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#allesdichtmachen: Zu Kreuze kriechen oder Berufsverbot?

Von Hubert von Brunn

Ja, ja, mit der Meinungsfreiheit ist das so eine Sache in unserer ach so demokratischen Gesellschaft. „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (…) Eine Zensur findet nicht statt.“ So steht es zumindest in unserem Grundgesetz, Art. 5. Die von 53 bekannten Schauspielern unter dem Hashtag #allesdichtmachen initiierte Kampagne, die sich in ironischen Beiträgen mit der Corona-Politik und der regierungskonformen Berichterstattung dazu auseinandersetzt, hat nun in erschreckender Weise genau das Gegenteil bewiesen.

Meinungsfreiheit ist nur dann gegeben, wenn die zum Ausdruck gebrachte Meinung auch die richtige ist. Was richtig und was falsch ist, hängt natürlich in erster Linie davon ab, was gesagt wird, aber auch davon, wer es sagt. Nehmen wir z.B. die Oberdreckschleuder Jan Böhmermann. Er darf in seiner „Satire“-Sendung noch so unverschämt und ehrverletzend über andere herziehen – no problem, er steht ja auf der richtigen Seite. In dem vorliegenden Fall ist besonders pikant, dass die Kritiker, die sich hier zu Wort melden, nicht irgendwelche Nonames sind und auch keine Figuren, die aufgrund der veröffentlichten Meinung sowieso schon in einer rechten Ecke stehen. Nein, hier ist es die Crème de la Crème der derzeit Filmschaffenden in Deutschland, und es sind nicht nur zwei oder drei, nein, es sind mehr als 50. Das sollte denen, die sich so furchtbar über dieses Projekt empören, doch zu denken geben. Tut es aber nicht. Falsche Meinung ist falsche Meinung, basta! Wer sie von sich gibt, ist scheißegal.

Liefers: „Verzweifeln Sie ruhig, aber zweifeln Sie nicht“

Die Schauspiel-Stars wollten einfach nicht mehr die Klappe halten und verpackten ihre Kritik an dem Corona-Wahnsinn und den hilflosen bis widersinnigen Lockdown-Maßnahmen der Regierung in ironisch-bissige Statements. Jan Josef Liefers, einer der Wortführer der Kampagne, etwa postet: „Verantwortungslosen, menschenverachtenden Ärzten und Wissenschaftlern, die zu anderen Schlüssen kommen als die beratenden Experten unserer Regierung (…), dürfen wir keine Bühne geben. Schließlich wissen nur ganz wenige Spezialisten. Was wirklich gut für uns ist. Wir sollen einfach nur allem zustimmen und tun, was man uns sagt. Nur so kommen wir gut durch die Pandemie. (…) Verzweifeln Sie ruhig, aber zweifeln Sie nicht.“

Kollege Ulrich Tukur ätzt an die Bundesregierung gerichtet: „Schließen Sie ausnahmslos jede menschliche Wirkungsstätte und jeden Handelsplatz. Nicht nur Theater, Cafés, Schulen, Fabriken, Buchhandlungen, Knopfläden nein, auch alle Lebensmittelläden, Wochenmärkte und vor allem auch all die Supermärkte. Sind wir erst am Leibe und nicht nur an der Seele verhungert und allesamt mausetot, entziehen wir auch dem Virus und seiner hinterhältigen Mutantenbagage die Lebensgrundlage.“

Ganz nah an der absurden Corona-Wirklichkeit unserer Tage ist auch Volker Bruch mit seinem Appell: „Ich will wieder mehr Angst haben. Denn ohne Angst hab ich Angst. Deshalb appelliere ich an unsere Regierung: Macht uns mehr Angst.“ Vielleicht hatte der Schauspieler bei der Formulierung seines Clips die Horror-Prognosen von RKI und „führenden“ Wissenschaftlern Mitte März im Hinterkopf. Damals hatte das RKI für Mitte April eine 7-Tage-Inzidenz von mindestens 350 prognostiziert, der Physiker und Kanzleramts-Berater Kai Nagel hat für Mai gar die Schreckenszahl von 2000 an die Wand gemalt. Natürlich hat Corona-Oberversteher Lauterbach beide Kurven nach Kräften weiterverbreitet. Tatsächlich sind wir Ende April bei einer 7-Tages-Inzidenz von unter 169. Nagel rechtfertigte seine Angst einflößenden Kurven inzwischen, indem er sagte, es handle sich nicht um Vorhersagen, sondern um „Szenarien“. Na ja, wenn das so ist. Horrorszenarien sind ja auch etwas ganz Tolles, vor allem wenn sie von den Regierenden als Grundlage für ihre Lockdown-Politik herangezogen werden.

Antreten zum Rapport wie in seligen DDR-Zeiten

Das, was die Schauspieler da produziert haben, ist über weite Strecken Satire vom Allerfeinsten, der selbst der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit anerkennend beipflichtet. „Ein Meisterwerk“, kommentiert er auf Twitter. „Es sollte nachdenklich machen“. Damit hat sich der ebenso sympathische wie kompetente Mann wohl aus den diversen Talkshows, bei denen er bis jetzt ein gern gesehener Gast war, rausgekegelt. Wer nicht linientreu ist, wird nicht mehr eingeladen. Noch schlimmer trifft es ja die aufmüpfigen Schauspieler. So hat der WDR-Rundfunkrat und Ex-NRW-Minister Garrelt Duin gefordert, die Zusammenarbeit mit Leuten wie Liefers und Tukur sofort zu beenden. Beide hätten sich mit ihrer „undifferenzierten Kritik“ als Repräsentanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks „unmöglich gemacht“. Tatort-Rauswurf wegen unbequemer Meinungen. Rums! So schnell kann’s gehen mit Berufsverbot. Ein falsches Wort – und schon bist du deinen Job los.

Eine etwas mildere Art der Bestrafung hat Norman Heise, Rundfunkrat des RBB, vorgeschlagen. Die Schauspieler werden zum Rapport vor den Rundfunkrat zitiert, wo sie eindringlich zu den Motiven ihrer Kritik befragt werden und sich dazu erklären können. Ziel dieser Aktion: Zeigt sich der Schauspieler hinreichend zerknirscht und fällt seine Selbstbezichtigung, schwere Fehler begangen zu haben, überzeugend aus, kann man ja noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen und dem Künstler weitere Rollen geben. Jan Josef Liefers ist das tatsächlich passiert. Er wurde zur „Klärung des Sachverhalts“ von seinem Tatort-Sender einbestellt und musste sich vorm WDR-Kollektiv rechtfertigen. In der „Aktuellen Stunde“ wurde er zunächst mit der Liste seiner Vergehen konfrontiert, dann folgte eine Befragung akkurat nach dem in der DDR vom Zentralkomitee der SED und von der Stasi oft und gern praktizierten „Sag mir, wo du stehst“-Interview. Zu Kreuze kriechen bis zur Selbstaufgabe. – Da sage noch einmal jemand, im vereinten Deutschland sei von der DDR nichts übrig geblieben.

Regimetreue Unterwürfigkeit in der Hoffnung auf eine Tatort-Rolle?

Natürlich gibt es auch aus den Reihen der Schauspieler Kritik an der #allesdichtmachen- Kampagne. Nora Tschirner und Christian Ulmen beispielsweise übten in der Bild-Zeitung ein bisschen „Fremdschämen“ für die Kollegen. Ach sieh an! Vielleicht sind sie beleidigt, weil man sie nicht gefragt hat, ob sie sich an der Aktion beteiligen wollen. Vielleicht legen sie (und noch ein paar andere) aber auch in vorauseilendem Gehorsam regimetreue Unterwürfigkeit an den Tag in den Hoffnung, dass möglicherweise tatsächlich der eine oder andere Job beim Tatort frei wird, den man dann übernehmen könnte. Es gab ja schon mal eine Zeit, in der berühmte Schauspieler zu allem Ja und Amen gesagt und sich jeglicher Kritik am Regime enthalten haben – ganz einfach weil sie weiter Filme machen und Geld verdienen wollten. Schauspieler Armin Rohde, der an der Aktion nicht beteiligt war, schrieb Anfang der Woche bei Twitter: „Eine junge Schauspielerin bietet sich auf Facebook bereits an, vakant werdende Tatort-Rollen einzunehmen. Die Meute der Selbstgerechten johlt dazu ihren Beifall.“

A propos Beifall: Wie sich jetzt gezeigt hat, muss, wer es wagt, eine freie, möglicherweise nicht konforme Meinung zu äußern, im Vorfeld überlegen, ob es unter Umständen sein könnte, dass er auch Applaus von Leuten bekommt, mit denen er absolut nichts zu tun hat und auch nichts zu tun haben will. Das haben die aufmüpfigen Schauspieler nicht bedacht und waren überrascht, dass sie flugs in einen Topf geworfen wurden mit Querdenkern, Reichsbürgern, Verschwörungstheoretikern, Nazis… An der Stelle ein klares Wort: Nazis sind nicht die, die sich in künstlerischer Form kritisch mit gesellschaftlichen Phänomenen und widersinnigem Regierungshandeln auseinandersetzen, die wirklichen Nazis sind die, die den vom Grundgesetz garantieren Akt der freien Meinungsäußerung verbieten wollen und die Akteure verteufeln – bis hin zu Morddrohungen. Hier äußert sich eine radikale Form der Rechthaberei, die allen Spielregeln der Demokratie widerspricht.

Die schäbige Rolle der Umfaller

Eine in meinen Augen ganz schäbige Rolle haben jene Schauspieler gespielt, die zunächst aktiv bei der Kampagne mitgewirkt haben, um dann bei der ersten Kritik den Kopf einzuziehen und das eigene Video aus dem Netz zu nehmen. Das ist pharisäerhaft und feige. Ein solches Projekt verwirklicht sich ja nicht von heute auf morgen. Da gibt es im Vorfeld jede Menge Gespräche über Inhalte, Abläufe, Koordination usw. – Zeit genug also, sich selbst darüber Klarheit zu verschaffen: Will ich das, mache ich da mit, stehe ich dazu? Wenn ich das Für und Wider für mich abgewogen habe und mich letztlich entscheide mitzumachen, dann muss ich auch das nötige Rückgrat haben. Wer seinen Kopf aus dem Fenster hält, muss damit rechnen, dass ihm der Wind ins Gesicht bläst.

Bis Sonntag waren 21 der 53 Videos wieder von der Seite der Initiative verschwunden. Zu den Umfallern gehören u.a. Heike Makatsch, Ulrike Folkerts und Meret Becker. Letztere hat in ihrem Clip die Überwachungs-Mentalität in der Corona-Zeit thematisiert und hat – obwohl sie zurückgezogen hat – dafür Morddrohungen erhalten. Den Gipfel der Verlogenheit hat an der Stelle Ulrike Folkerts geliefert, indem sie im Nachhinein die ganze Aktion einen „unverzeihlichen Fehler“ nannte. In einer Demokratie eine andere Meinung zu äußern als die vom Mainstream propagierte, ist also ein „unverzeihlicher Fehler“. Danke Frau Folkerts. Ihr Statement zeugt von einer ungeheuren geistigen Größe, um die man Sie beinahe beneiden kann.

Das letzte Wort in dieser Medien-Posse soll der Tatort-Kommissar Dietrich Brüggemann haben, der die Vorwürfe, Corona zu verharmlosen oder Opfer zu verhöhnen, entschieden von sich weist. Vielmehr stellt er klar: „Wir beziehen uns auf die Kommunikation der Bundesregierung. Wir beziehen uns auf die Spots, wo uns etwas Unzumutbares wie der Lockdown, der für viele Leute eine extreme Belastung darstellt, als etwas Gutes verkauft wird.“ Der Filmemacher deutete an, dass mit einer Fortsetzung der Aktion zu rechnen ist – durchaus auch mit Akteuren aus anderen Branchen. Aussicht auf spannende Unterhaltung in dem ansonsten zu erwartenden öden Corona-Sommer.

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Angesichts dieses Vorgangs erhält dieser Artikel von Peter Haisenko einen geradezu prophetischen Charakter:
https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20211/politisch-unkorrekte-wortwahl-und-die-wiederkehr-der-lynchjustiz/

Schon 2016 wurde eine weniger bekannte Schauspielerin, Sylvana Heißenberg, mit einem faktischen Berufsverbot „bestraft“, weil sie Kritik an der Migrationspolitik der Kanzlerin geübt hat. Weil sie nicht zur „A-Klasse“ der Mimen zählt, blieb das weithin unbekannt. Auch damals haben sich Kollegen nicht mit ihr solidarisiert, weil sie Angst um ihr eigenes berufliches Fortkommen hatten. Jetzt sind sie selbst dran und es ist immer dasselbe: Man hält feige still in der Hoffnung, auch der nächste Kelch wird an einem vorüberziehen. Lesen Sie dazu die Geschichte von Sylvana Heißenberg „Hexenjagd und Hochverrat“. Es ist ein interessantes Lehrstück im Sinne „wehret den Anfängen“. „Hexenjagd und Hochverrat" ist erhältlich im Buchhandel oder sichern Sie sich Ihr Exemplar direkt von Verlag hier. 

Hier können Sie eine Rezension zu diesem Werk ansehen: 
https://www.anderweltonline.com/politik/politik-2019/silvana-heissenberg-hexenjagd-und-hochverrat-wie-eine-kuenstlerexistenz-zerstoert-wird/ 

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