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Afghanistan: Die USA nehmen das Geld, Deutschland gibt es

Von Peter Haisenko 

Die Nachrichten aus Afghanistan werden spärlicher. Gräueltaten der Taliban sind offensichtlich nicht in dem Ausmaß zu beobachten, wie befürchtet wurde. Allerdings soll überall plötzlich Mangel herrschen. Es fehlt an Devisen. Aber warum eigentlich?

So katastrophal der Abzug aus Afghanistan verlaufen ist, zeigt das nur einen kleinen Teil der Agenda. Es hat sich herausgestellt, dass mit den deutschen Evakuierungsflügen kaum „Ortskräfte“ nach Deutschland gekommen sind, sondern viel mehr unbekannte Personen und sogar etliche bereits abgeschobene Straftäter. Die können allerdings jetzt nicht erneut abgeschoben werden, weil ja das Schreckensregime der Taliban dort herrscht. Aber das ist nur ein kleiner Teil der Ungereimtheiten.

Unverzüglich nachdem die Taliban in Kabul eingerückt sind, haben die USA alle Konten des afghanischen Staats in New York gesperrt und „eingefroren“. Immerhin geht es da um beinahe zehn Milliarden US-Dollar. Es ist mehr als zweifelhaft, ob dieser Akt mit irgendeinem Recht, gar dem Völkerrecht vereinbar ist. Aber was soll´s, die Amis machen es einfach und sie können es machen, denn sie werden dafür nicht einmal kritisiert. Auf der anderen Seite hat das US-Militär Waffen und Material im geschätzten Wert von 90 Milliarden US-Dollar zurückgelassen und so zählen die Taliban jetzt zu den bestgerüsteten Staaten. Dass das nicht lange so bleiben wird, ist abzusehen, denn man kann nicht erwarten, dass benötigte Ersatzteile aus den USA geliefert werden. Obwohl...wenn die Gier des MIK groß genug ist? Wer weiß.

Die afghanische Verschuldungsquote ist viel geringer als die deutsche

Mit gewissem Stolz und in der Erwartung vollen Lobes hat die Merkel-Regierung verkündet, man wolle der Taliban-Regierung in Afghanistan mit Hunderten Millionen unter die Arme greifen. Irgendwie ist das lächerlich. Anstatt die USA zu ermahnen, sich an Recht zu halten und sofort die eingefrorenen Milliarden freizugeben, gibt Deutschland Millionen. Und zwar Millionen an einen Staat, dessen Verschuldungsquote viel geringer ist als die deutsche.

In der Liste der Rangfolge für verschuldete Staaten taucht Afghanistan erst ganz am Ende auf, auf Platz 187 von 191, wenn überhaupt. Da wird ein Schuldenstand ohne genauere Spezifikation angegeben in Höhe von acht Milliarden $ für 2020. Stellt man dem die Guthaben in den USA gegenüber mit knapp zehn Milliarden, ist Afghanistan eines der ganz wenigen Länder ohne Auslandsverschuldung. Ach ja, Syrien hatte seine Schulden 2011 auf Null gefahren und steht in der Liste auf Platz 191, dem letzten. Ob das wohl auch ein Grund gewesen sein mag, warum Syrien zerstört werden musste? Oder Libyen, das seit Jahrzehnten keine Schulden hatte und so nicht mit der „Geldwaffe“ kontrolliert werden konnte?

Afghanistan hat folglich mit der Machtübernahme der Taliban hervorragende Startbedingungen, was die Finanzen betrifft. Es ist rein finanztechnisch gesehen absolut kreditwürdig. Wenn es jetzt, wie berichtet, an allem Möglichen fehlen sollte, ist das nicht der Finanzlage geschuldet. Aber es taucht noch eine andere Frage auf. Wenn wenige Tage nach der Machtübernahme der Taliban berichtet wird, in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen mangelt es an allem, muss dieser Mangel schon vorher dagewesen sein. Es wurde nur nicht darüber berichtet. Es kann nicht sein, dass die Versorgungslage binnen weniger Tage ins Katastrophale abrutscht. Aber vorher wären ja die NATO und die USA dafür zuständig gewesen und darüber wurde natürlich geschwiegen.

Wer kontrolliert jetzt den Opium-Export?

Über ein anderes Thema wird auch geschwiegen. Wer kontrolliert jetzt den Opium-Export und wohin fließen die Erlöse daraus? Ist der Export zusammengebrochen, weil die Taliban dem Rauschgifthandel sehr kritisch gegenüberstehen? Hatte der afghanische Staat jemals Einkommen aus dem Opium-Handel oder ist dieses Geld bei den amerikanischen Kartellen geblieben? So, wie er schon im 19. Jahrhundert nur Geld in die Kassen des British Empire gespült hatte. Es wird interessant werden, wie sich der Heroinmarkt in den USA und weltweit entwickeln wird. Heroin ist ein Opium-Derivat.

Nach 20 Jahren Krieg sitzen die Taliban fester im Sattel denn je. Betrachtet man den geschichtlichen Ablauf, müssen peinliche Fragen aufkommen. Wie wäre der Verlauf gewesen, wenn die USA nicht 1980 Islamisten bewaffnet hätten? Nicht vergessen: Bis 1980 war Afghanistan eine offene Gesellschaft mit einem guten Bildungssystem ohne Einschränkungen für Frauen. Es hatte nur den Makel, dass sich die Afghanen in freien Wahlen für ein System entschieden hatten, das dem Kommunismus freundlich gesinnt war, also der Sowjetunion. Die ist der Regierung auf Einladung zu Hilfe gekommen, um islamistische Tendenzen niedrig zu halten. Wie auch Russland in Syrien zur Hilfe gerufen worden ist.

Ich denke, eines kann klar gesagt werden: Hätten sich die USA ab 1980 nicht eingemischt, müsste dort heute niemand über Frauenrechte und Bildung lamentieren und Millionen Afghanen wären vom Kriegstod verschont geblieben. Vergessen wir nicht, dass gerade in kommunistischen Systemen die Gleichstellung von Frauen ganz oben stand. Nicht aus Menschenrechtsüberlegungen, sondern um die Arbeitskraft der Frauen zu nutzen. Aber was soll´s, wenn den Feministen genüge getan wird. Hierzu gibt es noch eine interessante Betrachtung. Welches ist das Land mit der höchsten Frauenquote in den Führungsetagen? Mit großem Abstand vor allen anderen? Es ist das postsowjetische Russland mit einer Quote um die fünfzig Prozent. Wie sähe das wohl heute in Afghanistan aus ohne die US-Einmischung?

Das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der USA ist tief erschüttert

Wie stünde Afghanistan in diesem Sinn heute wirtschaftlich da? Wäre es ein reiches Land durch die Förderung und den Export seiner reichen Bodenschätze? Wahrscheinlich schon, aber mit einem Grundmakel: Es wären sowjetische Unternehmen gewesen, die da federführend gewesen wären und die USA wären außen vor geblieben. Jetzt, nach 20 Jahren US-geführtem Krieg und der Niederlage, sieht es so aus, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit China in das Vakuum stößt, ebenso wie sich Verbindungen mit Russland anbahnen. So muss festgestellt werden, dass die amerikanische Politik der letzten 40 Jahre nichts als millionenfachen Tod und Verderben gebracht hat und Deutschland war mit der NATO seit 20 Jahren beteiligt. Ex-Bundespräsident Köhler hat es ja klar gesagt, dass es in Afghanistan nur um die Sicherung der Rohstoffe ging – und diese Ehrlichkeit hat ihn zwei Wochen später das Amt gekostet.

Der Afghanistan-Feldzug ging gründlich daneben. Man kann sicher sein, dass die Taliban keiner einzigen US-Firma Lizenzen im Land erteilen werden. Genauso wie Syrien für den US-Handel für immer verloren ist und natürlich Libyen und Irak, sobald die sich dort vom US-Joch befreien können. Alle diese geschundenen Länder haben eines gelernt: Man darf den USA nicht trauen und Verträge mit diesen sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Da zählt das Einfrieren afghanischer Guthaben sicher nicht zu den vertrauensfördernden Maßnahmen. Alle diese Länder werden sich China und Russland zuwenden, denn diese beiden haben über Jahrzehnte bewiesen, dass sie sich punktgenau an Verträge halten.

Das ehemalige Pfund der USA existiert nicht mehr. Nämlich überlegene Produkte. Realistisch betrachtet gibt es kein Land, das irgendetwas benötigte, das es nur in den USA gibt. Und nein, nicht einmal mehr Computer, denn die werden nicht mehr in Amerika hergestellt. Autos schon gar nicht. Auch sogenannte US-Software wird in allen möglichen Teilen der Welt entwickelt, viel in Indien, und nur unter amerikanischem Namen verkauft. So wie vermeintliche US-Textilien, die sonst wo produziert werden, um dann unter US-Namen den Gewinn daraus in die USA zu leiten. Donald Trump hat das erkannt und versucht, das zurückzuführen. Ohne ihn sind die USA jetzt richtig auf dem absteigenden Ast.

Wenn ihr Militär versagt hat, benutzen die USA die Finanzwaffe

Deutschland hat in Afghanistan immer noch einen guten Ruf. Das haben jetzt auch die Taliban bestärkt und das liegt wohl auch daran, wie die Bundeswehr in ihrem Bereich aufgetreten ist und was sie vor Ort geleistet hat. So gesehen ist es nicht falsch, den deutschen Ruf mit Millionenhilfen zu festigen. Zumal die Taliban nicht so naiv sind zu erwarten, dass Deutschland bezüglich der beschlagnahmten Milliarden irgendetwas ausrichten könnte bei den Amerikanern. Aber ist es nicht seltsam, wenn Deutschland gleichsam dem amerikanischen Geldraub in den Rücken fällt, indem es Geld an Afghanistan verschenkt? Oder dient das dem Zweck, einen deutschen Fuß im großen Rohstoffhandel mit Afghanistan zu behalten? Im Sinne der Offenbarung des Herrn Köhler?

So oder so, es zeigt wieder einmal, dass die USA selbst nach einer derart schmählichen Niederlage nicht bereit sind, sich an Völkerrecht und internationale Gepflogenheiten zu halten. Wenn ihr Militär versagt hat, benutzen sie weiterhin die Finanzwaffe. Das ist zwar umgekehrt als bei ihnen üblich, denn der „normale“ Ablauf ist: Versagt die Finanzwaffe, kommen die Bomben. Die Finanzwaffe hat aber ihre Schlagkraft stark eingebüßt. China und Russland bauen seit Jahren an Systemen, die nicht nur ihren Handel vom US-Dollar unabhängig machen. Was braucht also Afghanistan US-Dollar, um mit China oder Russland Handel zu treiben?

Wie es weitergeht im Land, sollen die Afghanen selbst entscheiden

Ich stehe der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan positiv gegenüber. Das Wichtigste ist geschafft: Die fremden Truppen haben das Land verlassen. Jetzt müssen die Afghanen untereinander auskaspern, wie sie in Zukunft leben wollen. Das große Pfund der Taliban ist dabei, dass für die meisten Afghanen alles besser ist, als weiterhin Krieg im Land zu haben. So haben die USA den Taliban die besten Startbedingungen hinterlassen, die sie vor 20 Jahren so noch nicht hatten. Es bleibt jetzt einfach abzuwarten, inwieweit die Taliban gereift sind und aus Erfahrung gelernt haben. Leider gibt es immer untergemischte Fanatiker, die oft auch persönliche Fehden austragen und Menschen misshandeln und umbringen. Man darf aber davon ausgehen, dass sie nicht ganze Hochzeitsgesellschaften auslöschen werden, wie es die USA getan haben.

In Afghanistan herrscht ein unbändiger Hunger nach Frieden und Sicherheit. Unter welchen Bedingungen das sein wird, ist da eher nebensächlich. Lasst also dieses seit Jahrhunderten geschundene Land endlich in Ruhe und seinen eigenen Weg finden. Deutschland darf sich da gern einbringen, aber bitte nicht mit erhobenem Zeigefinger. Gebt Hilfe, wenn sie gewünscht ist. Gebt von mir aus auch Geld, wenn es sinnvoll eingesetzt werden kann. Helft Afghanistan, wieder über seine Auslandsguthaben verfügen zu können. Auf keinen Fall darf es zugelassen werden, dass Afghanistan jetzt mit irgendwelchen Embargos oder Sanktionen gequält wird. Vergesst nicht, China steht schon bereit. Ob afghanische Frauen Schleier tragen müssen? Darüber müssen sie selbst entscheiden! 

 

 

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