------------------------------------

---------------------------------------

-------------------------------------

-------------------------------------

Gute Referenden, böse Referenden und die regelbasierte Ordnung der USA

Von Peter Haisenko 

Die Mitglieder der UNO haben sich bei der Gründung auf ein Regelwerk geeinigt, das Völkerrecht, das vorsieht, dass alle Mitglieder gleichberechtigt miteinander umgehen können. Einige sind aber „gleicher“ und die dürfen UN-Beschlüsse verhindern. Das hat den USA auf Dauer nicht ausgereicht und so haben sie ihre „regelbasierte Ordnung“ zu ihrem Vorteil erfunden. Die ist aber nicht im Einklang mit dem Völkerrecht, das in den UN-Regeln festgelegt worden ist.

Auch die USA haben sich verpflichtet, das UN-Völkerrecht einzuhalten. Wir wissen heute, dass sie diese Verpflichtung als lästige Lappalie ansehen und nur darauf drängen, dass sich alle anderen daran halten. Um ihrem eigenen Verhalten eine Scheinlegalität zu geben, haben sie die „regelbasierte Ordnung“ erfunden, deren „Regeln“ ausschließlich von ihnen selbst bestimmt werden. Die aber werden andauernd nach Belieben geändert, so, wie es den Imperialisten in Washington gerade zu Pass kommt. „Verstößt“ jemand gegen diese willkürlichen „Regeln“, schreien sie Zeter und Mordio, obwohl diese „Regeln“ nichts mit dem Völkerrecht gemein haben, zu deren Einhaltung sie sich dereinst verpflichtet haben. Ihr Verhalten ist in etwa so, wie das eines Mafia-Bosses, der zwar für sich den Schutz des Gesetzes einfordert, wenn es für ihn von Vorteil ist, sich selbst aber über diese Gesetze stellt, wenn sie für ihn lästig sind.

Die Gewalthistorie der USA

Das Konstrukt USA ist aufgebaut auf Eroberung, Gewalt, Mord, Völkermord und Krieg, Hinterlist und Betrug. Das Rechtssystem und das allgemeine Bewusstsein tragen immer noch die Merkmale der Allmacht der Dorfpolizisten. Alaska wurde gekauft und niemand hat die Bevölkerung gefragt, ob sie das will. Die südlichen Bundesstaaten sind mit Gewalt von Mexiko abgetrotzt worden. Seit mehr als 200 Jahren führen die USA unablässig Kriege, die aber mit einer Ausnahme nie das eigene Territorium berührt haben, Diese Ausnahme ist der Krieg gegen die Südstaaten, der die gewaltsame Annexion für immer fixiert hat. Das ist also das Land, das sich anmaßt, über Regeln bestimmen zu wollen, die für den Rest der Welt gelten sollen. Das Land, dass sich gefahrlos in alle Kriege einmischen konnte, weil ihr eigenes Land auf der großen Insel zwischen Pazifik und Atlantik nie durch diese Kriege direkt betroffen war. Die Kriegsproduktion konnte immer ungestört laufen und ohne diese funktioniert die US-Wirtschaft nicht.

Die regelbasierte Ordnung der USA trieft nur so von lauter Doppelmoral. Nehmen wir dazu einige Beispiele von Referenden, die zu Sezessionen geführt haben. Und nein, ich werde hier nicht tiefer auf den Kosovo eingehen, denn dort gab es kein Referendum und dieser Vorgang ist reiflich bekannt. Ich stelle vielmehr einige Referenden vor, die im Geschichtsbewusstsein kaum vorhanden sind. Es sind dies Referenden, die vom Wertewesten nicht nur anerkannt, sondern sogar unterstützt und bejubelt wurden.

Die Auflösung der UdSSR:

- Am 28. Juli 1989 erklärte der Oberste Sowjet Lettlands seine Souveränität; am 3. März 1991 fand eine "Wahlbefragung über die Unabhängigkeit" statt (88 % Zustimmung), deren Ergebnisse jedoch irrelevant sein sollten.

- Am 11. März 1990 erklärte der Oberste Rat Litauens seine Souveränität, und am 9. Februar 1991 fand eine Abstimmung über die Unabhängigkeit in Form einer Volksbefragung statt (90 % Ja-Stimmen), deren Ergebnis das Parlament entgegen der internationalen Rechtspraxis als Referendum anerkannte.

- Am 30. März 1990 erklärte der Hohe Rat Estlands seine Souveränität, und am 3. März 1991 wurde über die Unabhängigkeit abgestimmt (78 % Ja-Stimmen), wobei nur "Rechtsnachfolger" (Personen, die vor 1940 die estnische Staatsbürgerschaft besaßen, und deren Nachkommen) und Personen mit "grünen Karten" (die den Befürwortern der Unabhängigkeit verliehen wurden) abstimmen konnten.

- Im Rahmen der "Parade der Souveränität" wurden in anderen Republiken Referenden über die Unabhängigkeit abgehalten, da die Verfassung der UdSSR verletzt und die Ergebnisse des gesamtrussischen Referendums vom 17. März 1991 ignoriert wurden. (76 % sprachen sich für die Beibehaltung der UdSSR als erneuerte Föderation souveräner und gleichberechtigter Republiken aus.)

- Das Gesetz der UdSSR über das Verfahren zur Entscheidung von Fragen im Zusammenhang mit der Abspaltung von Republiken sah vor, dass die Teilrepubliken das Recht hatten, selbst zu entscheiden, ob sie in der UdSSR bleiben wollten. Bei einem Referendum in Georgien (60 % für die Unabhängigkeit) wurde dieses Erfordernis jedoch nicht beachtet. Abchasien und Südossetien hielten 1999 Referenden ab (97,5 % für die Unabhängigkeit von Georgien), Südossetien 1992 und 2006 (beide Male 99,9 % für die Unabhängigkeit), und Russland erkannte die Unabhängigkeit beider Länder 2008 an.

Alle diese Referenden standen nicht in Einklang mit der Verfassung der UdSSR.

Ich stelle folglich fest: Der Kreml in Moskau hat stets die Ergebnisse von Referenden anerkannt, auch wenn deren Entstehung unter zweifelhaften Umständen stand und seinen Interessen zuwider lief. Die USA, der Wertewesten, hat sie ebenfalls anerkannt, solange sie dem Ziel dienten, das Territorium der ehemaligen Sowjetunion zu verkleinern, zu zerschlagen.

Die Auflösung Jugoslawiens:

- Das slowenische Parlament erklärte am 2. Juli 1990 seine Souveränität, am 23. Dezember 1990 fand ein Referendum über die Unabhängigkeit statt (88,5 % Ja-Stimmen), und am 25. Juni 1991 erklärte Slowenien seine Abspaltung von Jugoslawien.

- Am 19. Mai 1991 hielt Kroatien ein Referendum über die Abspaltung von Jugoslawien ab (90 % Ja-Stimmen); am 15. Juni 1991 verabschiedete das kroatische Parlament eine Resolution zur Abspaltung von Jugoslawien; im Januar 1992 erkannten die EU-Länder die Unabhängigkeit Kroatiens an. Kroatien ist jetzt Mitglied der Europäischen Union und der NATO. 

- Am 8. September 1991 fand in Mazedonien ein Referendum über die Abspaltung von Jugoslawien statt (74 % Zustimmung), und am 17. September 1991 erklärte das Parlament Mazedonien zu einem unabhängigen Staat.

- Am 15. Oktober 1991 verabschiedete das Parlament von Bosnien und Herzegowina ein Memorandum über die Souveränität; zwischen dem 29. Februar und dem 1. März 1992 fand trotz eines Boykotts durch die örtlichen Serben ein Referendum über die Unabhängigkeit statt (63 % Zustimmung).

Die USA, der Wertewesten, waren nicht nur federführend bei der Zerschlagung Jugoslawiens, sie haben die Referenden vorbehaltlos anerkannt. Russland hat sie auch anerkannt, wenn auch zähneknirschend. Warum also sollte Russland jetzt die Referenden in der Ostukraine nicht anerkennen? DAS wäre genau die Doppelmoral, die der Westen traditionell praktiziert.

Der Beitritt von Texas zu den USA:

Obwohl es sich um ein Beispiel aus dem 19. Jahrhundert handelt, will ich nochmals auf Texas hinweisen. Und zwar deswegen, weil der Ablauf so sehr dem gleichkommt, was wir gerade in den ukrainischen Ostprovinzen beobachten können.

Texas gehörte zu Mexiko, bis von den USA unterstützte amerikanische Siedler revoltierten und die Kontrolle über den gesamten Staat übernahmen. Im Jahr 1836 verkündete ein Konvent von "Vertretern des texanischen Volkes" die Trennung von Mexiko. Texas versuchte, sich den USA anzuschließen, aber das Weiße Haus lehnte die Idee ab. Als sich Texas jedoch als unabhängiger Staat etablierte, änderte es seine Meinung und integrierte es 1845 in seinen Staatenverbund, was zu einem Krieg mit Mexiko führte, den die USA gewannen (1846-1848).

Der Westen scheut den Gang vor Gericht

Die Sezession der Krim von der Gewaltherrschaft Kiews und der folgende Beitritt zur russischen Föderation wird vom Westen beharrlich als Annexion bezeichnet. Wenn man aber in Washington oder London von dieser Sichtweise überzeugt wäre, dann hätte man sofort den Weg zum internationalen Gerichtshof in Den Haag beschritten. Hat man aber nicht, weil abzusehen war, dass sich dieses Gericht mit seinem Urteil zum Kosovo selbst einen Präzedenzfall gesetzt hat und so seinem eigenen Urteil kein gegensätzliches entgegenstellen wird. Aber auch ohne das Kosovo-Urteil hätte man in Den Haag nicht anders gekonnt, als die Rechtmäßigkeit dieser Sezession gemäß Völkerrecht anzuerkennen. Vergessen wir nicht: Im Kosovo gab es nicht einmal ein Referendum und der Westen erkennt die Sezession an.

Das ist also die „regelbasierte Ordnung“ der USA, die nicht einmal sich selbst treu bleibt. Die USA wissen, dass sie sich niemals einem internationalen Gericht stellen können, angesichts ihrer unzähligen Angriffskriege gegen Länder, die ihnen nichts angetan haben, außer sich ihren Befehlen zu widersetzen. Sie verstoßen fortlaufend gegen die Regeln des Völkerrechts und um dem den Anschein der Rechtmäßigkeit zu verleihen, haben sie ihre eigene regelbasierte Ordnung erfunden. Unter diesem Mäntelchen erdreisten sie sich, gegen alle Sanktionen zu befehlen, die sich ihnen nicht bedingungslos unterwerfen. Dass das jenseits jeglichen Völkerrechts geschieht, muss nicht weiter ausgeführt werden.

Putin handelt juristisch einwandfrei

Unisono schreit der Westen, man werde die Referenden in der Ostukraine nicht anerkennen. Nach den wenigen Beispielen, die ich hier angeführt habe und die keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben (zum Beispiel fehlt hier Osttimor), kann nicht einmal mehr von Doppelmoral gesprochen werden. Es ist schiere Willkür. Referenden werden „anerkannt“, wenn sie dem Ziel des Machterhalts des US-Imperiums dienen. Wenn aber Menschen für eine Sezession stimmen, weil sie ihr Leben und ihre Kultur retten wollen, endlich in Frieden leben wollen, dann ist das böse und darf nicht anerkannt werden. Der Westen ist dabei derart arrogant, dass er nicht einmal erwägt, das von einem internationalen Gericht bewerten zu lassen. Es reicht, wenn wir, die Guten, das sagen.

Wenn es gegen Russland geht, bedarf es keiner Beweise. Washington sagt, Putin war´s, dann ist das so und nicht anders. Wie bei MH 17. Dieser Fall hat es allerdings bis zu einem niederländischen Gericht geschafft. Der Prozess steht aber seit mehr als einem Jahr still, weil sich die USA weigern, der Anordnung dieses Gerichts Folge zu leisten und ihre angeblichen Beweise vorzulegen. Dabei steht für sie nicht mehr auf dem Spiel, als der Lügen überführt zu werden. Na ja, das wäre nicht das erste mal. Aber solange nicht offiziell geklärt ist, wer für diesen Abschuss wirklich verantwortlich ist, kann man weiterhin behaupten, Putin war´s und die westlichen Monopolmedien applaudieren.

Die Doppelmoral des Wertewestens ist unerträglich. Es kann keine guten oder bösen Referenden geben. Es kann aber gute oder böse regelbasierte Ordnungen geben, denn diese sind reine Willkür. Ganz gleich, wer diese für sich reklamiert. Das Völkerrecht ist geschaffen worden, um genau das zu verhindern: Willkür gegenüber schwächeren. Heute muss man sagen, vermeintlich schwächeren, denn Russland hat seine Muskeln wieder aufgebaut. Zum reinen Selbstschutz und dem der russischstämmigen, wenn diese von Völkermord bedroht sind. Das ist der Fall in der Ostukraine und so hat Russland nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, hier einzuschreiten. Der gelernte Jurist Putin führt den Wertewesten gerade vor, indem er alle seine Aktionen streng nach Völkerrecht durchführt und die regelbasierte Ordnung der USA dorthin verweist, wo sie hingehört: In den Mülleimer der Geschichte.

Zum Abschluss noch ein humoriger Gedanke zu dem, was unsere überqualifizierte Außenministerin zu erzwungenen Grenzen gesagt hat.

Nach oben