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Irankrise: Das Sanktionstheater wird immer absurder

Von Peter Haisenko 

Seit Jahren vergeht kaum eine Woche, in der die US-Regierung nicht Sanktionen gegen irgendjemanden androht oder verhängt. Russland, Nordstream II und jetzt die “härtesten Sanktionen aller Zeiten” gegen Iran. Groß wird darüber berichtet, aber keiner bemerkt, dass diese Sanktionen nur noch lächerlich sind.

Die Politik der Sanktionen hat ein grundsätzliches Problem: Von einem gewissen Niveau an sind sie nicht mehr steigerungsfähig. Sanktionen als solche sind Wirtschaftskrieg. Krieg, ohne Kriegserklärung, es sei denn, man interpretiert Sanktionen als (Wirtschafts-)Kriegserklärung. So haben die Führer in Teheran erklärt, die USA führten seit geraumer Zeit einen Wirtschaftskrieg gegen den Iran. Diese Sichtweise ist zweifellos richtig und gilt auch für alle anderen Länder, gegen die die USA Sanktionen verhängt haben. Die meisten dieser Sanktionen sind vom Kongress in Washington als Gesetze verabschiedet, in der Regel ohne zeitliche Begrenzung. Sie müssen weiter gelten, bis der Kongress ihre Aufhebung beschließt. Dafür eine Mehrheit zu bekommen, ist kaum möglich und so gelten die grundlosen Sanktionen gegen Kuba seit mehr als 50 Jahren.

Die US-Sanktionen bewirken das Gegenteil dessen, was ihr Ziel ist

Gerade die Sanktionen gegen Kuba zeigen aber, dass sie mit der Zeit zu einer stumpfen Waffe werden. Kuba hat sich in seinem Status eingerichtet und ist immer noch ein souveräner Staat, der den USA die Stirn bietet. Die Sanktionen gegen Russland haben das Gegenteil dessen bewirkt, was ihr Ziel ist. Nach einer kurzen Schwächephase hat Russland seine Wirtschaft neu aufgestellt, den Handel mit China ausgeweitet und heute stehen die einstigen Rivalen fest zusammen gegen das US-Imperium. Auch der andere Milliardenstaat Indien wendet sich von den USA ab und sucht den Schulterschluss mit China und Russland. Man entwickelt Zahlungssysteme jenseits des US-Dollars, in die auch der Iran einbezogen wird. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die US-Dominanz über das Finanzsystem der Vergangenheit angehören wird. Diese Entwicklung ist massgeblich befördert worden – von der US-Sanktionspolitik.

Es hat eine lange Tradition, dass “der Westen” die Entwicklung missliebiger Staaten behindert, indem der Export von Waren und Technologie dorthin verboten wird. Solange die UdSSR existierte, zeigte das durchaus Wirkung. Jetzt aber, nachdem China und Russland auf einigen Gebieten zu Technologieführern aufgestiegen sind, funktioniert das nicht mehr. Man denke da nur an die bemannte Raumfahrt oder den IT-Sektor. Die Sanktionen gegen Russland schaden Deutschland und der EU mehr als Russland und die USA beziehen nach wie vor Waren aus Russland, die sie dringend brauchen. Dennoch kann man immer wieder hören, dass gegen Russland neue Sanktionen verhängt worden sind. Was aber hat es mit diesen nachgelegten Sanktionen wirklich auf sich? Oder mit denen jetzt gegen den Iran?

Sanktionen gegen Einzelpersonen haben keinerlei Effekte für das Land

Betrachten wir die neuesten Sanktionen gegen den Iran, die “härtesten aller Zeiten”: Zum einen sind sie ein Dekret Trumps, also nicht vom Kongress als Gesetz beschlossen. Das bedeutet, sie gelten nur für ein halbes Jahr, wenn sie der Kongress nicht bestätigt. Was aber ist ihr Inhalt? Da wird es geradezu lächerlich, eine dumme Show. Dem obersten Führer der Islamischen Republik, Ajatollah Ali Chamenei, und seinem Umfeld soll der Zugang zu finanziellen Ressourcen erschwert werden. Diese “Sanktionen” richten sich also nur gegen Einzelpersonen direkt, persönlich, auch wenn sie im Iran hochrangige Positionen innehaben. Ist das ein Witz? Als ob es diese Herren nötig hätten, Zugang zu “finanziellen Ressourcen” zu haben. Das interessiert sie ungefähr so viel, wie wenn in USA ein Auto in den Graben fährt. Eine derartige Maßnahme wäre nur wirkungsvoll gegen einen korrupten Führer eines Staates der Dritten Welt, der sein ergaunertes Vermögen ins Ausland geschafft hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die iranischen Ajatollahs persönliche Konten in den USA unterhalten. Diese mit Tamtam verkündigte Maßnahme ist reine Propaganda, die Wirkung absolut Null.

Dasselbe gilt für die Sanktionen gegen Russland, die in der letzten Zeit verhängt worden sind. Auch diese beziehen sich nur auf Einzelpersonen und haben absolut keine negative Wirkung auf die die russische Wirtschaft. Damit bin ich zurück bei den grundsätzlichen Problemen mit Sanktionen. Die Palette der wirtschaftswirksamen Sanktionen ist begrenzt. Ist diese ausgereizt, ist Ende der Fahnenstange. Was dann noch kommen kann – vor einer veritablen Kriegserklärung – ist nur noch dummes Nachgemaule, gerichtet gegen Einzelpersonen. Es sind Nadelstiche, die den Feind reizen sollen zu unbedachten Handlungen, die dann als Kriegsgrund ausgeschlachtet werden sollen. Die USA selbst haben in den zurückliegenden 80 Jahren zwar jede Menge Kriege geführt, aber keinen Krieg mehr erklärt und sie werden es auch in Zukunft nicht tun. Wenn sie es täten, wäre das ein Fall für die UNO und es steht nicht zu erwarten, dass sie dafür breites Lob erhalten.

Diese Methode wird von den Angelsachsen seit mehr als 100 Jahren angewendet. Schon beim Ersten Weltkrieg haben die Herren in London eine Kriegskoalition gegen das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn organisiert und faktisch den beiden den Krieg erklärt. Nur nicht offiziell. Als sich dann die Mittelmächte gegen diese Kriegskoalition wehren mussten, haben sie deutsch-korrekt gehandelt und keinen Schuss abgefeuert, ohne vorher eine Kriegserklärung abzugeben. So können die Kriegstreiber in London heute sagen, das Deutsche Reich hätte angefangen, weil ja die Kriegserklärung von ihm kam. Dasselbe Verfahren haben die USA gegen Japan angewendet, als sie Japan mit Embargos in eine ausweglose Situation getrieben haben. Wer wirklich diese Kriege wollte, kann man leicht erkennen an den Ausgaben fürs Militär und dem Umfang der Rüstungsproduktion. Da standen die Angelsachsen immer mit weitem Abstand an der Spitze und das hat sich bis heute nicht geändert.

Dümmlich symbolhafte Nadelstiche als schieres Machtgehabe

Der Wirtschaftskrieg der USA gegen Iran kann nicht mehr gesteigert werden. Er beinhaltet die Erpressung anderer Staaten, ihrem Sanktionsdiktat Folge zu leisten. Dumm ist nur, dass diese dabei nicht mehr so einfach mitmachen wollen. China, Russland und Indien schon gar nicht. Tatsächlich sitzen zum Beispiel die Chinesen am längeren Hebel, denn die USA sind essentiell auf Importe aus China angewiesen. Washington kann China oder Russland nicht zwingen, ihre Politik zu unterstützen. Ernsthafte Sanktionserweiterungen gegen Russland können nicht verhängt werden, ohne selbst massive Schäden zu erleiden. So bleiben nur noch dümmlich symbolhafte Nadelstiche, die demonstrieren sollen, dass die Macht nach wie vor in Washington zuhause ist.

Iran verhält sich absolut korrekt. Ebenso wie alle Staaten der Welt, achten die Iraner das Völkerrecht. Die einzigen, die fortlaufend völkerrechtswidrige Aktionen durchführen, sitzen in London und Washington. In Teheran ist man sich aber der ungünstigen Position der USA bewusst und nutzt diese aus. Die Ajatollahs haben klar erkannt, dass es sinnlos ist, mit den USA zu verhandeln, wenn nicht vor (!) Verhandlungsbeginn alle Sanktionen beendet werden. Solange Sanktionen in Kraft sind, handelt es sich nicht um Verhandlungen, schon gar nicht "auf Augenhöhe", sondern um Diktate. In Teheran weiß man noch zu genau, was dabei herauskommt, wenn man unter Sanktionen einem Vertrag zustimmt. Mit dem “Atom-Deal” hat die Regierung Obama keineswegs alle Sanktionen und Embargos aufgehoben. Obama hat zwar einiges gelockert, aber wesentliche Teile nicht. Man wolle erstmal abwarten, ob der Iran auch wirklich ein domestiziertes Gebaren auf längere Zeit einhält. Die Erfahrung zum Beispiel mit Kuba hat aber gelehrt, dass die vollständige Beendigung von US-Sanktionen niemals stattfinden wird. Ebenso wie die ewigen Verlängerungen der Russlandsanktionen, die unsere Kanzlerin so liebt.

Die Sanktionsspirale der Amerikaner ist ausgereizt

Iran will nicht den Fehler des Deutschen Reichs wiederholen, sich zu entwaffnen aufgrund eines Verhandlungsangebotes (Wilsons 14-Punkte Plan), das von da an nur noch Makulatur war. Auch nicht den Fehler von Nord-Korea, sein Atomprogramm einzustellen, obwohl keine einzige Sanktion im Gegenzug aufgehoben worden ist. Iran will keinen Krieg, Trump auch nicht. Trump hat aber das Problem, wie er aus dem Schlamassel herauskommt, ohne Gesichtsverlust und gegen seine Falken. Eine Lösungsmöglichkeit schimmert durch, wenn Trump Iran eine “großartige Zukunft” verspricht, wenn sie mit ihm zu einem Deal kämen. Im Sinne der Brandt´schen Ostpolitik könnte Trump erkannt haben, dass auf längere Sicht die größten Aussichten auf einen Systemwechsel im Iran bestehen, wenn das Land wirtschaftlich gesundet und die eigenen Einwohner dann das rigide Mullahsystem nicht mehr akzeptieren. Derart weitsichtiges Denken dürfte allerdings für die meisten “Strategen” im Westen schwer vermittelbar sein, die gewohnt sind, alles mit Militärmacht niederzuwalzen, was ihnen zuwider ist.

Die Sanktionsspirale der Amerikaner ist ausgereizt. Was jetzt noch nachgelegt wird, ist wirkungslos und dient vor allem der eigenen Gesichtswahrung. Das gilt für Russland, Nord-Korea, Venezuela und Iran. Die einzig mögliche nächste Eskalationsstufe ist der direkte Krieg. Dessen Ausgang und Weiterungen sind aber völlig ungewiss, auch was Israel betrifft oder Saudi-Arabien und die Ölversorgung. Also letztlich der gesamten Struktur der westlichen Welt und nicht nur der. Die Frage ist nun, ob Trump die Größe hat und in der Lage ist, genügend öffentliche Unterstützung zu organisieren, mit dem Iran tatsächlich auf Augenhöhe zu verhandeln. Er müsste dazu aber dem Iran nachgeben und von sich aus die Sanktionen aufheben, also den Wirtschaftskrieg beenden, wie es der Iran vor Aufnahme von Verhandlungen völlig zu Recht fordert. Schafft er das, wird er als der großartigste aller amerikanischen Präsidenten in die Geschichte eingehen, Versagt er, wird er genauso schnell im Orkus der Geschichte untergehen, wie er aufgestiegen ist. 

Warum greifen die USA den Iran nicht einfach an und zerstören ihn? Hier können Sie eine mögliche Antwort einsehen: https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20192/ein-krieg-mit-iran-waere-das-ende-des-us-imperiums/ 

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Wie ist es zum Ersten Weltkrieg wirklich gekommen? Warum haben die USA dem Deutschen Reich wirklich den Krieg erklärt? Was hat es mit Wilsons “14-Punkte Plan” auf sich? In meinem Werk “England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert” habe ich das an der Wirtschaftshistorie festgemacht. Heute sind die Archive dazu offen. Reinhard Leube hat eine akribische Arbeit geleistet mit Quellenstudium, die minutiös nachweist, dass das Deutsche Reich bis zur letzten Minute versucht hat, diesen Krieg zu vermeiden. Nein, Leubes Werk ist keine dröge Quellensammlung. Die Quellen sind geschickt aneinander gefügt und das Ergebnis liest sich eher wie ein spannender Kriminalroman. Wen mein Werk nicht restlos überzeugt hat, der wird bei Leube die letzten Facetten finden, die sein Geschichtsbild der Wahrheit noch näher bringen werden. Reinhard Leube “Londoner Außenpolitik und Adolf Hitler” ist erhältlich im Buchhandel oder direkt zu bestellen beim Verlag hier.

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