Warum musste Russland sein Veto einlegen gegen UN-Resolutionen zu Syrien?
Von Peter Haisenko
Das böse Russland stoppt immer wieder UN-Resolutionen, die Syrien betreffen. Jetzt geht es um Zugänge zu den Gebieten, die noch in der Hand von Islamisten sind. Kann es moralisch vertretbar sein, Hilfsorganisationen der UN ihre Arbeit zu untersagen?
Wir haben uns daran gewöhnt, dass Kriege geradezu „ewig“ andauern. Afghanistan, Irak, Libyen oder eben Syrien und die Ukraine genauso wie unzählige Konflikte in Afrika. Der Punkt dabei ist, dass uns diese Kriege kaum etwas angehen, weil sie unser tägliches Leben nicht beeinträchtigen. Dennoch sollte man nicht vergessen, dass zum Beispiel in Afghanistan seit 40 Jahren nahezu ununterbrochen Menschen durch Kriegshandlungen sterben. Das sind jetzt zwei Generationen, die nichts anderes kennen als Krieg. Auch im Nahen und Mittleren Osten sieht es nicht besser aus. Wie kann es sein, dass Kriege überhaupt so lange andauern können?
Ohne Einmischung von außen dauern Kriege in der Regel nicht lange
Betrachten wir dazu Kriege der Vergangenheit. Da hatten wir den „Hundertjährigen Krieg“ zwischen Franzosen und Engländern. Dann der „Dreißigjährige Krieg“. Beiden ist gemein, dass sie niemals das gesamte Land, die gesamte Bevölkerung umfassend und andauernd betroffen haben. Es waren Gemetzel, die in eher lokalem Ausmaß von Ort zu Ort gezogen sind. War man nur wenige Kilometer entfernt, war man auch nur wenig davon betroffen. Mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg hat sich das geändert, obwohl noch im Ersten Weltkrieg das Hinterland von Verwüstungen verschont geblieben ist. Beide Kriege waren nach vier Jahren beendet. Für den Zweiten rechne ich nur die Zeit von 1941 an, denn die „Blitzkriege“ waren da bereits beendet.
Am Beispiel des Ersten Weltkriegs ist aber etwas Neues zu beobachten und das zieht sich bis heute durch. Der Erste Weltkrieg hätte gar nicht stattfinden können, wenn nicht die USA alle Kriegsteilnehmer finanziert und die Seite der Entente von Anfang an mit Waffenlieferungen überhaupt kriegsfähig gemacht hätten. Dieser Krieg wäre bereits nach drei Jahren zu Ende gewesen, wenn die USA nicht 1917 auf Seiten der Briten dem Deutschen Reich den Krieg erklärt und mit Truppen und Material eingegriffen hätten. Das Deutsche Reich wäre als Sieger aus dem von London orchestrierten Krieg hervorgegangen. Das aber hätte für die USA bedeutet, dass sie ihre enormen Kredite an England und Frankreich hätten abschreiben müssen. Ihr Kriegseintritt hat ihre Kredite gerettet und Deutschland musste alles bezahlen, wofür es nicht ursächlich schuldig war.
Die Lehre daraus lautet: Wenn keine Einmischung von außen stattfindet, es keine Hilfslieferungen an die Kriegsparteien von Dritten gibt, dann sind Kriege eher von kurzer Dauer, einfach weil den Beteiligten die Mittel ausgehen. Oder ein Krieg kann gar nicht stattfinden, weil Beteiligte von Anfang an nicht über die erforderlichen Mittel verfügen. Das gilt zum Beispiel für den Zweiten Weltkrieg. Hätten die USA und sogar England nicht Geld und Technologie an Hitlers Reich geliefert, wären Hitlers Träume eben Träume geblieben. Auch was die Dauer dieses Kriegs anlangt, gilt dasselbe. Immerhin haben die USA bis ins Frühjahr 1945 Benzol nach Deutschland geliefert, ohne das die deutschen Flugzeuge nicht hätten fliegen können. Erst das Strahltriebwerk hat das geändert, aber das ist ein eigenes Thema. Ohne die kriegswichtigen Lieferungen der USA an das Deutsche Reich wäre auch dieser Krieg um Jahre früher zu Ende gewesen oder von Anfang an unmöglich.
„Humanitäre Hilfe“ verzögert das Ende der Kampfhandlungen
Betrachten wir jetzt die Situation in Syrien – und nicht nur dort. Von Anfang an stellte sich die bis heute ungeklärte Frage, woher die Islamisten des IS Waffen und Munition gehabt haben und das Geld, um sie zu bezahlen. Eine eigene kriegsfähige Produktion von Waffen gibt es im gesamten arabischen Raum nicht und schon gar nicht beim IS. Das heißt, dass der Krieg in Syrien nur möglich ist, weil das Kriegsmaterial von außerhalb ins Land geliefert wird.
Der nächste Faktor ist die Versorgung der Bevölkerung mit dem Lebensnotwendigen. Nahrung, Treibstoff und so weiter. Auch hier sei die Frage erwähnt, woher die Terroristen in Syrien ihr Benzin bekommen. Generell kann man sagen, dass die Bevölkerung massiv gegen die Fortdauer eines Kriegs und somit gegen ihre Anführer aufsteht, sobald die Versorgungslage kritisch wird. Wer also sogar „humanitäre Hilfe“ in Kriegsgebiete liefert, verzögert zumindest das Ende der Kampfhandlungen. Das konnte auch im Jugoslawienkrieg beobachtet werden. Das wissen auch die Kriegstreiber im Fall von Syrien. Warum sonst wurden massive Sanktionen gegen die rechtmäßige Regierung in Damaskus verhängt? Das Ziel war und ist, die Bevölkerung Syriens wegen Mangelzuständen zu Aufständen gegen Assad zu motivieren. Für die islamistisch besetzten Restteile des Landes gilt aber, dass sie mit Hilfslieferungen kampfwillig gehalten werden sollen. Nicht nur das.
Wie es den Menschen in der islamistisch terroristischen Enklave Idlib wirklich geht, ist schwer einzuschätzen. Eines aber steht fest: Ernsthaft Hunger leiden müssen sie nicht und an Waffen und Munition herrscht kein Mangel. Wäre es anders, wäre der Krieg auch in diesem Teil des geschundenen Landes schon längst beendet. Damit komme ich zurück zur Kardinalfrage: Warum ist das so? Warum ist den Terroristen in Idlib nicht schon lange die Munition ausgegangen? Es muss Lieferungen aus dem Ausland geben. Aber auf welchem Weg kommen diese dorthin? Dazu sollte man sich darüber im Klaren sein, dass die UN keineswegs eine neutrale Partei ist. Allein ihre gefälschten „Untersuchungen“ zu angeblichen Giftgasattacken der Regierung sprechen hierzu Bände. Aber was hat das mit Hilfslieferungen zu tun?
Erdogan hat seine Hände im schmutzigen Spiel
Nachdem die UN in diesem Krieg Partei ist gegen die rechtmäßig gewählte Regierung Assad, darf vermutet werden, dass sie zumindest wegsieht, wenn unter den humanitären Hilfslieferungen auch Lieferungen von Waffen und Munition versteckt sind und so die Terroristen versorgt werden. Dass da Erdogans Türkei mit im Boot sitzt, ist mehr als eine Vermutung. Es ist gesichertes Wissen, dass die Türkei nicht nur geraubtes Öl vom IS gekauft und für den Erlös Kriegsmaterial geliefert hat. Auch heute geht kein Weg daran vorbei, dass Waffen und Nachschub für die Terroristen in Idlib nur über die oder aus der Türkei geliefert werden können. Schließlich ist das die einzige Grenze, die nicht von Damaskus kontrolliert werden kann.
Jedem Staat steht das Recht zu, seine Grenzen zu kontrollieren und Syrien ist als Staat immer noch Mitglied der UN. Die Enklave Idlib ist nach wie vor von der UN anerkanntes Staatsgebiet Syriens. Das heißt, dass Syrien nach Völkerrecht das Recht hat, ja sogar die Pflicht, auch dort zu kontrollieren, was über seine Staatsgrenze ins Land gebracht wird. Dieses Recht wird Syrien aber konsequent verweigert, auch von der UN. Wie kann in Damaskus also sichergestellt werden, dass über diese Grenze nicht andauernd Nachschub an Waffen und Munition verbracht wird? Noch dazu, wo die türkische Armee nach wie vor gegen alle völkerrechtlichen Prinzipien einmarschiert ist und keinerlei Anstände macht, diesen Rechtsbruch zu beenden. Warum sollte sie auch, wenn der gesamte „Wertewesten“ das nicht moniert oder gar deswegen fällige Sanktionen gegen die Türkei nicht einmal andenkt? Ach ja, Assad muss weg und was ist dagegen schon das Völkerrecht.
Ohne Kontrolle hören die illegalen Waffenlieferungen nicht auf
Meine Position zu den Hilfslieferungen nach Syrien/Idlib mag auf den ersten Blick manchem als brutal oder gar menschenverachtend erscheinen, wenn ich fordere, dass Hilfslieferungen dorthin nur stattfinden dürfen, wenn diese vom syrischen Grenzschutz kontrolliert werden können. Nur so kann sichergestellt werden, dass auf diesem Weg keine Waffen ins Land gebracht werden. Genau diese Forderung ist in jenem Resolutionsentwurf enthalten, der von Russland bei der UN eingebracht und genau deswegen zunächst vom Wertewesten mit Veto abgelehnt wurde. Die von Russland und China abgelehnten Resolutionen hingegen waren so formuliert, dass weiterhin unkontrolliert Waffen und Munition für die Terroristen in Idlib angeliefert werden können, weil eine Kontrolle durch die syrische Regierung kategorisch abgelehnt wird.
Syrien, Russland und China wollen ein Ende des Kriegs in Syrien. Der einzig gangbare Weg dorthin führt über einen Stopp der Waffenlieferungen. Das aber ist nur erreichbar, wenn Syrien oder auch Russland die Kontrolle über Hilfslieferungen haben und so in diesen keine Waffen versteckt werden können. Der Wertewesten hingegen tut alles, um diesen Krieg zu verlängern. So ist es also der Wertewesten, der mit seiner Haltung menschenverachtend handelt. Aber es klingt halt einfach zu schön, wenn nur über Hilfslieferungsforderungen berichtet wird mit dem Zusatz, dass Russland diese verhindern will.
Gerade im Nahen und Mittleren Osten, im arabischen Raum, wären alle Kriege schlicht unmöglich, wenn alle Waffenlieferungen eingestellt würden. Auch der Vernichtungskrieg der Saudis gegen den Jemen. Nimmt man den Islamisten in Syrien auch noch die Möglichkeit, die Menschen durch die selektive Verteilung von Hilfsgütern unter Kontrolle und bei Laune zu halten, wäre ihre Macht schnell beendet. Es gäbe dann Aufstände gegen sie und viele würden zurückkehren in ihre angestammte Heimat. Alle Kriege, die sich über lange Jahre hinziehen, sind nur möglich, wenn von außerhalb Hilfslieferungen gebracht werden.
Lässt man diese Länder einfach im eigenen Saft schmoren, mischt man sich nicht ein, nimmt jeder Krieg wegen schieren Mangels ein rasches Ende. Das hat die Geschichte bewiesen. So rettet man Leben, auch wenn es auf den ersten Blick grausam erscheinen mag. Russland handelt folglich richtig, wenn es die Forderungen nach unkontrollierten „Hilfslieferungen“ kritisch hinterfragt und nötigenfalls sein Veto einlegt. Vergessen wir nicht, wie viele Millionen Leichen produziert worden sind, weil der Wertewesten behauptet hat, man müsse eingreifen aus humanitären Gründen und um Demokratie zu bringen – mit Bomben.
Wie sehr die USA im Syrienkrieg involviert sind belegt diese aktuelle Meldung:
https://de.sputniknews.com/politik/20200714327497043-syrischer-kaempfer-wir-hatten-us-ausbilder/
Nachtrag:
Manchmal kommen wegweisende Analysen auch aus Ecken, von denen man es kaum vermuten würde. So machte die Obfrau der Linken im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, Sevim Dagdelen, auf einen weiteren Widerspruch aufmerksam. Die völkerrechtswidrigen Sanktionen der USA und der EU gegen Syrien seien »ein großes Verbrechen an der Bevölkerung in Syrien«. Diese sorgen dafür, dass die Lage katastrophal bleibt - zugleich wirft der Westen Russland, China und Syrien vor, humanitäre Hilfen zu verhindern. »Millionen Kinder in Syrien leiden unter den westlichen Sanktionen, die zum Beispiel die Lieferung lebenswichtiger Medikamente verhindern. Vor diesem Hintergrund ist die geäußerte Sorge des deutschen UN-Botschafters, Christoph Heusgen, um die humanitäre Lage in Syrien pure Heuchelei«, so Dagdelen.
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Der Zweite Weltkrieg hätte vermieden werden können. Spätestens 1938 war der innere Widerstand in Hitlers Reich so weit fortgeschritten, dass Hitler abgesetzt werden sollte. Man brauchte dazu nur noch die Unterstützung aus London. Die wurde verweigert, wie Reinhard Leube in seinem dritten Band „Septemberrevolution“ minutiös belegt nachweist. So ist festzustellen, dass die Londoner Politik diesen Krieg mindestens in gleichem Maße wollte wie Hitler. Wir empfehlen alle Bände von Reinhard Leube im AnderweltVerlag allen, die an der wahren Geschichte des 20. Jahrhunderts interessiert sind. Im Buchhandel oder direkt zu bestellen beim Verlag hier.