Wer ist wirklich Flüchtling und welche Rechte stehen ihm zu?
Von Peter Haisenko
Mit Flüchtlingen kenne ich mich aus. Schließlich waren meine Eltern beide Flüchtlinge, aber selbst zwischen den beiden gibt es erhebliche Unterschiede im Flüchtlingsstatus.
Mein russischer Vater geriet ohne Eigenverschulden in die Mühlen des Stalin-Terrors und landete als „Politischer“ im Todeslager. Er konnte fliehen und lebte mit neuer Identität weiterhin in der geliebten Heimat – allerdings in ständiger Angst vor Entdeckung. Nachdem die Wehrmacht sein Dorf eingenommen hatte, schloss er sich den Deutschen an und fühlte sich erst einmal wieder sicher. Mit der fortschreitenden Niederlage der Wehrmacht musste er seine Heimat Richtung Westen verlassen, denn wenn er in die Hände von Stalins Schergen gefallen wäre, hätte das seinen sicheren Tod bedeutet. Auf abenteuerlichen Wegen, die ihn über die Rote Armee, Partisanen und ein Intermezzo als Polizist in Lemberg geführt haben, kam er als „Hiwi“ der Wehrmacht schließlich nach Deutschland. Ein Leben östlich des „Eisernen Vorhangs“ war für ihn ausgeschlossen, denn das Todesurteil gegen ihn dort war bis zu seinem Tod im Jahr 1995 immer gültig.
Meine Mutter musste Dresden in der Nacht des 13. Februar 1945 verlassen und sie fand Aufnahme auf dem Hof ihrer Schwägerin nahe Eger, das heute in Tschechien liegt. Ihr Leben war dort nicht bedroht. Nachdem aber klar wurde, dass Böhmen zu Stalins Reich gehören wird, entschied sie sich, mit der Familie ihrer Schwägerin über die Demarkationslinie nach Westen zu flüchten. Ein weiterer Grund für diese Entscheidung war, als bekannt geworden war, dass Deutschstämmige in Tschechien Folter, Vergewaltigung und Mord durch Tschechen befürchten mussten. Die Hauptmotivation zur Flucht aber war, dass sie nicht unter der Herrschaft von Stalins Russen leben wollte. Ironischerweise hat dann einen Russen, meinen Vater, geheiratet.
Flüchtling oder Migrant auf der Suche nach einem besseren Leben?
Der wesentliche Unterschied zwischen meinen Flüchtlingseltern ist, dass mein Vater wegen akuter Lebensgefahr flüchten musste, meine Mutter hingegen geflüchtet ist, weil sie vorausschauend unangenehmen Lebensumständen den Rücken kehrte – abgesehen von der Bombennacht in Dresden, die die Ursache für die erste Flucht war. Der zweite Unterschied ist, dass meine Mutter als Deutsche nach Deutschland zurückgekehrt ist, mein Vater aber als Staatenloser russischer Herkunft auf die Gnade des Gastlandes angewiesen war. Beiden gemeinsam war, dass sie für ihren Lebensunterhalt stets selbst Sorge tragen mussten.
Für mich ist ein echter Flüchtling nur der, der wegen akuter Lebensgefahr nicht mehr in seiner Heimat leben kann. Die Frage muss aber betrachtet werden, wie weit sich ein Flüchtling von seiner Heimat entfernen muss, um der akuten Lebensgefahr zu entrinnen. In den allermeisten Fällen reicht es dazu aus, die nächste Grenze zu überschreiten. Damit ist die Lebensgefahr gebannt und jede weitere Wanderung kann nur noch als Migration bezeichnet werden, auf der Suche nach einem besseren Leben. Im Fall meines Vaters musste er den Machtbereich Stalins und damit die geliebte Heimat für immer verlassen und (West-)Deutschland war so das erste Land, das ihm einigermaßen Sicherheit bieten konnte. Einigermaßen? Ich habe die Dokumente aus den 1960-er Jahren aus der Sowjetunion, die dazu aufrufen, meinen Vater zu ermorden.
Das deutsche Asylrecht ist ein Produkt des Kalten Kriegs. Wie viele andere politische Einrichtungen aus dieser Zeit diente es vor allem dem Zweck, den Bürgern im Sowjetbereich zu signalisieren, sie könnten jederzeit in den Westen fliehen und würden großzügige Aufnahme finden. Dieses Angebot haben denn auch fast alle polnischen Juden wahrgenommen und in den Wirren der Nachkriegszeit ihren Weg nach Deutschland und manche weiter in andere Länder genommen. Zum Beispiel in die USA und dort nach Hollywood. Der polnischen Staatsführung war das sehr recht, denn so wurde erreicht, was sie schon vor dem Krieg wollte: Möglichst alle Juden aus Polen vertreiben.
Die Migranten der Nachkriegszeit mussten ihr Leben selbst organisieren
Mit dem deutschen Asylrecht ist es so, wie mit den meisten Gesetzen, die wegen eines bestimmten Anlasses erlassen werden. Sie werden nie wieder abgeschafft, auch wenn die einstige Grundlage für das Gesetz nicht mehr existiert. Man denke nur an Kaiser Wilhelms Sektsteuer. Spätestens 1990, mit dem Ende der Sowjetunion und der „Wiedervereinigung“ hätte das deutsche Asylrecht auf den Prüfstand gehört, ebenso wie der Besatzungsstatus der Alliierten. Als das Asylrecht in Deutschland geschaffen worden ist, war es nicht dazu gedacht, Menschen aus allen Kontinenten Recht auf Asyl zu garantieren. Es ging vor allem darum, Menschen – insbesondere Regimekritiker und Intellektuelle – aus dem kommunistischen Bereich zu ermuntern, gegen diese Form der Macht mit den Füßen abzustimmen.
1949 war nicht absehbar, dass jemals Menschen aus Afrika oder Arabien um Asyl in Deutschland ersuchen würden. Ja, manche Deutsche sind damals sogar genau dahin gewandert. Zum Beispiel Piloten, die in Beirut für die libanesische „Middle East Airline“ geflogen sind, weil sie im Nachkriegsdeutschland ihren Beruf nicht mehr ausüben konnten. Nein, das war keine Flucht, das war Migration auf der Suche nach einem besseren Leben. Allerdings haben diese deutschen Migranten das Land ihrer Wahl tatsächlich mit ihren mitgebrachten Fähigkeiten bereichert. Weltweit, wohin immer es sie hin verschlagen hat.
Eines war allen Flüchtlingen und Migranten der Nachkriegszeit gemein: Sie mussten selbst sehen, wie sie ihr Überleben organisieren. Selbst die Deutschen, die aus ihrer Heimat im Osten vertrieben worden und im Restdeutschland angekommen sind, hatten nur Anspruch auf schmale Kost und ein Dach über dem Kopf. Und nein, diese waren nach 1945 keine Flüchtlinge oder gar Migranten, sondern Vertriebene, die auf Anweisung der Siegermächte ihre angestammte Heimat verlassen mussten. Dass während dieser Vertreibung etwa sechs Millionen von ihnen unter grausamen Umständen ihr Leben lassen mussten, durch die Hand von Polen, Tschechen und Jugoslawen, erwähne ich hier nur am Rand. Ausführlich berichte ich darüber in meinem Werk "England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert". Es ist erhältlich in Buchhandel oder direkt zu bestellen hier.
Die Grundlagen für das deutsche Asylrecht sind längst überholt
Betrachtet man jetzt den Umgang und Status von „Flüchtlingen“ in Deutschland, ist das mit der Zeit, in der das deutsche Asylrecht geschaffen wurde, nicht mehr vergleichbar. Weil ja alle Menschen dieser Erde gleich behandelt werden müssen, werden ihnen von Tag eins an die gleichen Rechte garantiert wie denjenigen, die schon länger hier sind. Selbst wenn festgestellt worden ist, dass sie sogar nach den großzügigen Bedingungen des deutschen Asylrechtes kein Recht auf Asyl haben, werden sie weiterhin ebenso großzügig alimentiert. Sie dürfen die Entscheidung gegen ihren Asylstatus in jahrelangen Gerichtsverfahren anfechten mit Rechtsanwälten, die der deutsche Steuerzahler bezahlen muss. Sie begehen Straftaten und trotzdem dürfen sie weiterhin im Land bleiben – bei voller Alimentierung. Sie randalieren in den zugewiesenen Unterkünften, wenn ihnen etwas nicht passt und sie verlachen die deutsche Executive. Ist das noch mit dem Status eines Flüchtlings vereinbar?
Wer wirklich fliehen musste, weil er in seiner Heimat akut mit dem Tod bedroht ist, der braucht zunächst nichts anderes, als einen sicheren Aufenthaltsort, Essen und ein Dach über dem Kopf. Mehr suchte mein Vater zunächst auch nicht. Genau das, was zum Beispiel die Flüchtlinge aus Syrien in den Lagern in Grenznähe vorfinden. Sie sind dem Terror der islamischen Schlächter entkommen und in Sicherheit. Weil die Länder, in denen diese Flüchtlingslager sind, mit der Versorgung der Flüchtlinge überfordert sind, ist es notwendig, dass die internationale Staatengemeinschaft dabei hilft. Wer aber aus diesen Lagern weiter zieht, hat keinen Anspruch mehr auf den Status als Flüchtling, denn die akute Gefahr für sein Leben ist beendet. Von da an ist er ein ganz normaler Migrant, der keinerlei Anspruch auf Versorgung geltend machen kann. Es ist seine eigene Entscheidung, das zwar unbequeme, aber sichere Lager zu verlassen.
Wer wirklich Schutz sucht, ist dankbar für die gebotene Hilfestellung
Auf der anderen Seite hat die internationale Gemeinschaft aber die Pflicht, alles zu tun, um die Ursache für die Flucht zu beseitigen. Allerdings ist es gerade im Fall Syriens so, dass der Westen erst die Bedingungen geschaffen hat, dass es Fluchtgründe aus Syrien gibt. Und zwar mit der Bewaffnung und Ausbildung der Terroristen, die einen Umsturz in Syrien herbeiführen sollten. Auch die Migration aus Afrika hat vielfach dieselbe Ursache. Mit dem Sturz und der Ermordung Gaddafis ist ein Musterland Afrikas derart zerstört worden, dass diese Schleuse jetzt offen ist. Mit ihrer veröffentlichten und in aller Welt sichtbaren Haltung zur Migration hat auch die deutsche Bundeskanzlerin einen mächtigen Beitrag zum Strom der Migranten nach Deutschland geleistet. Die wiederum weltweit bekannte bedingungslose Alimentierung in Deutschland tut ihr Übriges dazu.
Wer also in seiner Heimat aus politischen oder religiösen Gründen um sein Leben fürchten muss, ist ein Flüchtling, der Anspruch auf Asyl geltend machen kann. Wer aber in Sicherheit angekommen ist, auch im Lager, der sollte zufrieden sein, wenn er nicht mehr um sein Leben fürchten muss und nicht verhungert. Um alles Weitere muss er sich selbst kümmern. Insbesondere dann, wenn er weiter zieht. Ich sehe nicht einmal eine moralische Verpflichtung, echten Asylanten mehr zuzugestehen, als ein Dach über dem Kopf und anständige Verpflegung. Schon die Versorgung mit „Taschengeld“ halte ich für einen freundlichen „Bonus“, für den es keine Verpflichtung geben kann.
Würde in Deutschland mit dem Status von Flüchtlingen so verfahren, wäre ohne weiteren Zwang sichergestellt, dass wirklich nur diejenigen zu uns kommen und Asyl beantragen, die es dringend benötigen. So aber wie in Merkel-Land verfahren wird, werden weiterhin Migranten den Weg zu uns nehmen, die nach allen Regeln keinen Anspruch auf Schutz oder Asyl haben. Dass das so ist, belegen die Zahlen: Keine drei Prozent der Asylsuchenden erhalten einen echten Asylstatus. Und wer das wirklich verdient hat, der wird keine frechen Forderungen stellen, sondern mit allem zufrieden sein, was ihm das schlichte Überleben ermöglicht. Er wird sich den örtlichen Gepflogenheiten anpassen und alles tun, seinen Status nicht zu gefährden. Das sind dann die Menschen, denen ich gern etwas von meinen Steuern abgebe, denn ich selbst bin ja das Kind von Flüchtlingen und weiß, was es wirklich bedeutet, wenn man aus seiner Heimat fliehen muss.
Mein Vater hat 1963 seine abenteuerliche Lebensgeschichte aufgeschrieben. Das ist ein spannender Roman geworden, den man nicht mehr aus der Hand legen will. Allerdings hat er aus eigenem Erleben in diesem Roman über so viele unbequeme Wahrheiten berichtet, dass sich kein Verlag getraut hat, dieses einmalige Geschichtsdokument zu veröffentlichen. Erst als ich den AnderweltVerlag gegründet hatte, konnte ich das Werk meines Vaters der Öffentlichkeit zugänglich machen. Wer diesen Roman gelesen hat wird ein besseres Verständnis dafür haben, wie Russen denken und warum in der Ukraine der heutige Konflikt schon immer latent vorhanden war. „Der Weg vom Don zur Isar“ in zwei Bänden ist erhältlich im Buchhandel oder direkt zu bestellen beim Verlag hier.