Erdogan erniedrigt UvdL – War das von Brüssel so gewollt?
Von Hubert von Brunn
Dass ich nicht zu den ausgewiesenen Fans von Ursula von der Leyen gehöre, dürfte meinen Lesern hinlänglich bekannt sein. Doch menschlichen Respekt und eine faire Behandlung – nicht zuletzt auch in ihrer Funktion als EU-Kommissionspräsidentin – hat sie allemal verdient. Die Art und Weise wie sie der Kalif von Ankara dieser Tage bei ihrem Besuch in seinem Protzpalast behandelt hat, ist unter aller Würde und absolut intolerabel.
Zusammen mit EU-Ratspräsident Charles Michel war sie nach Ankara gereist, um dort mit Erdogan auszuloten, wie das in mehrfacher Hinsicht gestörte Verhältnis zwischen der Türkei und der EU wieder verbessert werden könnte. Und dann der Affront: Statt zwei Sessel bereit zu stellen für die beiden hochrangigsten Vertreter der Europäischen Union, hat das türkische Protokoll nur einen vorgesehen – für Michel. UvdL musste sich mit einem Platz auf dem Sofa in einiger Entfernung begnügen. Sie war sichtlich irritiert, hat es aber letztlich akzeptiert, als Frau nur in gehörigem Abstand an dem Gespräch teilnehmen zu dürfen. Das war ein Fehler. Wäre unsere ehemalige Flinten-Uschi die starke Frau, als die sie sich sonst gerne geriert, hätte sie auf dem Absatz kehrt machen und den Raum verlassen müssen. Und auch Herr Michel hat sich in dieser Situation nicht mit Ruhm bekleckert. Als Gentleman hätte er aufstehen und der Uschi seinen Sessel anbieten können. Da hätte der Kalif von Ankara blöd aus der Wäsche geschaut. Stattdessen haben sich beide von dem osmanischen Obermacho düpieren lassen und nach den von ihm vorgegebenen faulen Spielregeln mitgespielt.
Schlechtes Benehmen und Rüpelhaftigkeit ist durch nichts zu entschuldigen
Im Nachhinein regt man sich in Brüssel furchtbar über diesen Vorgang auf und verlangt Aufklärung über die „Sofagate“-Affäre. Was soll dieser Unsinn? Da gibt es nichts aufzuklären. Erdogan hat unmissverständlich deutlich gemacht: 1. Was er von Frauen in Amt und Würden hält. Das ihm gemäße Frauenbild verkörpert die Kopftuch-Tussi, seine Angetraute, die immer drei Meter hinter ihm her latscht. 2. Dass er sich in den Verhandlungen mit der EU grundsätzlich in der überlegenen Position fühlt, die er mit unverschämten Situationen wie dieser deutlich macht. Im diplomatischen Geschäft geht es gewiss nicht immer nur freundlich zu und hinter den Kulissen wird auch schon mal mit harten Bandagen gekämpft. Aber schlechtes Benehmen, Rüpelhaftigkeit und miesen Charakter gegenüber einem weiblichen Gesprächspartner vor laufender Kamera auszuspielen, ist absolut jenseitig. Da kommt dann doch der anatolische Ziegenhirte durch, bei dem Bildung und Sozialkompetenz in seiner frühen Sozialisation offensichtlich auf der Strecke geblieben sind.
Diese durch nichts zu rechtfertigende Flegelhaftigkeit des Kalifen von Ankara liefert aber nur den einen, den vordergründig sichtbaren Aspekt der Affäre. Die andere Seite der Medaille, die in der offiziellen Berichterstattung viel zu kurz gekommen ist, bietet einen Einblick hinter die Kulissen, der nicht ohne Pikanterie ist. Gespräche auf höchster politischer Ebene werden stets auf beiden Seiten von den für das Protokoll zuständigen Beamten minutiös vorbereitet. Jeder Schritt, jede Geste, jede denkbare Aktion – alles ist geplant. Da wird nichts dem Zufall überlassen. Also war es auch kein Zufall oder ein Versehen, dass für von der Leyen kein Sessel bereitgestellt wurde und sie stattdessen auf dem Sofa Platz nehmen musste. Das war pure Absicht. Das war so gewollt. Wenn das Szenario von türkischer Seite so vorgesehen war – dann siehe oben. In dem Falle aber hätten die europäischen Protokoll-Nasen sofort ihr Veto einlegen und sagen müssen: Stopp, das geht so nicht! Haben sie aber nicht getan. Warum wohl?
Wer in die EU will, sollte sich verhalten wie ein zivilisierter Mitteleuropäer
Auch auf diese Frage gibt es zwei mögliche Antworten: 1. Sie wollten den Affront gegen UvdL provozieren, um Erdogan im Nachhinein als den ungeschlachten anatolischen Ziegenhirten vorführen zu können. 2. Sie wollten die ungeliebte EU-Kommissionspräsidentin bewusst in eine peinliche Position lotsen in der Erwartung, dass sie sich so schwach verhält wie sie sich ja nun auch verhalten hat. Wenn das das Ziel war, ist der Coup gelungen. Die Maulheldin hat sich verhalten wie ein kleines eingeschüchtertes Mädchen und damit offenkundig gemacht, wie mickrig das Selbstbewusstsein der EU im Umgang mit Erdogan ist. Diesen beschämenden Eindruck hat dann im Nachhinein der Waschlappen Charles Michel noch bekräftigt, indem er als Entschuldigung bemerkte: Der „bedauerliche Charakter“ der Behandlung von UvdL sei ihm klar gewesen, aber beide hätten dann entschieden, „ihn nicht durch einen öffentlichen Vorfall zu verschlimmern“ und den Inhalt der Gespräche in den Vordergrund zu stellen. Wie groß muss der Anus des Kalifen von Ankara denn sein, damit diese beiden europäischen Witzfiguren dort unterkommen können?
Erdogan drängt mit Macht in die EU, weil er von den Vorteilen als Clubmitglied profitieren will. Die Begegnung in Ankara wäre eine gute Gelegenheit gewesen, um dem arroganten Autokraten klar zu machen, dass eine Voraussetzung dafür ist, dass sich der Chef des Landes, das dazu gehören will, benehmen kann wie ein zivilisierter Mitteleuropäer. Mittelalterliches Machogebaren ist das Letzte, was Europa gebrauchen kann.