Katastrophen und die verlogenen Betroffenheitserklärungen
Von Peter Haisenko
Man kann sicher sein, dass auf jede Katastrophe alle Politiker Betroffenheitserklärungen abgeben. Ich bin mit meinen Gedanken als erstes bei den Opfern, den Hinterbliebenen und wer sonst noch alles bedacht werden muss. Das sind opportunistische Lügen.
Wann immer eine Katastrophe geschieht, ein Amoklauf oder andere schlimme Ereignisse von öffentlichem Interesse, stellt jeder Politiker seinen Ansagen dazu eine Erklärung voran, die seine Menschlichkeit betonen soll. Mein Mitgefühl ist bei …. wem auch immer. Meine Gedanken sind … bei wem auch immer. Wer eben gerade betroffen ist. Das sind nicht einfach leere Worthülsen von empathiefreien Machtmenschen, es sind glatte Lügen. Die Gedanken dieser sind von ganz anderen Überlegungen besetzt. Da geht es in erster Linie um ihre Karriere, ihr politisches Überleben.
Der erste Gedanke eines Politiker angesichts einer Katastrophe gilt der Frage, ob oder inwieweit dieses Ereignis seiner Stellung schaden oder sogar nutzen kann. Dann folgt die Überlegung, in welchem Ausmaß man sich dazu überhaupt äußern sollte und in welcher Weise. Gut, mit Betroffenheit und Mitgefühl ist man immer auf der sicheren Seite. Da ist keine Verpflichtung dabei und man kann sich als mitfühlender Mensch präsentieren. Als dritte Überlegung, die die Gedanken beherrscht, kommt die Frage, inwieweit mit diesem Ereignis Vorwürfe aufkommen könnten, bezüglich persönlichen Versagens oder gar schuldhaften Verhaltens. Wie wird man damit umgehen, wenn denn solche Vorwürfe kommen? Reicht das übliche Verfahren aus, auf seine großartigen Erfolge im Kampf gegen genau dieses Problem hinzuweisen oder sollte man lieber darauf hinweisen, was man nicht schon alles für die Zukunft angeleiert hat, um solche Ereignisse unwahrscheinlicher zu machen? Es geht nur ums eigene politische Überleben.
Mitleidsbekundungen aus politischem Kalkül
Die nächste Überlegung ist dann, ob man mit diesem Ereignis dem politischen Gegner Schaden zufügen kann. Wen kann man dafür an den Pranger stellen? Dann gehören die Gedanken dem Themenkomplex der Schadensminimierung, wenn sich die Dinge ungünstig entwickeln sollten. Kann man dem politischen Gegner Populismus vorwerfen und so von unglücklicher Verteidigungsstrategie auf Angriff umschalten? Und über allem steht die Überlegung, wie man den Schaden minimieren kann, wenn substanzielle Versäumnisse nicht mehr wegdiskutiert werden können. Reicht es aus, Gras über die Sache wachsen zu lassen? Und frühestens jetzt, nach all den Gedanken, die ausschließlich der eigenen Karriere gewidmet sind, kommt vielleicht tatsächlich ein kurzer Gedanke an das Leid der Opfer. Aber ich glaube nicht einmal dann.
Ganz am Anfang aller Gedanken steht auch die Analyse, um welche Art von Katastrophe es sich handelt. Bei Naturkatastrophen ist das einfach. Komplizierter wird es da schon bei politisch motivierten Anschlägen. Können diese ins „rechte Lager“ eingeordnet werden, dann ist ohne weitere Überlegung größte Anteilnahme und Betroffenheit angesagt. Da kann man keinen Fehler machen und nur punkten, wenn man am besten gleich vor Ort erscheint und große Reden hält. Inklusive der zyklischen, spätestens jährlichen, Gedenkerinnerungen mit großem Tamtam. Handelt es sich aber um die Tat eines Zugewanderten, gar eines Islamisten oder der linken Szene und der Antifa, wird es schwieriger. Da steht die Frage im Vordergrund, wie man das so schnell wie möglich dem Vergessen überlassen kann und wie man davon ablenken kann, wer dafür verantwortlich sein könnte. Weil der oder die Täter nur ins Land kommen konnten oder zu wenig kontrolliert wurden, wegen der eigenen Handlungen und politischen Richtung.
Der Grad der Betroffenheit richtet sich nach der ideologischen Herkunft der Täter
Werfen wir einen kurzen Blick auf den unterschiedlichen Umgang mit Ereignissen, die mit Tätern aus unterschiedlichen Richtungen in Zusammenhang stehen. Beispielsweise das Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt des Anis Amri und der Anschlag auf die Synagoge in Halle, wofür ein rechtsradikaler Täter verantwortlich ist. Obwohl die Kanzlerin auch zum Weihnachtsmarkt-Massaker ihre leere Sprechblase verlauten ließ, ihre Gedanken wären bei den Opfern und ihren Angehörigen, hat sie es nicht für nötig erachtet, sich ernsthaft um ebendiese zu kümmern. Weder Bundespräsident noch Kanzlerin sind auf die Idee gekommen, mit einer Gedenkstunde an den Jahrestagen daran zu erinnern und ihre Betroffenheit zu bekräftigen. Ganz anders wird der Anschlag auf die Synagoge in Halle behandelt. Jedes Jahr wird groß daran erinnert und selbstverständlich bekunden Kanzlerin und Bundespräsident ihre Solidarität mit den jüdischen Mitbürgern. Das ist nicht nur ungefährlich für die Karriere, sondern dient auch dazu, immerfort die „Gefahr von Rechts“ überhöht darzustellen. Jedenfalls im Verhältnis zu den Anschlägen aus den Reihen der Antifa und den Morden islamischer Migranten. Ja, die Gefahr kommt von Rechts, ist die Botschaft.
Ziemlich aktuell sind noch die Messermorde von Würzburg. Natürlich haben die großen Honoratioren ihr Mitgefühl und ihre Betroffenheit geäußert, aber das war’s dann auch. Für eine persönliche Anreise hatte der Terminkalender keinen Platz mehr. Wie schnell wurde der Mantel des Schweigens darüber ausgebreitet und ich gehe jede Wette ein, dass es keine Erinnerungsveranstaltungen geben wird an den folgenden Jahrestagen der Bluttat. Während der Attentäter in Halle selbstverständlich schuldfähig ist und hart bestraft wird, wird dem migrantischen Täter in Würzburg im Eiltempo Schuldunfähigkeit attestiert und er wird nicht bestraft, sondern in die Psychiatrie eingewiesen. Wie lange er dort verbleiben muss, steht in den Sternen. Jedenfalls hat bis jetzt kein Gericht darüber befunden und wenn doch, ist es nicht publiziert worden. Können da die Mitgefühls- und Betroffenheitserklärungen von Merkel & Co. irgendwie ehrlich sein?
Politisch korrekte Sprechblasen um die Gunst der Wähler
Darf es überhaupt selektive Abstufungen an Betroffenheit geben, wenn es um den unnötigen Verlust von Menschenleben geht? Können es mehr als leere Sprechblasen sein, wenn Mitgefühl für Ereignisse geheuchelt wird, die irgendwo fernab geschehen sind und uns eigentlich nicht wirklich etwas angehen? Wenn Betroffenheit verkündet wird für einige Opfer von Katastrophen irgendwo, aber kein Wort darüber verloren wird, wenn unser Verbündeter und Hegemon USA Hunderttausende mit Bomben und Drohnen in den Tod schickt? Kann es mehr als politisches Kalkül sein, wenn sich Merkel & Co. für das Wohlergehen von Chodorchowsky oder Navalny einsetzen, aber das seit Jahren anhaltende Foltergefängnis von Julian Assange einfach ignorieren? Oder das der Insassen von Guantanamo? Angesichts dieser selektiven Behandlung nicht einmal gleichwertiger Vorgänge können sämtliche Äußerungen von Politikern an Betroffenheit und Mitgefühl nur gelogen, politisch motiviert sein.
Ich kann es unseren prominenten Politikern einfach nicht glauben, ihre Gedanken wären in erster Linie bei den Opfern und deren Angehörigen. Diese Ansagen gehören in die Kategorie der politisch korrekten Sprechblasen, die in den seltensten Fällen wirklich der Gemütsverfassung entsprechen. Sie sind ähnlich einzuordnen wie das „Framing“, das betrieben wird im Umgang mit unliebsamen Regierungen. Mit den Pflichtadjektiven aggressiv, undemokratisch, autokratisch oder eben der Bezeichnung „Regime“ für eine demokratisch gewählte Regierung.
Kein Politiker, der seine Karriere nicht ruinieren will, kann seine ehrliche Meinung sagen. Und rutscht ihm diese mal raus, muss er sich sofort entschuldigen und korrigieren. Aber mit geheuchelten Mitgefühls- und Betroffenheitserklärungen ist man immer auf der sicheren Seite. Da kann man sich nur als guter Mensch präsentieren, der als Politiker nur das Wohl seiner Wähler anstrebt und selbstverständlich genau dafür „hart arbeitet“. Das aber hat nicht mehr Wert, als wenn die Kanzlerin sagt, sie mache sich Sorgen um irgendetwas. Das Einzige, worum sich unsere Politdarsteller Sorgen und Gedanken machen, ist ihre Karriere, ihr Machterhalt und der ungestörte Zugang zu den Fleischtöpfen des Machtapparats.
Dumm nur, wenn man vergisst, dass Fernsehkameras auch den Hintergrund einer Szene einfangen. So wie es Armin Laschet kürzlich bei seinem Besuch im Katastrophengebiet in NRW passiert ist. Während der Bundespräsident im Vordergrund bewegende Worte der Anteilnahme verkündet, halten er und der zuständige Landrat im Hintergrund ein munteres Schwätzchen, bei dem offensichtlich ein deftiger Witz erzählt wird. Der Ministerpräsident jedenfalls lacht sich scheckig, ehe er dann mit sorgenvoller Miene ans Mikrofon tritt, um den mitfühlenden und zutiefst betroffenen Landesvater zu geben. Ein Paradebeispiel an verlogener Schauspielkunst.