Führt Russland einen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine?
Von Peter Haisenko
Russland sagt, es führe eine Befreiungsoperation für die russischsprachigen Einwohner der Ostukraine durch. Der Westen bezeichnet das als Vernichtungskrieg. Was stimmt also? Gerade wir Deutschen sollten gelernt haben, zwischen diesen Arten von Kriegen zu unterscheiden.
Nach offizieller Lesart ist Deutschland von den Westalliierten befreit worden. Russland bleibt bei dieser Betrachtung eher außen vor und wir werden sehen, warum das wohl richtig sein muss. Die Westalliierten haben also einen Befreiungskrieg gegen Hitler-Deutschland, gegen die Wehrmacht, geführt. Schließen wir uns dieser Definition an, können wir anhand des Ablaufs des Zweiten Weltkriegs eine genaue Beschreibung dessen erstellen, welche Aktionen einen Krieg zu einem Befreiungskrieg machen. Anschließend wird es ein Leichtes sein, die russische Operation in der Ukraine richtig einzuordnen.
1943 haben Churchill und Roosevelt in Casablanca verkündet, nur die bedingungslose Kapitulation Deutschlands kann als Kriegsausgang akzeptiert werden. Das war also die Definition, wie ein Befreiungskrieg durchgeführt wird. Es folgte die Fortführung der systematischen Zerstörung deutscher Städte während der nächsten zwei Jahre. Mit dem 8. Mai 1945 war dann die Befreiung Deutschlands vollzogen und unzählige Städte lagen nur noch in Schutt und Asche. Deutschland war besetzt und während der folgenden vier Jahre sind weitere mehr als 13,4 Millionen Deutsche verhungert, verdorben und ermordet worden. Insbesondere Polen, Tschechen und Jugoslawen haben sich darin hervorgetan, indem sie für mehr als sechs Millionen davon in ihren Ländern gesorgt haben.
Was macht einen „Befreiungskrieg“ aus?
Die Alliierten wiederum haben diesem Morden Vorschub geleistet, nicht nur mit der kriegsrechtswidrigen Behandlung der deutschen Kriegsgefangenen. Sie haben auf der Konferenz in Potsdam die „Reinigung“ der ehemaligen deutschen Ostgebiete vom deutschen Element beschlossen, also die Vertreibung Deutscher aus ihrer Heimat. Ob sie es nun vergessen haben oder absichtlich nicht aufgenommen, war jeglicher Schutz für die zu vertreibenden Deutschen Zivilisten nicht vorgesehen. Sechs Millionen tote deutsche Zivilisten waren allein dadurch die Folge. Deutschland ist seither ein besetztes Land. Allerdings ein befreites besetztes Land.
Ein ähnliches Bild für einen Befreiungskrieg kann man erhalten, wenn man die Kriege der USA gegen Irak, Syrien oder Libyen analysiert. Auch Korea und Vietnam sollten befreit werden, nach derselben Methode.
So fasse ich zusammen, welche Voraussetzungen ein Befreiungskrieg braucht, um als solcher gelten zu dürfen. Man verlangt die bedingungslose Kapitulation. Man zerstört die Städte in den Ländern, die befreit werden sollen, mit andauernden Flächenbombardements und bringt so vorsätzlich Millionen Zivilisten um. Churchill wollte sie „braten“. Anschließend besetzt man das Land, verursacht den Tod von weiteren Millionen Zivilisten und hält das Land besetzt so lange man will. Dann startet man eine Umerziehungskampagne, die in den Köpfen der Befreiten verankert, dass sie befreit worden sind.
Nach dieser Definition wird erkennbar, warum die Sowjetunion nicht als vollwertiger Befreier gefeiert werden kann. Sie hat nicht die bedingungslose Kapitulation zur Maxime erklärt und auch keine deutschen Städte mit Flächenbombardements überzogen. Auch hat sie nach Kriegsende nicht Millionen Kriegsgefangene einfach in Lagern auf Wiesen unter freiem Himmel ohne Wasser und Nahrung verrecken lassen. Nein, so handeln Befreier nicht.
Auf Flächenbombardements der Städte hat Russland verzichtet
Nun, da wir festgestellt haben, was einen Befreiungskrieg ausmacht, können wir uns der russischen Operation in der Ukraine zuwenden und sie richtig einordnen. Russland behauptet, es würde die russischsprachigen Ostprovinzen der Ukraine befreien. Das kann so nicht stimmen, denn im Gegensatz zum Befreiungskrieg der Alliierten für Deutschland ist der Kreml zumindest von einigen Millionen Ostukrainern um Hilfe gebeten worden, das interne Morden durch die ukrainische Armee zu beenden. Weiterhin kann nicht beobachtet werden, dass die russische Armee die Städte mit Flächenbombardements dem Erdboden gleich macht, die sie angeblich befreien will. Nicht einmal Kiew wird bombardiert, nur militärische Objekte außerhalb der Stadt.
Zudem hat sich Russland von Beginn der Operation zu Verhandlungen bereit erklärt, mit der einzigen Bedingung, die ukrainische Armee müsse ihre Waffen niederlegen. Auch das passt nicht zu der Definition, die Deutschland über das Wesen eines Befreiungskriegs lernen musste. Auch die Tatsache, dass Russland in den angeblich befreiten Gebieten sofort mit Hilfslieferungen an Lebensmitteln und Instandsetzung zerstörter Infrastruktur begonnen hat, widerspricht dem, wie die Befreier Deutschlands vorgegangen sind.
So kann ich nicht anders als festzustellen, dass die russische Operation keinesfalls ein Befreiungskrieg sein kann. Nichts von dem, was die befreiten Deutschen erleben durften, ist in der Ukraine zu beobachten. Oder was die Menschen im Irak, Syrien oder Libyen für ihre Befreiung hinnehmen mussten. Was bleibt also übrig? Der Westen kann nur Recht haben: Es kann sich nur um einen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine handeln. Oder sollte ich da etwas ganz falsch verstanden haben, als korrekt Umerzogener im Sinn der US-Besatzer? – Pardon, natürlich muss es Befreier heißen.
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Zum Verständnis, wie sich Befreier nach der Befreiung zu verhalten haben, damit es das gute Ende eines Befreiungskriegs sein kann, füge ich den Bericht eines der Soldaten an, die zur Befreiungsarmee gehörten. Diesen Bericht und mehr finden Sie in meinem Werk „England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert“. Sie können es direkt beim Verlag hier bestellen oder in Ihrem Buchhandel erwerben.
Hier klicken für den Download der PDF-Datei mit dem Bericht auf Deutsch und im englischen Original