Nach der US-Wahl ist Syrien wieder im Visier
Von Peter Haisenko
Biden war keinen Monat im Amt und schon haben die USA wieder Bomben auf Syrien abgeworfen. Jetzt fällt auf, dass der Krieg in Syrien wieder thematisiert wird. Mit schrecklichen Bildern und dem alten Mantra „der böse Assad muss weg!“
Beginnen wir mit einer kurzen Bestandsaufnahme. Seit genau zehn Jahren leidet die syrische Bevölkerung jetzt unter dem aufgezwungenen Krieg. In den befriedeten Regionen kommt der Wiederaufbau nicht recht voran und der Hunger quält die Menschen. In Syrien selbst und in diversen Flüchtlingslagern. Erdogans Truppen halten nach wie vor Teile Syriens besetzt und niemand im Wertewesten nimmt Anstoß daran. Ebenso stehen immer noch US-Truppen auf syrischem Boden und auch das ist nicht der Rede wert. Die USA stehlen im Nordosten syrisches Öl, verkaufen es auf eigene Rechnung und finanzieren damit Terroristen gegen Assad. Israel hat fortwährend Raketen auf syrisches Gebiet geschossen und auch darüber regt sich niemand auf. Immerhin war es unter Trump vier Jahre ruhig geblieben, abgesehen von zwei Angriffen der USA mit Marschflugkörpern, die aber wirkungslos in der Wüste gelandet sind. Mit Biden leben die Angriffe wieder auf. Mit Worten und Bomben.
Sanktionen und Embargos bringen Not und Elend für die Bevölkerung
Der Nordwesten Syriens, die Gegend um Idlib, ist immer noch unter Kontrolle der Terroristen. Die werden von der Türkei unterstützt, also letztlich von der NATO, mit Treibstoff, Waffen und Nahrungsmitteln. Auch Erdogan hat seine Ziele nicht aufgegeben: Assad muss weg und ganz Syrien soll seinem Kalifat einverleibt werden. Im Nordosten halten die USA den Kurden die Stange und sind im Konflikt mit Erdogan wegen der PKK. Alle fremden Soldaten auf syrischem Boden verstoßen fortlaufend gegen das Völkerrecht, ausgenommen diejenigen aus Russland und dem Iran. Die sind auf Einladung der syrischen Regierung dort und konnten verhindern, dass Syrien in den Chaos-Zustand Libyens gebombt wird. Während aber Russland und der Iran für ihre rechtmäßige Präsenz in Syrien andauernd vom Wertewesten angegriffen und verunglimpft werden, findet sich keinerlei Kritik am Verhalten der Türkei und der USA dort. Und das Schlimmste ist, der Wertewesten hält alle Sanktionen und Embargos gegen den syrischen Staat aufrecht, ja redet über Verschärfungen.
Herzzerreißende Bilder werden im deutschen Fernsehen gezeigt, angeblich aktuell aus Syrien. Ja, aus welchem Teil Syriens eigentlich? Aus der Terroristenhochburg Idlib oder aus den befriedeten Teilen? Sind diese Bilder wirklich aktuell oder aus der Datenbank? Sind sie genauso „zuverlässig“ wie die Propagandawerke der „Weißhelme“? Diese Fragen werden nicht aufgeklärt. Genauso gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass Not und Elend dort vor allem den Sanktionen und Embargos geschuldet sind. Das alte Mantra „Assad muss weg“ ist wieder aus der Nach-Trump-Mottenkiste geholt worden und die Biden-Administration lässt die entsprechende Agenda wieder anwachsen. Mit denselben Methoden, die schon Libyen als funktionsfähigen Staat von der Landkarte ausradiert haben.
Wie bereits vor der ersten großen Flüchtlingswelle 2015 sind die Hilfen der UN für Flüchtlingslager nochmals gekürzt worden. Ja, da kann man dann leicht erschreckende Bilder von dort zeigen. Die große Sauerei aber sind die Embargos und Sanktionen, die ausschließlich dem Ziel dienen, die syrische Bevölkerung durch Aushungern gegen ihren gewählten Präsident Assad aufzuwiegeln. Wie die Sanktionen gegen Russland dasselbe Ziel gegen Putin verfolgen. Wie alle Sanktionen überhaupt.
Die Türkei geriert sich als rücksichtslose Besatzungsmacht
Zu den Bildern von hungernden Kindern gibt es Spendenaufrufe. Allerdings ohne auch nur mit einem Wort klarzustellen, wem diese Spenden zugute kommen sollen. Dem aufgeklärten Beobachter sollte aber bewusst sein, dass kein Cent davon in den befriedeten Teil Syriens fließen wird. Das gesamte Aufkommen wird bei den Terroristen im Nordwesten landen und so die Türkei von der Pflicht entlasten, ihre Besatzungszonen mit Lebenswichtigem zu versorgen. Im Gegenteil ist es ja so, dass die Türkei sogar Teile der Olivenernte in seinem Besatzungsgebiet stiehlt – oder besser raubt – und damit die prekäre Ernährungssituation für die einheimische Bevölkerung noch verschärft. In jedem Fall wird jede Spende dafür verwendet werden, die Terroristen zu unterstützen und so den internen Konflikt in Syrien zu verlängern. Dieses vorgeblich humane Verfahren kennen wir noch aus dem Jugoslawienkrieg, der auch erst sein Ende finden durfte, nachdem von diesem grundfriedlichen Staat nichts mehr übrig war. Seit nunmehr zwanzig Jahren stehen immer noch Besatzungstruppen in Teilen des ehemaligen Jugoslawien und auch der deutsche Steuerzahler bezahlt dafür.
Der Erste und der Zweite Weltkrieg waren wirklich schlimme Kriege. Beide haben aber in ihren heißen Phasen nicht länger als vier Jahre gedauert. In Afghanistan gibt es seit 40 Jahren keinen Frieden und die neue amerikanische Administration mit Biden hat schon angekündigt, den von Trump vereinbarten Abzug der US-Truppen nicht einhalten zu wollen. Der Irak befindet sich seit bald 30 Jahren amerikanischen Angriffen ausgesetzt, was Millionen Menschenleben und den Zusammenbruch der Wirtschaft verursacht hat. Dennoch wollen die US-Truppen das geschundene Land nicht verlassen, geschweige denn für ihre eindeutig völkerrechtswidrigen Zerstörungen Reparationen leisten. Libyen befindet sich seit nunmehr 12 Jahren im Chaos und es werden immer noch Waffen in das zerstörte Land geschleust, das einst der reichste und sozialste Staat in ganz Afrika war. In Syrien, dem liberalsten Staat, was Religionen betrifft, eben einem vorbildlich laizistischen Staat, herrscht seit nunmehr zehn Jahren Terror und Zerstörung. Wie lange sollen die Menschen in diesen Ländern das aushalten?
Die Assad-Regierung soll um jeden Preis gestürzt werden
Geht es um Corona, zählt angeblich jedes einzelne Menschenleben und muss geschützt werden. Sind denn arabische Menschenleben nichts wert? Oder sollen die Menschen dort, in Libyen, Irak und Syrien so ausgehungert werden, dass sie in ihrer Verzweiflung Europa weiterhin mit Migranten fluten? Was hat Syrien der Welt angetan, das endlose Sanktionen und Embargos rechtfertigen könnte? Für die weitgehende Zerstörung ihrer einst großartigen Städte wie Homs und Aleppo oder die restlose Zerstörung von Rakka? Wobei Rakka ausschließlich von US-Bomben ausgelöscht worden ist. Mit welchem Recht kann das begründet werden? Sicher nicht mit Kriegs- oder Völkerrecht. Und nochmals: Haben die USA oder auch England jemals ein Land für ungerechtfertigte Zerstörungen entschädigt? Ungerechtfertigt waren alle Angriffe dieser zwei und es gingen ihnen nicht einmal ordentliche Kriegserklärungen voran.
Wer wirklich daran Interesse hat, dem Elend in Syrien ein Ende zu setzen, der muss sofort alle Sanktionen und Embargos beenden. Das kostet nichts und brächte sofort Erleichterung. Anders als die lächerlichen „Sanktionen“ gegen Russland der letzten Zeit, die nur noch Einzelpersonen betreffen, wirken diejenigen gegen Syrien massiv gegen die Bevölkerung. Das ist auch so gewollt, denn wie in Russland soll eine gewählte Regierung gestürzt werden, die sich partout nicht dem Wertewesten unterordnen will. Die einfach nur ihren eigenen Weg gehen will, was jedem Land nach Völkerrecht zusteht. Ist es nicht die ultimative Gemeinheit, ein Land mit Bomben zu zerstören und gleichzeitig zu verbieten, dass Zement für den Wiederaufbau geliefert werden darf? Ist es nicht überhaupt absolut verabscheuenswert, mühsam aufgebaute Gebäude und Infrastruktur nach Lust und Laune zu zerstören? So, wie die USA und England deutsche Städte zerbombt und Millionen Zivilisten ermordet haben, ohne jeglichen kriegsstrategischen Nutzen. Da ging es auch darum, deutsche Arbeitskraft auf Jahrzehnte im Wiederaufbau zu binden, um Deutschland als wirtschaftlichen Wettbewerber auszuschalten.
Das geheuchelte Lamento über hungernde Kinder ist unerträglich
Nach der Zerstörung kommt der Wiederaufbau und mit dem kommt zwangsläufig die Verschuldung im Ausland. Bei der Weltbank zum Beispiel. Und mit der Verschuldung hat man dann das Land in der Schuldenfalle und auf diese Weise unter Kontrolle. Mit Syrien geht das nicht, denn da stehen Russland und China davor. Mit Hilfen und Krediten. Gelingt es folglich nicht, Assad zu stürzen und durch ein Marionettenregime zu ersetzen, das den USA hörig ist, wird Syrien niemals mehr auch nur Handel treiben wollen mit den USA und seinen Vasallen. Heutzutage haben diese kein Monopol mehr für lebenswichtige Güter, auch technische. Was bleibt also übrig, als den Krieg gegen Syrien wiederzubeleben, mit allen Sanktionen und Embargos, bis nichts mehr übrig ist, außer Chaos und Elend auf ewig? Eben so, wie in Libyen. Syrien in eine Gegend zu verwandeln, an der niemand mehr (wirtschaftliches) Interesse hat. Die nur noch eine verbrannte Wüstenei ist, ohne jegliche politische Bedeutung.
Das geheuchelte Lamento über hungernde Kinder in Syrien ist unerträglich. Die Heuchler selbst sind nicht nur verantwortlich für die Zustände dort, sondern haben es auch in der Hand, sehr schnell echte Linderung zu schaffen. Es müssen nur als erstes die Sanktionen und Embargos aufgehoben werden, die auch jenseits des Völkerrechts verhängt worden sind. Es müssen auch die Lieferungen von Waffen, Munition und anderen Kriegsgeräts an die Terroristen in Idlib unterbunden werden. Letztlich muss nur das Völkerrecht wieder respektiert und angewendet werden, ohne Ansehen der Akteure. Genau da liegt der Hase im Pfeffer.
Der Wertewesten benutzt das Völkerrecht nach Gutdünken, um missliebigen Regierungen Verstöße vorzuwerfen, die sie zumeist gar nicht begangen haben, siehe das Krim-Referendum. Die fortlaufenden flagranten Verstöße der eigenen Seite werden einfach unter den Tisch gelogen. Eine Forderung an die USA, Reparationen zu leisten für völkerrechtswidrige Angriffe, wird nicht einmal angedacht. So oder so, die USA könnten das gar nicht erbringen. Dann nämlich wären sie einmal dran, auf unabsehbare Zeit in Armut dahinzuvegetieren. Vielleicht sollte man in diesem Sinn darüber nachdenken, zum Beispiel die Sanktionen gegen Syrien aufzuheben, damit nicht noch mehr Schuld und eigentlich fällige Reparationen auflaufen. Die Biden-Administration arbeitet aber genau daran. Ob da vielleicht manchem Biden-Klatscher sein Applaus im Halse stecken bleibt? Ach nee, das wäre zu optimistisch.