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Werden die Wagner-Truppen jetzt Weißrussland schützen?

Von Peter Haisenko 

Die Welt rätselt, was da gerade in Russland passiert ist. Wollte der Wagner-Chef Prigoschin wirklich einen Staatsstreich inszenieren? Welche Rolle hat Lukaschenko gespielt? Oder war das Ganze nur ein Schauspiel, um die Wagner-Truppen an wichtigerer Stelle einsetzen zu können?

Nach der Auflösung der Sowjetunion hat der Westen Weißrussland kaum beachtet. Es gab dort kaum Objekte der Begierde wie Bodenschätze oder strategische Produktionsanlagen. So konnte sich Weißrussland unter Präsident Lukaschenko einigermaßen ungestört entwickeln ohne westliche Einmischung und es ist auch nicht bekannt, dass sich dort Oligarchen etablierten. Das führte dazu, dass Weißrussland bis zum Jahr 2000 den höchsten Lebensstandard aller ehemaligen Sowjetrepubliken vorweisen konnte. Ein Faktor dafür war auch, dass Weißrussland keinen Wert auf ein großes Militär gelegt hat. Im Jahr 2008 war die weißrussische Armee kleiner als die von Österreich oder Belgien.

Mit der NATO-Osterweiterung ist Weißrussland direkter Nachbar zu NATO-Ländern geworden. Seit etlichen Jahren wird nun daran gearbeitet, die Regierung in Minsk zu destabilisieren, um der Russischen Föderation den nächsten direkten Nachbar zu nehmen, auf den sich Moskau verlassen kann. Weißrussland soll auch „ukrainisiert“ werden. Das hat sich aber als schwierig bis unmöglich erwiesen, denn anders als in der Ukraine leiden die Einwohner kaum unter Korruption und sind in großer Mehrheit zufrieden mit ihrer Regierung. Es geht zwar langsam, aber stetig bergauf. Die Wahlergebnisse der letzten 30 Jahre belegen das. Seit eineinhalb Jahren hat sich die Situation drastisch geändert.

Weißrussland ist eingekreist

Die NATO-Staaten Polen, Litauen und Lettland, die direkten Nachbarn, haben Truppen an den Grenzen zu Weißrussland massiv aufgestockt. Noch bedrohlicher zeigt sich die Ukraine, der südliche Nachbar, die nicht nur Grenzübergänge geschlossen hat, sondern auch schon den einen oder anderen Übergriff auf weißrussisches Gebiet unternommen hat. Weißrussland darf sich bedroht fühlen. Auch, weil der Wertewesten sein Ziel nicht mehr verheimlicht, die Regierung mit Präsident Lukaschenko stürzen zu wollen. Jetzt rächt es sich, dass das grundfriedliche Weißrussland seine Armee so vernachlässigt hat. Lukaschenko konnte gar nicht anders, als den Schulterschluss mit Russlands Präsident Putin zu verstärken.

Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass Kiew gerade mal gut hundert Kilometer südlich der Grenze zu Weißrussland liegt. Ich erinnere daran, dass die russische Armee zu Anfang der Sonderoperation einen Vorstoß Richtung Kiew gefahren hat, von Norden aus Russland kommend. Das mit dem Ziel, Kiew davon abzuhalten, seine gesamten Kräfte sofort gen Osten zu schicken. Kiew hat eine offene Nordflanke, die aber erst dann wirklich gefährlich wird, sollte Russland Kiew den Krieg erklären. Oder Kiew Russland. Die Situation um Weißrussland ist unsicher, gefährlich. Für alle Seiten.

Putin will keine russischen Truppen entsenden

Nun hat Putin Lukaschenko seine Unterstützung zugesagt. Für den Fall der Fälle. Es ist aber ein Unterschied, ob Moskau Truppen der Russischen Föderation nach Weißrussland verlegt, oder einer Privatarmee diesen Schutzauftrag überträgt. Eben den Wagner-Truppen. Das müsste die Kreml-Führung aber auch dem eigenen Volk erklären. Wie kann man die erfolgreichen und skrupellosen Soldaten Prigoschins aus der Kampfzone abziehen, wo doch gerade jetzt dort die Gegenoffensive läuft? So musste etwas geschehen, das die Einstellung der Russen zu Prigoschins Privatarmee verändert. Das wurde zumindest teilweise erreicht.

Offiziell war es Lukaschenko, der die „Wagners“ zum Rückzug bewegt hat. Das ging einher mit der Zusage, Prigoschin in Weißrussland straffrei aufzunehmen. Und mit ihm seine Truppe. Spätestens da sollte das „Aha“ kommen. Man stelle sich vor, was in Kiew abgehen wird, wenn die Wagners nur hundert Kilometer nördlich von Kiew ihre Lager aufstellen werden. Da ist noch ein Faktor, der nicht ganz unbeachtet bleiben sollte. Ich weiß nicht, inwieweit die Wagner-Truppen bei den Kämpfen um Artjomowsk/Bachmut mehr Substanz zerstört haben, als es Moskau wollte. Kiew hat das auch beobachtet und kann sich jetzt ausmalen, was mit Kiew geschehen könnte, wenn die Wagners auf die Stadt losgelassen werden. Eine Privatarmee ist nicht vollständig unter Kontrolle zu halten, wie sich jetzt auch gezeigt hat.

Mit den Wagners kommen Truppen mit Kampferfahrung

Sollten also die Wagner-Truppen tatsächlich nach Weißrussland verlegt werden, dann hat sich die militärische Kampfkraft auf weißrussischem Boden mehr als verdoppelt. Vor allem gibt es dann dort Soldaten mit Kampferfahrung, die bislang kein weißrussischer Soldat hat. Auf diese Weise werden noch mehr ukrainische Verbände an diese Grenze verlegt werden müssen und die können dann nicht im Osten antreten.

Zwischenfrage: Wer bezahlt eigentlich diese Privatarmeen? Nicht nur die „Wagner-Truppe“. Wer bezahlt die US-Söldner, die sich mal „Blackwater“ und dann „Academi“ genannt haben? Nicht vergessen: Wer zahlt, schafft an!

Wie gerade gemeldet wird, befindet sich Prigoschin bereits in Minsk. Feldquartiere für 8.000 Mann werden vorbereitet. Da sollte doch die Frage im Raum stehen, wie der Wagner-Chef so schnell nach Minsk gekommen ist. Auf dem Landweg sicher nicht. So verdichten sich zumindest für mich die Indizien, dass diese ganze „Staatsstreich-Aktion“ ein abgekartetes Spiel war, mit Kollateralschäden. Mit der Präsenz der Wagners in Weißrussland werden die Karten neu gemischt und sicher nicht zu Gunsten Kiews. Putins Sicherheitsgarantien für Weißrussland können so erfüllt werden, ohne das russische Militär direkt zu belasten.

Putin tut sich schwer, der eigenen Bevölkerung sein sanftes Vorgehen zu erklären

Das eigentliche Problem für den Kreml liegt nicht im Ausland. Große Teile der russischen Bevölkerung verstehen nicht, warum in der Ukraine nicht härter agiert wird. Auch große Teile der Wagner-Truppen. Wie auch im Westen wird der Unterschied zwischen einem Krieg mit Kriegserklärung und der Sonderoperation nicht verstanden. Würde Moskau einen Krieg gegen die Ukraine als ganzes Land führen, gäbe es das Kriegsministerium in Kiew nicht mehr. Es würden Zivilisten in großer Anzahl zu Tode kommen und genau das ist es, was Putin nicht will, was aber für unbedachte Beobachter unverständlich erscheint. Kiew hingegen weiß das und handelt entsprechend skrupellos.

Kiew ist es, das seit neun Jahren einen brutalen Krieg gegen die Zivilisten im Osten führt. Schon länger leidet die ukrainische Armee an Munitionsmangel. Das hält die Befehlshaber aber nicht davon ab, kriegswichtige Munition gegen Ziele einzusetzen, zivile Ziele, die keinerlei Wirkung auf den Verlauf der militärischen Operation haben. Da wird Munition vergeudet, die auf dem Schlachtfeld dringend benötigt wird. Aber ist das nicht die Fortsetzung der englisch/amerikanischen Terrorpolitik, die im WK II deutsche Städte bombardiert hat, anstatt kriegswichtige Ziele zu zerstören? Auch im WK II hat das die Rote Armee nicht getan.

Der westlichen Kriegstreiber werden die Strategie des Kreml nie verstehen

So steht Putins Strategie bei dieser Sonderoperation in der russischen Tradition, Krieg nicht gegen Zivilisten zu führen. Dass das die einzig mögliche Handlungsweise ist, wenn ein Waffengang zum Frieden führen soll, ist für den einfachen Russen genauso schwierig zu verstehen, wie es dem traditionellen Muster der angloamerikanischen Kriegsphilosophie widerspricht.

Das Ziel des Kreml ist nicht Zerstörung oder Eroberung, sondern die Schaffung der Voraussetzungen für ein friedliches Nebeneinander. Aber genau das ist es, was die USA noch nie als Ziel hatten. Sie und ihre Wirtschaft sind auf andauernden Krieg angewiesen und wegen dieser Grundphilosophie werden sie kaum in der Lage sein einzuschätzen, zu verstehen, warum Putin so handelt, wie er es eben tut. Während der Westen Kiew mit Waffen vollpumpt, so Unmengen von Leichen produziert, sorgt jetzt Moskau mit der Verlegung der Wagners nach Weißrussland dafür, dass tödliche Waffen an anderer Stelle gebunden sind und wenigstens einige tote Zivilisten vermieden werden. Gleichzeitig wird so auch dafür gesorgt, dass der Appetit auf eine Einmischung in Weißrussland stark gedämpft wird. In diesem Sinn wird man im Westen kaum verstehen können, was es mit dem Theater um Prigoschins Armee wirklich auf sich hatte. Dazu müsste man wenigstens versuchen, die „russische Seele“ zu verstehen. 

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