.
Ukraine – es gibt nur einen Weg zu dauerhaftem Frieden
Von Peter Haisenko
Waffenstillstand ist nicht Frieden. Es ist nur die Zeit, bis sich einer der Kontrahenten stark genug fühlt, den anderen wieder anzugreifen. Waffenstillstand ist ein Geschenk für die Waffenindustrie. Um dauerhaften Frieden zu erreichen, können auch Grenzen neu bestimmt werden, und zwar nach dem Willen der Menschen, die dort wohnen. Das gilt nicht nur für die Ukraine.
Als der Teufel noch ein kleiner Bub war, ging einem Krieg eine Kriegserklärung voraus. Das war die letzte Warnung, die letzte Aufforderung, zu einer Verhandlungslösung zu kommen. Kam die dann nicht zustande, begann der Waffengang und der endete mit einem Friedensvertrag. Die Sache war erledigt, zumindest für einige Zeit. Seit 1945 gab es hunderte Kriege, Überfälle, und keinem davon ging eine Kriegserklärung voraus. So gibt es seither auch keine Friedensverträge. Weltweit stehen sich Länder gegenüber im Zustand des Waffenstillstands, belauern sich gegenseitig und mästen die Waffenindustrie mit dem Geld ihrer Bürger. Da kann man nur zu dem Schluss kommen: Wer nur Waffenstillstand fordert, der will keinen dauerhaften Frieden. Das gilt gerade besonders für die Ukraine.
Jugoslawien ist ein treffliches Beispiel, wie mit neuen Gebietsaufteilungen ein Krieg beendet werden konnte. Das ist umso bemerkenswerter, weil dieser Krieg vom Westen gewünscht, orchestriert und dann weiter geführt worden ist. Tatsächlich hatte der Westen seine Kriegsziele erreicht. Jugoslawien musste zerschlagen werden, weil es der letzte Staat war, der mit einem „dritten Weg“ zwischen Kommunismus und Kapitalismus geradezu musterhaft erfolgreich war. Allerdings hat man sich mit Serbien einen Nukleus für weitere Kriegshandlungen behalten. Dennoch können wir dort heute auf ein Vierteljahrhundert eines zwar labilen Friedens blicken. Auch in der Tschechoslowakei wurden Anfang der 1990er Jahre aufkeimende Spannungen mit der Aufteilung in zwei Staaten beendet. Die Sowjetunion wurde friedlich in mehrere souveräne Staaten aufgeteilt. Warum soll das in der Ukraine nicht möglich sein?
Wer sagt, Grenzen seinen unveränderlich?
Alle Staaten, in denen unterschiedliche Ethnien zusammengepfercht sind, sind potentielle Pulverfässer, ein leichtes Terrain für Unruhestifter. Und wieder gilt: Wer solche Staaten mit solchen Grenzen geschaffen hat, der wollte keinen dauerhaften Frieden, sondern vielmehr einen dauerhaften, leicht zu entfachenden Konfliktherd. Besonders perfide empfinde ich es, wenn diese mehr oder weniger willkürlich festgelegten Grenzen, innerhalb derer der Konflikt schon vorgezeichnet ist, als unveränderlich, ja geradezu heilig erklärt werden. Tatsache ist nämlich, dass das Völkerrecht keine unveränderlichen Grenzziehungen kennt. Es sieht vielmehr vor, dass sich Provinzen eines Staats per Volksabstimmung vom Mutterstaat lossagen, ihren eigenen unabhängigen Staat erklären können. So, wie sie es auf der Krim und in den vier neuen Volksrepubliken im Osten der Ukraine getan haben. Wäre es anders, wäre der kollektive Westen schon lange in Den Haag vorstellig geworden. Das tun sie nicht, weil sie wissen, dass die Abspaltungen im Osten der Ukraine völkerrechtskonform abgelaufen sind.
So ist festzustellen, dass sich im Rahmen der russischen Sonderoperation keine russischen Soldaten auf dem Gebiet der Restukraine aufhalten. Also in dem Gebiet, das für Kiew nach den Volksabstimmungen übrig geblieben ist. Im Gegensatz dazu befinden sich Kiews Soldaten auf fremdem Boden. Genauer in eigenständigen Volksrepubliken, die sich wiederum durch Volksabstimmung der Russischen Föderation angeschlossen haben. Es spielt hierbei keine Rolle, ob das vom Westen anerkannt wird. Wie gesagt, den Gang nach Den Haag will man nicht antreten.
Wie geht es nach der Kapitulation Kiews weiter?
Kiews Armee steht kurz vor der endgültigen Niederlage, der Auflösung, der Kapitulation. Massenhafte Desertierungen belegen, dass schon viele von Kiews Soldaten, zu großen Teilen zwangsrekrutiert, nicht mehr Willens sind, für Selenskijs Wahnvorstellungen zu kämpfen oder gar zu sterben. Eine Mehrheit der Ukrainer will ein Ende des Kriegs, ganz gleich, zu welchen Bedingungen. Ich denke, es ist nicht falsch anzunehmen, dass sie endlich einen Zustand dauerhaften Friedens erhoffen. Doch wie könnte der Weg dahin aussehen?
Russland wird keinen Zustand akzeptieren, der Kiews Restukraine die Möglichkeit bietet, während eines Waffenstillstands aufzurüsten für den nächsten Waffengang gegen Russland. Genauso unannehmbar ist die NATO-Mitgliedschaft von Kiews Machtgebiet, denn genau darum ging es auch, bevor sich Russland gezwungen sah, seine Sonderoperation zu starten. Wie kann es also weiter gehen, auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden, und zwar für alle Staaten, die an die Ukraine grenzen? Nimmt man das Völkerrecht ernst und hält sich dran, kann die Lösung verblüffend einfach und dann auch noch nachhaltig sein.
Russland will Frieden, keinen Waffenstillstand
Es ist ausgeschlossen, dass es nur einen Waffenstillstand geben wird. Schließlich will Russland Frieden und Sicherheit vor Angriffen in der Zukunft. Kiew muss kapitulieren. Sobald Kiews Armee kapituliert hat, steht die Restukraine unter Moskaus Kontrolle. Das heißt nicht, dass jetzt tausende russische Beamte das Land kontrollieren. Aber Kiew darf dann nichts tun, was nicht von Moskau genehmigt ist. In etwa so, wie es in Deutschland nach 1945 war. Alle Waffen, alle Waffensysteme, müssen aber an Moskaus Truppen übergeben oder vernichtet werden. Das ist Stufe eins. Dann erst kann der Weg zu dauerhaftem Frieden beschritten werden und da gibt es nur einen Weg: Volksabstimmungen.
Insbesondere im Westen der Ukraine gibt es etliche ethnische Minderheiten. Moldawier, Ungarn, Rumänen, Slowaken, Polen, Weißrussen und natürlich Russischstämmige. Nicht nur letzteren geht es unter Kiews Joch nicht gut. Ihre Minderheitenrechte werden von Kiew mit Füssen getreten. So, wie es den Minderheiten in Polen zwischen den großen Kriegen ergangen ist. Auch den Ukrainern, die sich plötzlich in Warschaus Machtgebiet zurechtfinden mussten. So etwas darf nicht wieder geschehen. An dieser Stelle muss ich an die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg erinnern. Mit dem Versailler Diktat hat England einen polnischen Staat geschaffen, dessen Grenzen keinerlei Rücksicht auf die Herkunft und Sprache der in diesem Kunstgebilde lebenden Menschen nahm. So, wie die Kiew-Ukraine die vollständige Ukrainisierung angeordnet hat, hatte Polen alles nicht-polnische diskriminiert. Hunderttausende wurden umgebracht. So ist Polen ein abschreckendes Beispiel, wie man die Grenzen eines Staats keinesfalls festlegen darf.
Vergessen wir nicht: Bis 1939 sind 557.000 polnische Juden nach Hitlerdeutschland geflohen, weil sie in Polen so schlecht behandelt worden sind. Mehr dazu hier:
https://anderweltverlag.com/p/england-die-deutschen-die-juden-und-das-20-jahrhundert
Volksabstimmungen sind der Weg zum Frieden
Nachdem die Kampfhandlungen in der Ukraine beendet sind, Kiews Armee kapituliert hat, muss in der Restukraine ein großes Referendum abgehalten werden. Unter Aufsicht aller geeigneten internationalen Organisationen. Die Bürger müssen darüber abstimmen, wohin, zu welchem Staatsgebilde sie gehören wollen. Es ist zu erwarten, dass sich viele im Westen der Ukraine dafür aussprechen werden, in das Staatsgebiet aufgenommen zu werden, dessen Sprache ihre Muttersprache ist und ihrer ethnischen Herkunft entspricht. Kiew wird Teile seines bisherigen Staatsgebiets an Nachbarstaaten abgeben müssen. So kommen diese Bürger in die EU.
Im Süden und Osten leben vor allem ethnisch russische Menschen. So ist zu erwarten, dass sich zum Beispiel der Oblast Odessa für einen Anschluss an die russische Föderation aussprechen wird. Sie haben nicht vergessen, welche Massaker Kiews Schergen dort begangen haben. Beginnend 2014 und gipfelnd mit dem Anzünden des Gewerkschaftshauses, bei dem 48 Menschen den Tod in den Flammen erlitten.
Die Ukraine, Europas zweitgrößter Staat, muss aufgeteilt werden
Diese Referenden werden Klarheit schaffen, wie und unter welcher Herrschaft die Menschen leben wollen. Anschließend werden neue Grenzen gezogen, je nachdem, wie die Mehrheit abgestimmt hat. Ja, das ist Demokratie. Gleichzeitig wird für eine Übergangszeit jedem Bürger das Recht zugestanden, innerhalb der ehemaligen Grenzen der Ukraine seinen Wohnort frei zu wählen. Das heißt, wer lieber mit Menschen ukrainischer Sprache zusammenleben will, kann in die entsprechenden Gebiete wechseln. Oder anders herum. So werden ethnische Konflikte auch in kleinem Maßstab kaum noch stattfinden. Einem dauerhaften Frieden steht nichts mehr im Wege.
Kiews Restukraine wird vollständig entmilitarisiert. Das ist zum Vorteil der Bürger, denn sie müssen die Last für Militärausgaben nicht mehr tragen. Auch die jetzt überflüssigen Soldaten können tatkräftig für den Wiederaufbau arbeiten und zu tun wird es genug geben. Als Staat, der sich zur „ewigen“ Neutralität und Frieden verpflichtet hat, kann Kiew zur Handelsbrücke zwischen Ost und West werden und dadurch profitieren. Man denke nur an den Gastransit.
Wer wollte nicht Weltfrieden?
Nun könnte mich mancher als naiven Träumer bezeichnen. Aber fällt Ihnen ein besserer Plan ein, um wirklich Frieden zu schaffen? Dauerhaften Frieden? Nach allen Regeln des Völkerrechts? Und weil ich schon dabei bin: Derartige Referenden sollten in allen Gebieten abgehalten werden, in denen ethnische oder religiöse Konflikte am köcheln sind. Nordirland, das Baskenland, Katalonien und nicht zu übersehen, Schottland. Es gibt weltweit noch etliche Regionen, die so befriedet werden könnten. Man denke da auch an den Nahen und Mittleren Osten, an die Kurden, die von England auf vier Staaten aufgeteilt worden sind. Auf Staaten, deren Grenzen es so nicht gab, bis sie von den englischen Grenzdiktaten geschaffen worden sind.
Grenzen sind menschengemacht
Keine Staatsgrenze darf unveränderlich sein. Insbesondere, wenn es sich um große, zu große Staaten handelt. Sie sind von Menschen geschaffen worden, unterliegen keinerlei Naturgesetzen oder gar göttlicher Bestimmung. So können sie auch von Menschen neu bestimmt werden, jederzeit und nach demokratischen Prinzipien, dem Willen ihrer Einwohner. Vergessen wir nicht, es gibt viele Kleinstaaten und den meisten von denen geht es gut. Man sollte auch im Gedächtnis behalten, dass die Rückkehr des Saarlands zu Deutschland durch genau ein solches Referendum gelungen ist, wie ich es jetzt für die Ukraine vorschlage. Da bleibt nur noch ein Blick auf die deutsche „Wiedervereinigung“. Die Deutschen durften nicht darüber abstimmen. Nimmt man das Völkerrecht ernst, war dieser Vorgang eben nicht völkerrechtskonform. Auch den Deutschen muss es erlaubt sein, ihr Votum darüber abzugeben, zumindest über eine Verfassung.
Zu guter Letzt noch ein Blick in die Geschichte. In den Versailler Verträgen war festgelegt, dass im Gebiet Schlesien darüber abgestimmt wird, ob man zu Polen oder zum Deutschen Reich gehören will. Diese Abstimmung fand 1926 statt und es gab eine große Mehrheit für die Rückkehr zum DR. Die Hüter von Recht, Ordnung und Demokratie in London haben diese Abstimmung ignoriert, einfach als nichtig erklärt. Auch das zählt zu den Auslösern des Zweiten Weltkriegs. Hätte man dem Volkswillen stattgegeben, auch in Böhmen, rechtzeitig, hätte dieser wahnsinnige Krieg vielleicht vermieden werden können. Hätte man in der Ukraine vor 2014 ein solches Referendum abgehalten und befolgt, gäbe es jetzt keinen Krieg dort. So könnte echte Demokratie, mit Abstimmungen mit ergebnisoffenem Ausgang, deren Ergebnisse respektiert werden, tatsächlich zum Frieden führen. Dauerhaftem Frieden. Wer wollte das nicht?
Lesen Sie dazu auch: Wann und wie enden Kriege normalerweise?
https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20231/wann-und-wie-enden-kriege-normalerweise/
Nachtrag: Gerade heute, am 19.12.2024, hat Putin wörtlich gesagt:
"Wir brauchen keinen Waffenstillstand, wir brauchen Frieden – langfristig, dauerhaft und mit Garantien für die Russische Föderation und ihre Bürger. Das ist eine schwierige Frage – wie diese Garantien sichergestellt werden können. Aber grundsätzlich lässt sich danach suchen."
In diesem Sinn sende ich mit meinen Betrachtungen einen freundlichen Gruß nach Moskau und Washington.