Krieg komprimiert den Lauf der Zeit
Von Peter Haisenko
Die Geschichte hat gezeigt, dass große, fundamentale Veränderungen, Entwicklungen, während oder nach Kriegen abgelaufen sind. Entwicklungen, von denen man annahm, dass für deren Fortschritt ein Vielfaches an Zeit hätte verstreichen müssen. Krieg hat das enorm beschleunigt. Zum Guten oder Schlechten. Der Krieg in der Ukraine lässt uns jetzt beobachten, wie Entwicklungen geradezu im Zeitraffer ablaufen.
Zeit ist auf der einen Seite eine Grundlage unserer Existenz, aber auf der anderen ein ungelöstes Mysterium. Vergleichbar mit der Unendlichkeit des Universums. Beide können weder Anfang noch Ende haben. Beides überfordert die menschliche Denkfähigkeit. Kann es ein Ende der Zeit geben und was ist hinter der Unendlichkeit, sind unlösbare Fragen. Aus unserem Leben wissen wir aber, dass Zeit relativ ist. Mal vergeht sie quälend langsam und dann überstürzen sich die Ereignisse. Wie ich aus eigener Erfahrung weiß, kann sich zumindest unser Geist manchmal durch die Zeit bewegen, Dinge in der Zukunft sehen. Aber selbst die fähigsten Wahrsager haben ein Problem mit der Zeit. Sie können zwar sagen, dass etwas geschehen wird, aber nicht wann. Die meisten ihrer Vorhersagen beziehen sich auf eine Abfolge anderer Ereignisse. Wenn das geschehen ist, dann wird das folgen. Zeit ist ein Mysterium.
Seit geraumer Zeit wird der Zusammenbruch des dollardominierten Finanzsystems erwartet. Wieder ist es keine Frage, ob es zusammenbrechen wird, sondern nur wann. 2008 war es dann fast so weit. Allerdings befand sich die Welt damals in einem machtpolitisch stabilen Zustand und so konnte der Zusammenbruch mit endlosem Gelddrucken verhindert, verschleiert werden. Jetzt aber, mit der akuten Ukrainekrise, ist dieses Vorgehen nicht mehr so einfach. Als die USA Russland den Sanktionskrieg erklärt hatten, vor neun Jahren, hat das schon eine Beschleunigung von Veränderungen bewirkt. Russland ist in die Arme von China getrieben worden und die Gründung des Systems der BRICS-Staaten war der Startschuss für ein Finanzsystem, das die Macht des US-Dollar aushebeln wird. Wäre das ohne den Finanzkrieg der USA denkbar gewesen?
Kriege beschleunigen die technische Entwicklung
Als Kiew 2014 den Krieg gegen ihre eigene Bevölkerung im Osten begonnen hatte, sah sich Russland gezwungen, der eigenen Wirtschaft eine neue Basis zu geben. Ebenso wurden in Russland technische Entwicklungen nicht nur für das Militär in einem Tempo vorangetrieben, das in Friedenszeiten so kaum möglich gewesen wäre. Erinnern wir uns dazu an den WK II. Die Entwicklungen der Militärtechnik nicht nur in Deutschland hatten ein atemberaubendes Tempo. Ebenso wie nach Ende des WK I die Neuaufteilung der Welt in kürzester Zeit abgelaufen ist. Grenzen, Wirtschaftsmodelle, wurden geradezu in Nullzeit neu gesetzt. Ohne diese Kriege wäre das unmöglich gewesen. Auch diese Kriege haben den Lauf der Zeit komprimiert. Warum soll das jetzt mit dem Ukrainekrieg anders sein?
Ich kenne kluge Leute, die sagen, dass weitere Entwicklungen noch zehn Jahre Zeit brauchen. Eine Frage dazu ist, wann der Beginn dieser zehn Jahre ist oder eben schon war. Hat der Ukraine-Krieg vor einem Jahr begonnen oder doch schon vor neun Jahren? So oder so, wie man aber jetzt sehen kann, ist es dieser Krieg zu einem großen, geradezu weltumspannenden geworden. Groß genug, um den Lauf der Zeit zu komprimieren. Das Dollarimperium zerfällt in atemberaubendem Tempo und es wird wieder neu aufgestellte Grenzen in Europa geben. Das steht jetzt schon fest. Die Begehrlichkeiten auf westliche Gebiete der Restukraine werden schon vorgetragen. Dabei geht es auch um Ethnien, die an den Rändern der Ukraine in Mehrheit leben. Hätten Polen, Ungarn, Rumänien oder die Slowakei ohne diesen Krieg auch nur darüber nachdenken können?
Nur eine neue Aufteilung der Ukraine kann Frieden bringen
Das Staatsgebilde Ukraine war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Bis 1991 gab es keinen eigenständigen Staat Ukraine. Es war eine Sowjetrepublik und in diesem Sinn waren Grenzen rein verwaltungstechnisch von Bedeutung. Nach der Auflösung der Sowjetunion hat man versäumt oder sogar absichtlich verhindert, Grenzen für eine Ukraine zu bestimmen, die den ethnischen Gegebenheiten hätte gerecht werden können. Das wurde ausgenutzt, um den Unfrieden zu stiften, der zur jetzigen Situation geführt hat. Während der letzten dreißig Jahre ist es nicht gelungen, wurde nicht versucht, das Staatsgebiet der Ukraine so neu zu ordnen, dass dort Frieden herrschen kann. Sogar der „Minsk-Plan“, der Autonomie für Donezk bringen sollte, wurde sabotiert. Der Kriegszustand jetzt wird es aber ermöglichen, das zu korrigieren. Und zwar innerhalb einer Zeitspanne, die ohne den Krieg unerreichbar wäre. Krieg komprimiert den Lauf der Zeit.
Dieser Krieg, der brutale physische und der der Sanktionen, hat in kürzester Zeit bewirkt, dass die Länder der „Dritten Welt“ aufgewacht sind. Sie haben erkannt, dass ihre Gefolgschaft mit dem US-Imperium nicht zu ihrem Vorteil ist. Das ist gleichsam in Nullzeit abgelaufen. Wäre das ohne diesen Krieg denkbar gewesen? Hätte jemand geglaubt, dass Saudi-Arabien Öl gegen chinesische Yüan verkauft? Dass es China ist, das mit Friedensinitiativen im Nahen und Mittleren Osten brilliert? Dass innerhalb kurzer Zeit der Iran und auch Syrien wieder friedlich mit Saudi-Arabien umgehen? Ich denke, der Punkt ist, dass die Vorgänge in der Ukraine gezeigt haben, dass das US-Imperium eben nicht allmächtig ist. Hätte sonst Saudi-Arabien gewagt, den Petrodollar ins Abseits zu stellen? Und damit Gefahr zu laufen, so zu enden wie der Iran, der Irak und Libyen?
Es sind rasante Veränderungen zu erwarten
In diesem Sinn kommen Veränderungen, Entwicklungen auf die Welt zu, in einer Geschwindigkeit, die noch vor Jahresfrist undenkbar erschienen. So sehr ich Kriege ablehne, muss ich doch zugestehen, dass Kriege auch eine reinigende Wirkung haben können. Es ist jetzt schon spannend, aber wie wird es erst werden, wenn der Sturm der Veränderungen auch auf Deutschland, die BRD, übergreift? Und auf die gesamte EU? Wird es möglich sein, dass Deutschland wieder ein souveräner Staat wird? Werden die USA das zulassen, zulassen müssen? Was wird mit den Regierungen geschehen, die auf das falsche Pferd gesetzt haben? Auf die Regierung in Kiew, die derart korrupt ist, dass nicht einmal alle westlichen Waffenlieferungen an ihrem eigentlichen Bestimmungsort ankommen. Auf eine Regierung, die Munition auf zivile Ziele abschießt, anstatt sie gegen die russische Armee einzusetzen.
Der Ex-Geheimdienstoffizier der US-Marineinfanterie und ehemalige UN-Waffeninspektor Scott Ritter legt in einem auf dem Youtube-Kanal U.S. Tour of Duty veröffentlichten Video seine Sicht der Lage rund um die Angriffe der ukrainischen Truppen dar. Ihm zufolge stehen die Streitkräfte der Ukraine bereits am Rande des Zusammenbruchs und sind dabei, in Erwartung des NATO-Gipfels im Juli um ihr Überleben zu kämpfen. Ritter sagt, dass Kiew darum betteln wird, dass die NATO aktiv in den Konflikt eingreift. Kiew muss bis zum NATO-Gipfel in einer Woche Erfolge vorweisen, damit sich die NATO/USA nicht geräuschlos aus dieser Katastrophe verabschieden. Ukrainische Erfolge sind aber extrem unwahrscheinlich.
Die NATO kann es nicht
Genauso unwahrscheinlich ist es nach Ritter, dass die NATO in einem direkten Waffengang mit Russland Erfolg haben kann. Weder Logistik, noch Bewaffnung oder Munitionsreserven reichen dafür aus. Ritter gibt der ukrainischen Armee nur noch Wochen bis zur totalen Niederlage, der Kapitulation. Aber wie wird es dann weiter gehen? Wird Selenskij noch die Möglichkeit haben, in seine Villa in Florida zu fliehen? Wer wird die Übergangsregierung in Kiew stellen? Welche Folgen wird das für die deutsche Regierung haben? Wird Moskau dann ganz offiziell den Waffenstillstand mit Deutschland für beendet erklären? Und was dann? Die NATO hat sich beinahe entwaffnet, weil sie Gerät und Munition in die Ukraine verbracht hat und jetzt schon unter Munitionsmangel leidet.
So erwarte ich, dass auf uns sehr turbulente Zeiten zukommen werden. Nichts von dem, was unsere Transatlantiker als unverrückbare Gegebenheiten annehmen, wird Bestand haben können. Weder England noch die USA werden bestimmen können, wie die neuen Grenzen der Ukraine aussehen werden. Zudem wird es Zwist innerhalb der NATO geben, was die Aufteilung der westlichen Gebiete auf andere Staaten betrifft. Wie wird man erklären können, dass es jetzt doch richtig sein kann, Grenzen neu festzulegen? Was wird aus den Milliarden werden, die der Westen an die Ukraine verschenkt hat und die jetzt verloren sind? Wie will man das den Wählern erklären? Wie werden sich Migranten verhalten, wenn das Sozialparadies nicht mehr in der Lage ist, seine Wohltaten an alle und jeden auszuschütten? Wird dann auch die BRD Zustände erleben, die wir bis jetzt nur mit Schaudern in Frankreich beobachten müssen?
Der Weg zum Frieden im Sauseschritt?
Allerdings ist es schon jetzt so, dass jeder wissen kann, dass Kiew nicht einen Cent von dem zurückzahlen kann, was in die Ukraine verbracht worden ist. Die USA fordern schon jetzt, dass die EU für alles bezahlt, was aus Washington in diesen Krieg investiert worden ist. Auch da wird es Streit geben, der letztlich bis zur Auflösung der NATO führen kann. Die Erkenntnis ist da, dass weder die NATO noch die USA irgendein Land in einem konventionellen Krieg mit einem potenten Gegner beschützen kann. Den USA bleibt nur die nukleare Option und die ist aber jenseits dessen, was Europa hinnehmen kann und wird. Die gesamte „Weltordnung“ wird neu aufgestellt werden und zwar in einem Tempo, das ohne diesen Krieg unmöglich geblieben wäre.
Krieg komprimiert den Lauf der Zeit. Das erleben wir gerade und sind mittendrin. Die Welt und insbesondere Europa werden sich verändern, in einer Weise und einem Tempo, das sich jetzt noch kaum jemand vorstellen kann oder will. Ich selbst bin der Meinung, dass diese Veränderungen in eine gute Zukunft führen werden. Sobald unübersehbar geworden ist, dass die Macht des US-Imperiums gebrochen ist, werden andere, friedlichere Nationen Führungspositionen einnehmen und es besteht dann die Hoffnung, dass die ewigen von den USA orchestrierten Kriege ein Ende finden. So, wie in Afrika schon die Franzosen rausgeworfen werden, werden auch in anderen Gebieten Staaten auf dem Abzug der US-Militärbasen bestehen. Ist das nur ein schöner Traum? Wäre es, wenn es nicht den Ukraine-Krieg gäbe, den die USA angezettelt und sich dabei furchtbar verkalkuliert haben.
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Wird nach den großen Veränderungen auch das Diktat der USA über die Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts in Deutschland fallen? Wenn Sie jetzt schon einen Eindruck gewinnen wollen, was offizielle Geschichtsschreibung werden könnte, dann sehen Sie doch mal beim AnderweltVerlag rein. Dort finden Sie Werke zum Beispiel von Reinhard Leube, die mit so vielen Quellenangaben überzeugen können, dass es durchaus ganz anders gewesen sein kann, als in der BRD gelehrt werden muss.
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