywood-Manier mit ihrer Auseinandersetzung mit dem Iran vorspielen, nur schallend lachen. Oder im Jargon von Donald Trump zu bleiben: Die Welt wird mit einer Serie von Fake News beballert und Washington erwartet selbstverständlich, dass wir die abstrusen Verlautbarungen aus dem Weißen Haus bzw. dem Pentagon für bare Münze nehmen.
Blicken wir noch einmal zurück und betrachten das unscharfe Schwarz-Weiß-Video, das nach amerikanischer Behauptung beweisen soll, dass es sich dabei zweifelsfrei um ein iranisches Schnellboot handelt, dessen Besatzung eine nicht explodierte Mine vom Rumpf eines der Tanker abnimmt. Ein verwackeltes Filmchen ohne Timecode, das irgendwann, irgendwo von irgendwem aufgenommen worden sein konnte, wo wir doch von anderen Gelegenheiten genau wissen, dass die USA über extrem präzise Aufnahmetechniken verfügen, die ein Autokennzeichen aus mehreren tausend Metern Entfernung gestochen scharf abbilden können. Dieses Video ist ein schlechter Witz und dass Donald Trump sich nicht entblödet, dieses Ding als eindeutigen Beweis zu präsentieren, macht den Witz nicht besser.
„150 Tote, Sir!“ – So schlecht kann nicht einmal Hollywood sein
Dann die Nummer mit der Drohne, die von den USA einfach mal so in die Gegend der Straße von Hormus geschickt wurde, um dort in internationalen Gewässern ein wenig herumzufliegen. Was sollte sie denn dort finden? Nein, so viel ist klar: Wenn die Amerikaner eine Spionage-Drohne auf den Weg schicken, dann hat sie klare Ziele, dann soll sie Erkenntnisse aus Feindesland liefern. Nach Darstellung der Iraner ist die Drohne in ihren Luftraum eingedrungen und wurde kurzerhand abgeschossen. Ergänzend haben die iranischen Behörden verlautbart, dass neben der Drohne auch noch ein bemanntes US-Flugzeug gesichtet wurde. Man habe aber darauf verzichtet, dieses auch abzuschießen, weil man jedes Blutvergießen verhindern will. Warum glaube ich der iranischen Darstellung mehr als der amerikanischen? Weil die Amerikaner nicht zugeben wollen, dass sie verwundbar sind, und weil der Iran umgekehrt klar gemacht hat: Wir sind in der Lage, uns zu wehren, aber wir wollen keine Eskalation.
Die amerikanische Reaktion auf den Drohnen-Abschuss, war dann der absolute Hammer. Präsident Trump hatte bereits angeordnet, militärische Ziele im Iran anzugreifen. Dann hat er vorsichtshalber noch einmal einen hoch dekorierten und mit reichlich Lametta behangenen Uniformierten zu sich geholt und gefragt: „Mit wie vielen Toten müssen wir rechnen?“ – Ohne zu zögern hat jener die Hand an die Mütze gelegt und verkündet: „150, Sir!“ Daraufhin hat der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika entschieden: „Nein, 150 für eine Drohne sind zu viel“ und den schon befohlenen Angriff zehn Minuten vor Deadline abgeblasen. So schlecht kann nicht einmal Hollywood sein. Wie kann denn irgendjemand, noch ehe irgendeine Aktion in Gang gesetzt worden ist, auf den Punkt genau vorhersagen, wie viele Tote es geben wird. Von derartigen Voraussagen habe ich noch nie gehört. Nicht einmal von Pythia, dem delphischen Orakel, sind derart präzise Schadens-Voraussagen überliefert.
Trumps Gegner im eigenen Land sind sehr mächtig
Dieser vordergründige Nonsens, den uns da die Mainstream-Medien unkommentiert verkaufen, hat natürlich einen tieferen Hintersinn. Trump hat es im eigenen Land mit mächtigen Kriegstreibern zu tun. Im unmittelbaren Umfeld die Falken Außenminister Pompeo und Sicherheitsberater Bolton, der zu allen Zeiten kriegslüsterne Militärisch Industrielle Komplex mit mächtigen Lobbyisten und der Deep State per se. Auf der anderen Seite hat er seinen „Followern“ das Versprechen gegeben, keine Kriege mehr zu beginnen und dafür zu sorgen, dass keine Särge mit gefallenen GIs mehr in die Heimat gebracht werden. Dieses Versprechen nimmt er ernst, schließlich will er wieder gewählt werden. Also steckte er in dieser Situation in einem echten Dilemma, dem er vorerst einmal mit einer bemerkenswerten Volte entkommen ist: Ich höre auf die Falken und befehle einen Angriff. Dann können die nicht sagen, ich sei schwach. Aber kurz bevor es losgehen soll, sage ich stopp, weil ich mein Versprechen halten und keine Rückkehrer in Särgen haben will. Das war schon sehr tricky und so etwas funktioniert wohl auch nur in Amerika. Die Frage ist nur: Wie lange kann er dieses Spiel spielen?
Nachdem das mit der Militäraktion nun erst einmal nicht geklappt hat, muss ein anderes Signal der Stärke her: Cyberangriff. So etwas ist immer gut, da es völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit vonstatten geht und niemand nachvollziehen kann, ob und in welcher Weise und mit welchem Erfolg eine solche Attacke tatsächlich stattgefunden hat. Wie es heißt, sollen mit diesem Angriff die Computersysteme, mit denen die iranischen Revolutionären Garden ihre Raketensysteme – beispielsweise zur Abwehr von feindlichen Drohnen – steuern, gehackt und unbrauchbar gemacht werden. Parallel dazu hat Donald Trump die Sanktionen gegen den Iran noch weiter verschärft. Was will er denn? Sind die Scharfmacher im Land zu stark? Üben Israel und Saudi-Arabien – was für eine hanebüchene Allianz – so viel Druck aus? – Schwer zu sagen. Aber wenn Trump das Iran-Problem nicht zu einer befriedigenden Lösung führt, wird er Probleme haben, die Präsidentschaftswahlen ein zweites Mal für sich zu entscheiden.