.
Ein vergiftetes Geburtstagsgeschenk für Angela Merkel
Von Gerold Keefer
Vor nunmehr fünfundreißig Jahren machte sich eine unscheinbare junge Frau auf den Weg in die Politik.
Ihrer selbstgestrickten Legende nach kam sie aus dem Nichts, hatte als "Kulturbeauftragte" allenfalls Theaterkarten besorgt und war zur FDJ gekommen, weil sie sich in der Hauptstadt der DDR anfänglich etwas allein gefühlt habe.
Heimlich pflegte sie laut ihrer Erzählung ganz andere Sympathien und Absichten. "Für mich waren sofort nach dem Mauerfall drei Dinge klar: Ich wollte in den Bundestag. Ich wollte eine schnelle deutsche Einheit, und ich wollte die Marktwirtschaft." Auf DDR-Fernsehen hat sie angeblich bis auf Sportsendungen verzichtet und sah sich gerne den antikommunistischen Propagandisten Gerhard Löwenthal im Westfernsehen an, wahrscheinlich während sie die blaue FDJ-Bluse trug.
'Kirche im Sozialismus' by Horst Kasner
Bei der FDJ war sie, ebenso wie ihre beiden Geschwister, schon zu Schulzeiten. Auch da bekleidete sie bereits Leitungspositionen. Die Familie von Pastor Kasner lebte in den siebziger und achtziger Jahren ungefähr so gut wie die Familie eines gehobenen SED-Funktionärs. Mit einer geräumigen 7-Zimmer-Wohnung, zwei Autos, einer angestellten Hausmutter und zwei Kindern, die studieren dürfen, konnte die Pfarrersfamilie Kasner als ausgesprochen privilegiert gelten. Später verfügte Mutter Herlind auch noch über eine Zweitwohnung in Berlin.
Auch Reisen in den ‚nichtsozialistischen Wirtschaftsraum‘ (NSW) waren möglich. Im Jahr 1974 geht es für Horst Kasner beispielsweise nach Italien. Auch London besuchte er zu Zeiten des Kalten Kriegs. Ehefrau Herlind soll es gar bis in die USA geschafft haben. Wie viel Einfluss Kasner hatte, wurde klar, als es bei der Abiturfeier seiner Tochter zum Eklat kam. Die Klasse sang die Internationale auf Englisch und zitierte das Gedicht 'Mopsenleben': "Es sitzen Möpse gern auf Mauerecken". Vorbereitet wurde der Auftritt bei Angela zuhause in Gegenwart und vermutlich auch unter Anleitung von Vater Horst.
Gemäß den Spielarten des Arbeiter- und Bauernstaats hätte der Vorfall eigentlich für die Abiturienten das sichere Aus ihrer Studienträume bedeuten müssen. Statt der Schüler fiel aber überraschenderweise vor allem Klassenlehrer Charly Horn in Ungnade und wurde strafversetzt. Auch die Schulleitung und der Schulrat wurden wohl abgestraft, während die Schüler mit milden Verweisen davon kamen. Angela trat jedenfalls wenige Monate später ihr Physikstudium in Leipzig an. Zur Immatrikulation wurde sie vom Vater persönlich begleitet.
Für das SED-Regime war Horst Kasner ab der zweiten Hälfte der sechziger Jahre bei der Unterwanderung der evangelischen Kirchen äußerst hilfreich. Gemeinsam mit einem Bekanntenkreis, in dem es von Stasi-Spitzeln wimmelte, brachten Horst Kasner, Manfred Stolpe, Clemens de Maizière und der spätere Bischof Albrecht Schönherr die evangelischen Kirchen unter dem Motto "Kirche im Sozialismus" auf Parteilinie. Dieses Motto stammte übrigens von Kasner selbst. Kasner war zeitweise so etwas wie der Chef-Ideologe der gleichgeschalteten evangelischen Kirchen.
Angela Merkel kam also keineswegs "aus dem Nichts", sondern war die Tochter eines durchaus prominenten kommunistischen Kirchenfunktionärs mit besten Verbindungen zu Staat und Stasi-Informanten. Allerdings ist bis heute kein Nachweis erbracht, dass Kasner direkt für die Stasi oder einen anderen Dienst tätig war. Gleiches gilt für seine älteste Tochter.
Agententätigkeit: Ja oder nein?
Zu diesem Schluss kommt auch eine ausführliche Erörterung von Hubertus Knabe aus dem Jahr 2019 Er entkräftete darin die These, dass Merkel unter dem Decknamen IM ‚Erika‘ für die Stasi unterwegs gewesen sei. Gegenwärtig bemüht sich Knabe gemeinsam mit dem Politaktivisten Marcel Luthe, der u.a. die Neuwahl des Berliner Abgeordnetenhauses miterzwungen hat, um die Herausgabe von Merkels Stasi-Akte oder zumindest auf die Klärung des Inhalts.
Nachdem mit Marianne Birthler über ein Jahrzehnt hinweg eine enge Merkel-Vertraute die inzwischen aufgelöste Stasi-Unterlagenbehörde geführt hat, gehen einige Beobachter nicht mehr davon aus, dass in der Akte noch Brisantes schlummert.
Merkel selbst lässt in Biographien aus einem Stasi-Bericht des Jahres 1984 zitieren, in dem ihr 'politisch-ideologischen Diversion' vorgeworfen wird. Ein Vorwurf, der vom SED-Staat regelmäßig mit Ausgrenzung, Kriminalisierung oder Existenzvernichtung geahndet wird, wie der vormalige MfS-Auslandschef Markus Wolf 1990 erläutert. Doch auch dieser Vorwurf hat für Merkel offenbar keine Konsequenzen, denn bereits zwei Jahre später geht es für die alleinstehende junge Frau mit dem Segen der Behörden auf Westreise:
Im Anschluss an die Hochzeit einer ihrer beiden Cousinen in Hamburg, reist sie zu Professor Reinhart Ahlrichs an die Universität Karlsruhe und danach angeblich noch zu einem bis heute namentlich nicht bekannten Ex-Kollegen nach Konstanz. Äußerst selten dürfte die ‚politisch-ideologische Diversion‘ eines DDR-Bürgers so milde geahndet worden sein, wie im Fall Angela Merkel.
Angela Merkel verfügt mit großer Wahrscheinlichkeit über ein photographisches Gedächtnis und spricht preisgekröntes Russisch und fließend Englisch. Das sind Fähigkeiten, die bei Aufklärungsarbeit vor und hinter des Eisernen Vorhangs äußerst hilfreich waren.
Nicht nur ihre Fähigkeiten, sondern auch ihr Verhalten und ihr Umfeld von Merkel in den achtziger Jahren geben durchaus Anlass zu Spekulationen.
FDJ-Clique und ihre Spitzel
Zunächst bleibt festzuhalten, dass Merkels FDJ-Clique am Institut keine Pfadfindergruppe in blauen Hemden war: Der damalige Leiter und enge Freund von Merkel, Hans-Jörg Osten, wird erst 2013 als Stasi-Auslandsspion IM ‚Einstein‘ enttarnt. Für seine Spitzeltätigkeit nutzte er in den achtziger Jahren einen Forschungsaufenthalt an der University of Illinois in Chicago. Bei ihrem bis heute engen Freund und vormaligem Kollegen Michael Schindhelm fliegt die Tarnung schon im Jahr 2000 auf. Ihn versucht die Stasi mit dem Versprechen einer internationalen Wissenschaftskarriere für die Auslandsspionage zu ködern. Und ihr sehr guter Kollege und Freund Frank 'Schnaffi' Schneider, mit dem sie auch gemeinsam publiziert hat, wird bereits 1994 als Stasi-Spitzel überführt.
Merkel ist privat und im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Anstellung am ZIPC der Akademie der Wissenschaften faktischen in ganz Osteuropa unterwegs und durchläuft ebenso wie ihr späterer Ehemann Joachim Sauer mehrere Forschungsaufenthalte in Prag. Trotz ihrer hohen Intelligenz sind ihre wissenschaftlichen Meriten bemerkenswert dünn gesät. Satte sieben Jahre dauert es, bis ihre Doktorarbeit abgeschlossen ist, bei der ihr Joachim Sauer geholfen hat. Über das Ausmaß dieser Unterstützung darf durchaus spekuliert werden.
Verbindung zu Ost-68er
Eine Erklärung für diesen langen Zeitraum kann man darin finden, dass Merkel nicht nur im Ausland, sondern auch innerhalb der DDR häufig unterwegs war. Mehrfach besuchte sie das Anwesen von Robert Havemann in Grünheide. Havemann war bis zu seinem Tod im April 1982 der Staatsfeind Nr. 1 der DDR und versammelte fast alle namhaften DDR-Dissidenten um sich. Erklärt werden diese Besuche mit ihrer Kollegenschaft zu Ulrich 'Utz' Havemann, dem Stiefsohn Havemanns, bei dem sie ab und an Kinder gehütet haben soll. Utz Havemann wohnte aber nicht in Grünheide, sondern in Berlin-Mitte.
Über ihre engen Kollegen Utz Havemann und Frank 'Schnaffi' Schneider erhält Merkel auch Einblicke in das Umfeld der Ost-68er. Die sogenannte Havemann-Kommune ist 1969 ein von der Westberliner Kommune 1 inspiriertes Experiment von Havemann-Sohn Frank, den Angela Merkel auch kennt. Offiziell will sie von den 68ern fast nichts mitbekommen haben, pflegt aber bald nach der Wende Kontakte mit Alice Schwarzer und Volker Schlöndorff.
Ein bemerkenswert großes Interesse entwickelte Merkel für die Solidarność-Bewegung. Im Sommer 1981, kurz vor Verhängung des Kriegsrechts, reiste sie dreimal nach Polen. Bei der letzten Rückreise aus Polen am 12. August 1981 wurde sie von DDR-Grenzern beim Schmuggeln von Solidarność-Material erwischt. Obwohl zu diesem Vorfall seitens der DDR-Sicherheitsbehörden ein offizieller Bericht verfasst wird, erfährt Merkel, wie bei der Abitur-Intrige und wie bei ihren Havemann-Besuchen, keine erkennbaren Nachteile. Das muss mindestens stutzig machen.
Schmetterling beim Abschöpfen
Auch in Berlin war Merkel häufig unterwegs. Wie ein Schmetterling beim Abschöpfen von Nektar war sie während der achtziger Jahre in Hauskreisen und Kirchengemeinden Ost-Berlins präsent. Sie besuchte darüber hinaus Lesungen von Schriftstellern wie Stefan Heym. Unklar bleibt, warum und für wen der graue Schmetterling in diesen Jahren Honig saugt.
„Bei vielen dieser Veranstaltungen war ich dabei. Aber ich passte nicht ganz in das Milieu. … Ich bin da hingegangen, um mich mit der DDR-Opposition ein Stück weit solidarisch zu zeigen“, erklärt sie ziemlich verschraubt. Ähnlich verquer äußerte sie sich im Gespräch mit Gerd Langguth zu ihren Besuchen bei Pfarrer Eppelmann: „Ich bin da hingegangen, weil ich fand, dass es ein Zeichen gegen die DDR war, aber es war nicht meine politische Welt.“
Was aber war dann ihre „politische Welt“? Glaubt man ihren Erzählungen, dann lebte da inmitten der Bohème des Prenzlauer Bergs während der achtziger Jahren die erste und einzige Kohlianerin jenseits der Mauer. Und die hat schon damals konkrete Vorstellungen von Marktwirtschaft und hofft als deutsche Patriotin mit politischer Ambition auf die Wiedervereinigung. Niemand sei daran gehindert, ihr das zu glauben.
Entkernung von CDU und Republik
Einen Hinweis auf Merkels ausgezeichnete Fähigkeiten in Sachen Unterwanderung und Zersetzung, bietet die Metamorphose, die die CDU unter ihr erlebt, oder besser formuliert, erlitten hat. Es blieb aber nicht bei der CDU. An wichtigen und zentralen Schaltstellen der Macht installierte Merkel ihre Günstlinge. Bei der Bundesbank war das Jens Weidmann, beim Bundesverfassungsgericht waren das unter anderem Peter Müller, Christine Langenfeld oder Stephan Harbarth, beim Verfassungsschutz war das Thomas Haldenwang. Ähnliches kann für die Bundeswehr nach mehreren Säuberungswellen gesagt werden. Damit wurde die Gewaltenteilung in Deutschland faktisch aufgehoben und eine Fortsetzung der prekären Entwicklung ist auch nach Merkels Abgang garantiert. Das gilt auch für die EU-Kommission und die EZB, wo die Merkel-Freundinnen von der Leyen und Lagarde in Stellung gebracht wurden. Lagarde hielt 2019 in Leipzig die Laudatio bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde an Merkel.
Am besten unterwandert es sich noch immer von oben.
Ganz ähnlich lief übrigens auch die Gleichschaltung der Evangelischen Kirchen in der DDR ab, an der Merkels Vater beteiligt war: Die dortigen Führungspositionen wurden von Bischof Schönherr mit progressiven Gefolgsleuten besetzt, um Konformität mit dem SED-Regime herzustellen.
Fazit: Viele Hinweise, aber keine Beweise
Festzuhalten bleibt, dass seriöse Recherchen bisher keinen Nachweis einer nachrichtendienstlichen Tätigkeit von Angela Merkel vor dem Fall der Mauer offenbart haben.
Allerdings sind mittlerweile Unstimmigkeiten, Unwahrheiten und Auslassungen in den Erzählungen der Angela M. nachgewiesen, die weitere Überraschungen und Offenbarungen fast zwingend erscheinen lassen.
Mehr zu Angela Merkel, ihrem Werdegang, ihren Verbindungen und Wegbegleitern findet sich in der soeben erschienenen Biographie "Die Kanzlerin, die aus der Kälte kam", die vom Autor herausgegeben wird.
Bestellen Sie Ihr Exemplar direkt beim Verlag hier oder erwerben Sie es in Ihrem Buchhandel.