Das Desaster der Energieversorgung (Teil 3): Ohne den Atomstrom unserer Nachbarn gehen bei uns die Lichter aus
Von Hubert von Brunn
Wenn es nach der EU-Kommission geht, bekommt Atomstrom ein grünes Ökosiegel, um die Finanzierung neuer Atomkraftprojekte zu erleichtern. Atomkraft wird als nachhaltige und klimafreundliche Energietechnologie eingestuft. Ein herber Schlag für die grünen Weltverbesserer in Deutschland.
Bei der Vorbereitung dieser Entscheidung der EU-Kommission haben offensichtlich tatsächlich einmal Leute mitgewirkt, deren Gehirnwindungen noch nicht durch grüne Ideologie verstopft sind – und die rechnen können. Laut einer Analyse der Kommission müssten nämlich ohne sofortige Investitionen etwa 90 Prozent der bestehenden Reaktoren um 2030 heruntergefahren werden. Ausgerechnet dann, wenn sie aus Klimaschutzgründen am dringlichsten gebraucht würden, weil in Deutschland und anderen EU-Staaten die Kohlekraftwerke stillgelegt werden sollen.
Um die Laufzeiten zu verlängern seien kurzfristig 45 bis 50 Mrd. Euro notwendig. Um 2050 etwa die gleiche Kapazität zur Atomstromerzeugung zu haben wie heute, werde mit Investitionen von rd. 400 Mrd. Euro kalkuliert. Das ist eine Menge Geld, das ohne private Investoren kaum aufzutreiben sein wird. Deshalb soll neben dem Atomstrom auch Erdgas in die Taxonomie (Klassifikationsschema) aufgenommen werden. Die EU-Taxonomie soll einen europäischen Standard dafür schaffen, wann eine Investition in eine Wirtschaftstätigkeit als nachhaltig gilt. Im Sinne des Europäischen „Grünen Deals“ will die EU-Kommission Investoren dazu anhalten, in nachhaltige, umwelt- und klimafreundliche Technologien und Projekte zu investieren. Diese Präferenz gilt zunächst für Investitionen in Atomenergie-Projekte bis 2045.
Habecks grüne Blütenträume sind pure Augenwischerei
Diese Ansage bringt bei Baerbock/Habeck & Co. das Blut in Wallung. Atomenergie ist doch Teufelswerk. Ist man nicht sogar bei Anti-Atomkraft-Demos auf die Straße gegangen? Sollte das alles umsonst gewesen sein? – Nein, natürlich nicht. Nicht in Deutschland. Hier sind zum Jahreswechsel ja bereits drei AKW abgeschaltet worden und zum Ende dieses Jahres werden die letzten drei vom Netz gehen. Dann sind wir als erste Industrienation den Welt Atomstrom-frei. Zumindest was die Produktion anlangt, ganz bestimmt nicht beim Verbrauch. Denn der Energiebedarf wird in den nächsten Jahren nicht weniger werden, sondern erheblich steigen. Man denke nur an die von der Regierung massiv gepuschte Zunahme von E-Autos. Wenn man nicht will, dass die Leute wieder auf Diesel oder Benzin umsteigen, dann muss man für die notwendige Bereitstellung von Ladestationen sorgen. Jährlich sollen 100.000 neue Anlagen dazukommen, hat Herr Habeck vor wenigen Tagen vollmundig verkündet. Ganz zu schweigen von dem Energiebedarf in der Industrie.
Weiter schwadroniert unser Superminister davon, dass der Anteil von Strom aus erneuerbarer Energie bis 2030 von 42 % auf 80 % steigen soll. Dazu sollen bundesweit 2 % der Fläche für Windräder reserviert werden. Das ist reines Wunschdenken und pure Augenwischerei, um dem Volk vorzugaukeln, Sonne und Wind könnten dann das ersetzen, was durch die Stilllegung der Atom- und Kohlekraftwerke verloren gegangen ist. Tatsache ist, dass in den letzten Jahren nur ganz wenige Windkraftanlagen genehmigt und noch weniger in Betrieb genommen wurden. Das liegt zum einen daran, dass sich durch die überbordende Bürokratie Planungs- und Genehmigungsverfahren über 15 bis 20 Jahre hinziehen, zum andern weil nach der Genehmigung eines Standortes für ein Windrad sofort Bürgerinitiativen aktiv werden, die das unter allen Umständen verhindern wollen. Gleiches gilt für die Ausweisung für den Verlauf von Stromtrassen. Gemäß dem St.-Florians-Prinzip stehen dann sofort Hunderte von Bürger auf der Matte und sind dagegen. Zumeist sind diese Verhinderer grundsätzlich durchaus für den Ausbau erneuerbarer Energien – aber bitte nicht vor unserer Haustür oder auf unserem Acker. Das ist die Realität, doch sich mit derselben auseinanderzusetzen, gehört definitiv nicht zu den Kernkompetenzen grüner Utopisten.
Den überhasteten Atom-Ausstieg haben wir der Raute zu verdanken
Wenn man also eine störungsfreie Energieversorgung aufrechterhalten will, bleibt gar nichts anders übrig, als Atomstrom aus Frankreich, Belgien, Polen Tschechien etc. teuer einzukaufen – vielfach produziert in veralteten Anlagen, deren Sicherheitsstandards nicht im Entferntesten denen der bei uns abgeschalteten AKW entsprechen. So viel zum wirtschaftlichen Verständnis der grünen Ideologen. In jedem Falle hätte man bei der Organisation des Energiewandels unbedingt die richtige Reihenfolge einhalten müssen: Zuerst die Kohlekraftwerke, die den höchsten CO2-Ausstoß verursachen; die Atomkraftwerke bleiben am Netz und sorgen so lange für eine sichere Energieversorgung, bis eine leistungsfähige Infrastruktur der Erneuerbaren verfügbar ist. Die einzig vernünftige Vorgehensweise – vorausgesetzt, man lässt den gesunden Menschenverstand walten.
Allerdings – das muss fairerweise gesagt werden – sind die Grünen für den völlig überhasteten und undurchdachten Ausstieg aus der Atomenergie nicht verantwortlich. Das haben wir der Genialität der soeben von der Bildfläche verschwundenen Raute zu verdanken. Sie war es, die nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 in ihrer unvergleichlichen Art, eigenmächtig hirnrissige Entscheidungen zu treffen, das Ende der Atomenergie in Deutschland eingeläutet hat.
Welch ein Akt hingebungsvoller Fürsorgepflicht für die Untertanen. Liegt Deutschland in der Mitte Europas doch in einem hoch gefährlichen Erdbebengebiet, ganz zu schweigen von den Tsunamis, die regelmäßig über uns hereinbrechen. Ja, sie hat es bestimmt und keiner hat ihr widersprochen. Ähnlicher Irrsinn vier Jahre später mit ihrem abstrusen „Wir schaffen das“ zur Flüchtlingskrise. Die grünen Weltverbesserer haben das alles aus der Opposition heraus eifrig beklatscht. Jetzt sind sie in der Regierung, müssen Verantwortung übernehmen, müssen ihre Anti-Atom-Haltung gegenüber der EU rechtfertigen. Auf ihrer Seite nur Österreich, Luxemburg, Dänemark und Portugal. Die starke Gruppe der Befürworter des Öko-Labels für Atomenergie wird von Frankreich angeführt, das in über 50 Atomkraftwerken mehr als 79 % seines Stroms erzeugt. Weitere neue Anlagen sind in Planung. Dort werden die Lichter jedenfalls nicht ausgehen.
Klage gegen die EU-Kommission: Aussichtsloses Unterfangen der Grünen
Rückendeckung bekommen Barbock/Habeck & Co. von den Europäischen Grünen, die jetzt prüfen, ob sie Klage gegen das Vorhaben der EU-Kommission führen wollen. Das dürfte ziemlich illusorisch sein. Die Mehrheitsverhältnisse sprechen eindeutig gegen sie. Um den EU-Plan noch zu stoppen, müssten 20 der 27 Mitgliedsstaaten oder eine absolute Mehrheit des EU-Parlaments dagegen stimmen. Das wird wohl nicht passieren. Jetzt haben die Grünen ein Problem, wie sie diese Niederlage ihrem Klientel erklären wollen, denn im Wahlkampf haben sie ja noch große Töne gespuckt.
Wären sie nur mal früher aufgewacht, denn auch vor der Ampel haben sie in einigen Landesparlamenten mitregiert. Dort hätten sie erheblichen Druck ausüben müssen, dass es mit dem Ausbau der erneuerbaren Energie vorangeht. Denn angesichts des Wenigen, das diesbezüglich geschaffen wurde, und im Hinblick auf die endlosen Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen und Hochspannungsleitungen wird die erneuerbare Energie noch sehr lange nicht in der Lage sein, eine sichere Energieversorgung zu garantieren. Wenn dann die Ampel ihre Drohung wahr macht und 2030 (entgegen der ursprünglichen Planung 2038) auch noch die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, dann haben wir ein massives Energieproblem.
In der „grünen“ Energie-Planung der EU soll, wie oben bereits erwähnt, auch Erdgas in die Taxonomie aufgenommen werden. Zumindest als Übergangstechnologie, wie es heißt. Das klingt zunächst einmal vernünftig. Gleichzeitig marschieren etliche EU-Staaten – allen voran natürlich unsere polnischen Freunde – im Gleichschritt mit den deutschen Grünen – allen voran unsere von überragender Intelligenz gesegnete Außenministerin – und wollen die Inbetriebnahme von Nord-Stream 2 unbedingt verhindern. Auch hier geht die Argumentation der Gegner völlig an der Realität vorbei. Seit Jahrzehnten beziehen wir Erdgas aus Russland, zuverlässig und störungsfrei. Wäre diese zweite Ostsee-Pipeline am Netz, hätten wir heute keine Gasknappheit und die Verbraucher würden nicht durch exorbitant gestiegene Gaspreise belastet.
Deutschland dürfe sich nicht von Russland abhängig machen, heißt es da immer wieder und die Amis stoßen natürlich in das gleiche Horn, weil sie ihr teures Fracking-Gas bei uns verscherbeln wollen. Nein, nein, die Abhängigkeiten werden wir von ganz anderer Seite erfahren, nämlich von den Europäern, von denen wir demnächst Atomstrom einkaufen müssen. Wenn es dann in der EU zu Meinungsverschiedenheiten kommt – und die wird es immer geben –, kann die Energieversorgung, die wir aus eigener Kraft nicht mehr leisten können, als wirkungsvolles Druckmittel eingesetzt werden, um Deutschland zu Eingeständnissen zu bewegen. Dann wird es vorbei sein mit Deutschland als politisch und wirtschaftlich stärkster Nation in Europa. Dann gehen endlich die Träume der links-grünen Ideologen in Erfüllung.
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Das Desaster der Energieversorgung (Teil 1): Windige Strom- und Gas- Anbieter bereichern sich auf Kosten ihrer Kunden
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https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20221/das-desaster-der-energieversorgung-teil-2-spekulanten-sorgen-kuenstlich-fuer-mangel-und-treiben-die-preise-in-die-hoehe/