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Die Reformation der Reformation

Von Hans-Jürgen Geese 

In der Geschichte der Menschheit hat die Arroganz der Großmächte bisher noch immer zum letztendlichen Untergang dieser Großmächte geführt. Vor allem wenn sich Arroganz mit Dummheit paart. Die Vereinigten Staaten von Amerika bieten in unserer heutigen Zeit zum Beweis ein hervorragendes Beispiel. Ein noch besseres Beispiel ist die katholische Kirche vor der Zeit der Reformation.

Als die Christenheit auf Erden das Jahr 1500 einläutete, besaß keine Macht in Europa mehr Geld, mehr Land und mehr Einfluss als die katholische Kirche. Es ist eine müßige Frage ob die Kirche wusste wie verhasst ihre Vertreter im Volke waren. Macht macht was Macht eben so macht. Und Macht geht davon aus, dass die Zukunft wie die Gegenwart sein wird. Nun, es wäre wirklich eine geradezu wahnwitzige Idee gewesen, sich im Jahre 1500 auch nur vorzustellen, dass ein einziges Mönchlein, nicht in Rom, sondern in Deutschland, noch dazu in einem fernen Kaff in Sachsen, diese Macht der Kirche herausfordern könnte. Obwohl der Papst eigentlich zumindest sofort hätte aufhorchen müssen. Warum?

Weil die deutschen Lande damals der reichste und wohlhabendste Teil von Europa waren. Wohlstand von Nord bis Süd. Die deutsche Lebensart mit ihrem deutschen Fleiß, mit ihrer deutschen Gemütlichkeit und Lebensfreude, waren berühmt. Und Wohlstand verbreitete sich für alle. Nun, relativer Wohlstand. Aber immerhin. Daher kam das meiste Einkommen der Kirche aus Deutschland.

Aus Anlass des Jubiläums des Jahres 1500 hatte der Papst noch einmal ausgiebig die Deutschen geschröpft. Aber dieses Mal regte sich Widerstand. Kaiser Maximilian murrte, dass der Papst hundertmal mehr Einkommen aus Deutschland beziehe als er selbst. Der Reichstag in Augsburg beschloss, dass die Kirche einen Teil des Geldes zurückzahlen sollte. Und was noch schlimmer war: Einige der Fürsten hatten jetzt sogar etwas an diesem allseits populären und allseits beliebten und hoch profitablen Ablasshandel der Kirche auszusetzen.

Trotz alledem: Der Papst zuckte zunächst erst einmal lediglich mit den Schultern. Warum die große Aufregung? Seit hunderten von Jahren hatte doch die Kirche bereits diesen lukrativen Handel mit Ablassbriefen betrieben. Darin wurde dem armen Sünder offiziell vom Papst bescheinigt, dass seine Sünden vergeben seien. Gegen Zahlung von einem Obolus. Man konnte solch einen Ablassbrief sogar erwerben, bevor man die Sünde begangen hatte. Also für den Fall der Fälle. Vorsorge. Und es war möglich, die armen Seelen der verstorbenen Angehörigen in der Hölle von ihren Qualen zu befreien. Die Kirche machte all das möglich. Rundumversorgung sozusagen.

Sollten Sie jetzt von einem Anflug von Arroganz überkommen werden und sich über unsere Vorfahren damals lustig machen wollen, würde ich zur Vorsicht raten. Macht macht auch heute noch was Macht eben so macht. Und mit Widerstand ist die Macht bisher noch immer schlussendlich fertig geworden. Also:

Natürlich war Martin Luther ein intelligenter Mensch, der über die Macht der Sprache verfügte, in Wort und Schrift. Aber das hätte damals nicht ausgereicht, um vor allem die Fürsten im Lande zum neuen Glauben zu bekehren. Der Glaube war für die meisten von ihnen ohnehin von geringer Bedeutung. Der große Preis für sie bestand in dem Reichtum der Kirche, den sie bald vereinnahmten. Aus diesem Grunde hatte Luther letztendlich großen Erfolg. Es ging um Geld. Nicht um Gott. Obwohl, inoffiziell schon. Aber fast ausschließlich beim gemeinen Volk.

Nachdem Martin Luther den Schwachsinn des Ablasshandels ausreichend zur Belustigung des deutschen Volkes vorgeführt und in Kirchen den Papst daselbst als den Antichristen präsentiert hatte und dann auch noch behauptete, dass die Deutschen diesen ganzen Verein mit Namen katholische Kirche ohnehin nicht bräuchten, sondern selbst, mit Hilfe der Bibel, in ihrer eigenen Sprache, direkt mit dem lieben Gott Kontakt aufnehmen könnten, umsonst, da war die einstige Großmacht mit Namen katholische Kirche keine Großmacht mehr.

Die Bloßstellung des Ablasshandels, der Einbruch der Vormachtstellung der katholischen Kirche, bedeutete auch das Ende des Mittelalters. Eine neue Zeit bahnte sich ihren Weg. Der Mensch war jetzt aufgefordert, sein Hirn selbst zu kontrollieren, selbst Entscheidungen zu treffen, selbst direkt mit dem lieben Gott Kontakt aufzunehmen und nicht mehr jeden Unsinn für bare Münze zu halten.

Das dunkle Mittelalter

Um unser aller Demut ein wenig zu fördern, lassen Sie mich bitte ein paar Zeilen zu dem sogenannten finsteren Mittelalter sagen, das in Wirklichkeit nicht finster war. Überall standen Windmühlen und Wassermühlen. In den Klöstern hatte man herausgefunden, wie die Landwirtschaft bessere Erträge erbringen konnte. Überall wurden Kirchen, gar Kathedralen gebaut. Bereits im neunten Jahrhundert fand jemand heraus, wie man Musik auf Papier schrieb. Mit Hilfe der Noten konnten bald überall im Lande die gleichen Lieder gesungen und Konzerte mehrtonig aufgeführt werden. Harmonien von göttlicher Schönheit berauschten die Menschen. Und auf den Universitäten studierten tausende von Studenten.

Über allem stand die katholische Kirche, die sozusagen die Vereinigten Staaten von Europa repräsentierte. Die Universalsprache der Zeit war Latein. Die Kirche hatte kein Interesse daran, dass die Länder sich gegenseitig zerfleischten. Es war eine relativ friedfertige Zeit. In Deutschland gab es den Reichstag, dessen Hauptaufgabe darin bestand, den Frieden zu bewahren und Streitigkeiten zu schlichten. Aus vielen der aufblühenden Klöster entstanden Städte, in denen die Zünfte das Handwerk organisierten und sich um ihre Mitglieder kümmerten. Bis in den Tod. Frage: Auf wen war das Volk nicht gut zu sprechen? Als die Geißeln der Zeit galten Pfaffen, Händler, Geldverleiher und Rechtsverdreher. Denn Die schufen nichts, sondern schröpften lediglich den Rest der Bevölkerung. Wie heute.

Wichtig zum Verständnis der heutigen Zeit: Mit der Gründung der Universitäten wurde auch Rechtswesen gelehrt, und zwar das römische Recht, das vor allem die Interessen und das Eigentum des Einzelnen fördert und schützt. Das bis dahin geltende germanische Recht stellte die Gemeinschaft und das Gemeineigentum in den Vordergrund. Es beruhte auf langen Traditionen und galt als unveränderlich. Das Volk wollte die Beibehaltung des germanischen Rechtes.

Das römische Recht ist lediglich ein Segen für Rechtsverdreher und Manipulatoren der Macht. Die Konsequenz der Umstellung auf das römische Recht war, dass das Gemeineigentum mehr und mehr verschwand und dass mehr und mehr Menschen sehr, sehr reich wurden, anstatt dass der Reichtum auf die Gemeinschaft verteilt wurde. Merke: Neben dem Geldsystem ist das Rechtssystem die Wurzel allen Übels. Heute wird das Rechtssystem geradezu als Waffe gegen den Bürger benutzt. Einst sollte es den Schwachen gegen den Starken schützen. Heute wird es als Waffe des Starken, vor allem des Staates, gegen den Schwachen, gegen den Bürger benutzt. Und man muss es so sagen: Es gibt viel zu viele Anwälte. Dieser Wahnsinn der Macht der Rechtsverdreher geht also auf die Umstellung vom germanischen Recht auf das römische Recht im Mittelalter zurück.

Die Religiosität der Menschen

Nein, die Kirchen im Mittelalter waren nicht des Sonntags brechend voll. Es gibt genügend Dokumente, die belegen, dass der Kirchenbesuch recht dürftig war. Daran änderte auch die Reformation nichts. Dabei hätte man doch wohl annehmen können, dass jetzt die Menschen zumindest in die evangelischen Kirchen strömten, denn jetzt redete der Herr Pastor auf Deutsch. Nicht auf Latein. Man konnte den Mann verstehen. Die Kirchen damals hatten Untersuchungskommissionen, die regelmäßig berichteten, was im Lande passierte. Hier sind Auszüge von solch einem Bericht aus Leipzig:

„... spärlicher Kirchenbesuch, einige der Kirchenbesucher spielen Karten während der Pastor predigt und machen sich lustig über ihn... Flüche, Gotteslästerungen, Rowdytum und Prügeleien sind nichts Außergewöhnliches... Manche kommen wenn der Gottesdienst schon zur Hälfte vorbei ist, schlafen und verlassen die Kirche wieder vor dem Segen... Niemand singt die Hymnen... Es schmerzte mich zu hören, dass lediglich der Pastor und der Küster sangen...“

Der Historiker Gerald Strauss hat die Dokumente aus Orten wie Leipzig, Coburg, Barum, Braunschweig, Weilburg und vielen anderen zusammengestellt. Er sagt in seiner Veröffentlichung, dass in den meisten Orten die Bewohner sogar gesetzlich verpflichtet waren, den Gottesdienst zu besuchen. Und sie haben es trotzdem nicht getan.

Und damit kommen wir endlich zur großen Frage, um die es hier letztendlich geht: Hat die Reformation wirklich eine Reformation bewirkt?

Der Kirchenbesuch in den evangelischen Kirchen, des Sonntags, liegt aktuell bei etwa 3 % der Kirchenmitglieder. In der katholischen Kirche sind es etwa 10 %. Lebt der Mensch vielleicht doch von Brot allein? Und dann natürlich die Frage: Ist dieses christliche Desaster die Schuld der Kirchen? Haben die Popen versagt?

Womit beschäftigt sich Kirche heute?

Ich habe mir die Webseite der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angeschaut. Welche Themen werden auf der Eingangsseite angesprochen?

„Kirche gegen Antisemitismus“. „Aktiv gegen sexualisierte Gewalt“. „Evangelische Kirche dringt auf Erhalt des Asylrechts“. „Fortschrittsbericht zur Klimaschutzrichtlinie“. Nicht ein einziges Thema, das die Menschen in Deutschland direkt betrifft. Und auch kein Wort über den Massenmord, den Israel unter den Palästinensern begeht. Oder ein Wort gegen den Krieg in der Ukraine. Oder ein Standpunkt gegen soziale Ungerechtigkeit. Nichts. Die Kirche schweigt. Die Kirche ist mit sich selbst beschäftigt. Das reicht der Kirche heutzutage völlig. Daher ist die offizielle Kirche für die meisten Menschen belanglos, irrelevant.

Dabei sagt doch auf der EKD Webseite der Präses der Synode der EKD, Anna-Nicole Heinrich: „Es ist eine Stärke der evangelischen Kirche, dass sie Raum für notwendige Diskurse bietet, die in der Gesellschaft oft wenig Platz haben.“ Die Frau scheint irgendwo anders zu leben als in der realen Welt.

Es ist daher nicht überraschend, dass es Stimmen in der Kirche gibt, die für eine Abschaffung des Sonntagsgottesdienstes plädieren. Der ganze Aufwand für die paar Leutchen lohne sich einfach nicht mehr. Und man kann ja auch Kirche über Facebook betreiben, oder etwa nicht? Den lieben Gott gibt es jetzt sogar digital.

Trostworte vom Autor

Sie mögen es nicht glauben, aber weltweit ist die christliche Kirche die am schnellsten wachsende Kirche. Jedoch natürlich nicht in Deutschland. Ihnen zum Trost: Wenn wir davon ausgehen, dass die Kirchen in Deutschland, trotz Kirchensteuer, irgendwann einmal entweder finanziellen oder moralischen Konkurs anmelden müssen, dann können wir zumindest die Hoffnung hegen, dass eines Tages sich Missionare aus Afrika oder Asien in Deutschland melden und versuchen, ein paar Seelen für den Herrgott zu gewinnen. Oder wie sehen Sie die Zukunft der Kirchen, die sich selbst fleißig völlig irrelevant gemacht haben und das noch nicht einmal bemerken? Oder nicht bemerken wollen.

Gibt es theoretisch Alternativen? Na klar. Wie wäre es zum Bespiel mit folgender Mission: „Die Kirche darf nicht auf der Seite des Staates stehen, sondern auf der Seite der Bürgerinnen und Bürger“. Oder: „Die Kirche als Hort der Güte“. Das hätte doch richtige Konsequenzen. Was meinen Sie wie die Demokratie in Deutschland aufblühen würde. Und natürlich auch die Kirchen. Aber das werden sich diese Feiglinge nie trauen. Die labern lieber von der Bibel und vertrösten die verbliebenen Getreuen auf das Paradies. Der ganze Spaß finanziert vom Steuerzahler. Es gibt übrigens nicht viele Länder auf der Welt, wo die Kirche dermaßen luxuriös finanziert wird. Warum ist das wohl so? Herr Pfarrer, was meinen Sie?

Nun, wenn denn der Herr Pastor oder der Herr Priester nicht willig oder nicht in der Lage ist ein Trostwort zu spenden, dann will ich es zum Schluss noch einmal versuchen: Es gibt interessante Untersuchungen, die zu Tage gefördert haben, dass eine christliche Frau im Durchschnitt mehr Kinder zur Welt bringt als zur Aufrechterhaltung der Bevölkerungsgröße notwendig ist (2,74). Die nichtchristlichen Frauen gebären hingegen so wenige Kinder, dass die Bevölkerung, sollte sie allein auf diese Frauen angewiesen sein, eines Tages aussterben wird (1,79). Sie werden bereits von selbst drauf gekommen sein: Eines schönen Tages, es mag ein paar hundert Jahre dauern, wird Deutschland von Christen bevölkert und regiert werden. Und die Kirchen werden des Sonntags gerammelt voll sein.

War die ganze Reformation für die Katz?

Der arme John Wycliffe, Wegbereiter für Luther in England (seine Knochen wurden Jahre später von der katholischen Kirche ausgegraben und verbrannt, damit seine Auferstehung zu 100 % unmöglich war). Der arme Jan Hus, Wegbereiter für Luther, verbrannt auf dem Scheiterhaufen. Der arme Martin Luther selbst plagte sich eigentlich für nichts und wieder nichts ab. Es sei denn einer seiner Nachfahren fährt wie der Rachestrahl Gottes in diese Popen unserer Zeit und erweckt sie zu missionarischem Eifer. Nein, nein, und noch einmal nein, man sollte nicht die Kirche im Dorf lassen und dem lahmen Status Quo frönen, sondern zu Großem berufen sein. Diese Berufung, so einst die Mahnung an alle Kinder, diese Berufung stamme von Gott. Es hieß: „Wenn Du Deiner Berufung folgst, dann erfüllt sich der Sinn Deines Lebens. Und dann geht es nach Deinem Tode geradewegs in den Himmel.“ Eigentlich eine schöne Geschichte.

Stellen Sie sich vor, die Kirche würde ihre Berufung wiederfinden. Sie müsste aus ihrem bürokratischen Dauerschlaf erwachen und wahrlich die Botschaft von Jesus Christus auf Erden vertreten. Lautstark. Wie wäre es mit der Botschaft der Bergpredigt? Zu radikal? Nun gut. Wir könnten auch, damit es nicht so schwer ist, bei den zehn Geboten anfangen. Wie wäre es mit: Du sollst nicht töten? Könnte die Kirche heute zumindest dieses eine Gebot vertreten? Und dazu ein paar Fragen stellen? Wie sagte doch Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der EKD: „Es ist eine Stärke der evangelischen Kirche, dass sie Raum für notwendige Diskurse bietet, die in der Gesellschaft of wenig Platz haben.“ Wirklich?

In der Sowjetunion gab es zwischen Bevölkerung und Regierung eine stillschweigende Abmachung, die da lautete: „Wir tun so als ob wir arbeiten und der Staat tut so als ob er uns bezahlt.“

Diese Art von Bequemlichkeit hat die Herrschaft in den Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland übernommen. Die Gewohnheit hat dazu geführt, dass leere Kirchen als normal angesehen werden. Die Bevölkerung hat sich mit den Kirchen arrangiert: Obwohl der Christ kein Christ mehr ist, darf er trotzdem die Dienstleistungen der Kirchen in Anspruch nehmen. Warum? Weil er dafür zahlt. Frage: Wie kann ein Mensch Mitglied einer Organisation sein, ohne an ihr teilzunehmen? Wie lange kann das so weitergehen? So lange bis ein neuer Martin Luther auftaucht und den Kirchen ihre Heucheleien um die Ohren haut. Ja, doch, diese Heucheleien stinken bereits zum Himmel. Aber wohl noch nicht hoch genug. 

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Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Ist es nicht beeindruckend, wie Hans-Jürgen Geese vom anderen Ende der Welt die Lage auch in Deutschland treffend analysiert? Da können wir Ihnen nur empfehlen, das Werk desselben Autors zu genießen. Mit dem Titel „Ausverkauf vom Traum Neuseeland“ spannt Geese den Bogen von Neuseeland zu Deutschland. Seine messerscharfen Analysen zeigen auf, wie die Bürger weltweit von den immer gleichen Akteuren mit den immer gleichen Methoden unterdrückt und ausgebeutet, ja zu Sklaven gemacht werden. Täuschen Sie sich nicht. Was Geese in Neuseeland wie unter dem Brennglas aufzeigt, findet auch in Deutschland statt. Es ist nur nicht so leicht zu erkennen. „Ausverkauf vom Traum Neuseeland“ ist erhältlich im Buchhandel oder bestellen Sie Ihr Exemplar direkt beim Verlag hier. 

Hier können Sie eine Rezension zu diesem Werk ansehen: 
https://www.anderweltonline.com/kultur/kultur-2020/ausverkauf-vom-traum-neuseeland-wie-ein-bluehendes-land-verramscht-wurde/ 

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