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Die Geschichte einer Illusion: Demokratie in der Bundesrepublik
Von Reinhard Leube
Wie wurde es möglich, dass das Wahlvolk bei den vorgezogenen Bundestagswahlen in Dunkel-Deutschland 2025 fast überall ein weiteres Mal der CDU/CSU zu einer relativen Mehrheit verholfen hat, nach allem, was in den letzten Jahrzehnten unerledigt liegengeblieben war und nach allem, was während ihrer Zeit am Hebel der Macht in Deutschland geschah? Hatte sich die CDU wirklich noch nicht genug vom Wählerwillen entfernt und das Geld der Leute nach eigenem Gutdünken neu verteilt?
Heute stehen Sie überall vor verlassenen Baustellen, die Brücken stürzen ein oder müssen vorbeugend großräumig umfahren werden. Großprojekte dauern viel länger als geplant und werden x-mal so teuer. Wenn die Züge gar nicht erst losfahren, werden sie in der Statistik der Verspätungen kurzerhand nicht mehr erwähnt. Wieso setzten sozial orientierte Menschen ernsthaft noch einmal ihr Kreuz bei der SPD nach allem, was sie zusammen mit den Grün_innen verzapft hatte? Wie viele Reformen sollen alles noch schlimmer machen, bis die Leute den Kanal voll haben? Haben sich die Menschen aufgegeben? Glauben sie wirklich, dass in ihren früheren Parteien noch einmal Vernunft einkehren könnte? Schauen Sie sich das Spitzenpersonal an…
Nachdem die besten Demokraten, seit es die Demokratie gibt, die Opfer auf den Straßen jahrzehntelang mit ihrer Vergangenheitsbewältigung traktiert hatten, fordern sie jetzt die weichgespülten Produkte zu Kriegsbereitschaft auf wie einst Dr. Joseph Goebbels und sein Führer Adolf Hitler. Doch damals wurden Jungs noch nicht dazu angehalten, im rosa Kleidchen im Sandkasten zu spielen. Ich habe keine Ahnung, wie sie nach Jahrzehnten der pazifistischen Erziehung auf einmal wieder Kriegsbereitschaft herstellen wollen. Die Kinder dürfen sich ja noch nicht einmal mehr prügeln, ohne dass ihnen jemand wie ich erklärt, dass man jeden Streit auch im Gespräch lösen kann. Und Frauen hat noch nicht einmal ein Taugenichts wie Adolf Hitler auf die Schlachtfelder geschickt.
Richtig ist, dass die übergroße Masse der Leute im Westen davon überzeugt ist, dass ihr Staat früher eine funktionierende Demokratie gewesen sei und dass gewissermaßen alles zum Wohle des Volkes getan wurde. Die Städte und Dörfer waren geschniegelt und gebügelt und die Läden waren chic und voll. Deshalb wählten sie auch 2025 noch einmal unbeirrt die Parteien, mit denen es früher so kuschelig gewesen war. An diesem Ergebnis der letzten Bundestagswahlen bin streng genommen ich schuld. Der Band über „Unsere Demokratie“ in der alten Bundesrepublik ist nicht rechtzeitig fertiggeworden. Tschuldigung.
Ein Komet am Himmel ist leider erst jetzt zu haben. Anhand der 1960er Jahre lässt sich ausgezeichnet zeigen, dass das politische System in der Bundesrepublik von Anfang an eine einzige konzertierte Aktion war, ein abgekartetes Spiel der Spitzen des demokratischen Blocks mit dem Ziel der schrittweisen Zerlegung des Deutschen Reiches. Schuld musste natürlich eine Verschwörung des Auslands gegen Deutschland sein. Über die Massenmedien war seit den 1950er Jahren der Eindruck gefestigt worden, dass braune Seilschaften aus den Jahren bis 1945 angeblich die Geschicke der Bundesrepublik gelenkt hätten. Sonst hätte man weder im Ausland noch in der Bundesrepublik selbst geglaubt, dass mit aller Vehemenz an der Wiedervereinigung von der Maas bis an die Memel noch bis in das Jahr 1990 von Kohl und Genscher so verbissen festgehalten wurde. Aus welchem Grund hätten Gutmenschen mit solchen revanchistischen Forderungen immer wieder auftrumpfen sollen? Für die gemeinen Bundesbürger waren das die Träumereien der Trachtenvereine; für das Ausland von Washington über Paris bis Warschau, Prag und Moskau war das die gültige Rechtslage in Bonn und Karlsruhe.
Die Lösung ist so einfach wie einleuchtend: Die Sternchen* aus den Zeiten der Diktatur waren auf dem besten Weg, Deutschland langfristig und dauerhaft in mehrere Teile zu zerlegen. Während die SPD in den 1950er Jahren noch die Wiederherstellung des Deutschen Reiches in ehemaligen Grenzen forderte und der SPD-Chef Dr. Kurt Schumacher in öffentlichen Reden noch die kriegerische (!) Unterstützung durch die westlichen Alliierten zur Wiedererlangung der Provinzen östlich der Oder forderte, gingen die Spitzen der SPD und der FDP nach dem ersten prozentualen Wahlsieg Willy Brandts im Herbst 1961 dazu über, parallel und gleichzeitig eine staatliche Anerkennung der DDR ins Gespräch zu bringen. Es war eine Mischung aus Zeit schinden und Gewöhnung der heranwachsenden Generationen an Realitäten, wie sie nun einmal (selbst herbeigeführt worden) waren.
National orientierte Querschläger, die es in allen Parteien gab, wurden über die Jahre und Jahrzehnte langsam aus der Spitzenpolitik rausgekegelt. Am Ende der 1960er Jahre war in den Höhen der großen Politik beinahe nur noch Willy Brandt (SPD) hängengeblieben. Er wusste aus Gesprächen mit Außenministern und großen Chefs, dass es die Vereinigung bis zur Oder nur gibt, wenn nach der DDR auch die „B.R.D.“ die Oder-Neiße-Grenze anerkennt. Doch diejenigen, die wussten, worum es geht, wie es Marion Gräfin Dönhoff ausdrückte, haben jede nur denkbare Fußschlinge ausgelegt, damit dieser Träumer nicht irgendwann noch Kanzler in Bonn werden konnte.
Die Masse der Menschen jedoch wurde mit einem steigenden Lebensstandard ruhiggestellt und mit der Vogelscheuche des Kommunismus jenseits der Demarkationslinie von Lübeck über die Rhön bis nach Hof von effektiver Kritik an der großen Linie der Bonner Außenpolitik abgehalten. Als Brandt „mehr Demokratie wagen“ wollte, hat sich die Nachkriegselite nur an die Platte gefasst. Die Nazis waren abgehalftert worden und nun bauten sie ihre eigenwillige Demokratie neuen Typus auf. Darin hatten Leute wie Brandt natürlich keinen Platz für die Ewigkeit.
In diesem Band meiner Geschichtsserie, die im Anderwelt Verlag erscheint, erleben Sie die Tricks und Kniffe mit, mit denen der in weiten Teilen des Volkes beliebte SPD-Politiker Willy Brandt 1961, 1965 und 1966 daran gehindert wurde, den prozentualen Vorsprung seiner Partei in seine Kanzlerschaft umzumünzen. Wer ihn wegen seiner Versuche, die neue Ostgrenze hinzunehmen, abgelehnt hatte, darf sich bei seinen Leib- und Magenmedien dafür bedanken, dass sie ihm nicht erklärt hatten, dass im Ausland nirgendwo Neigung bestand, das riesengroße Deutschland noch einmal zu ermöglichen. Als sich Brandt nach ewigem Hängen und Würgen 1969 durchgesetzt hatte, lotsten einige der Besserwisser in Bonn am Rhein einen DDR-Agenten aus der westdeutschen Provinz nach Bonn und stellten ihn im Bundeskanzleramt an. Hätte Brandt irgendwann einen falschen Handgriff getan, hätte man ihn ab Anfang 1970 jederzeit mit einem Spionageskandal zum Rücktritt bewegen können. Aber das wird im nächsten Band meiner Serie im Detail beleuchtet.
Im vorliegenden Band Ein Komet am Himmel setze ich auseinander, dass der Mauerbau viel mehr mit Ulbricht und Akteuren in der Bundesrepublik zu tun hatte als mit dem wilden und zotteligen russischen Bären im Kreml. Die Geschichte der Bundesrepublik ist wesentlich spannender, als es auf den ersten Blick scheint. Sie erfahren, wann zum Beispiel der Kirchenmann Manfred Stolpe in die deutsche Geschichte eingestiegen ist. Nach dem Ende der gescheiterten Teilung wurde er kritisiert, weil er mit Unserer Stasi kooperiert hat. Doch Richard von Weizsäcker war immer der Gute, der Weise, der Vernünftige. Nichtsdestotrotz haben im Osten wie im Westen die Chefs der großen Kirchen dem gleichen Herrn in der Höhe gedient. Wussten Sie eigentlich, dass der gute Richard seinen Dienst ursprünglich in der Kirche abgeleistet hat? Wissenswertes findet sich hier ebenfalls über den „Ost-Berliner“ Anwalt Dr. Wolfgang Vogel und eine ganze Reihe westdeutscher Vögel.
In grelles Licht getaucht werden auch im Band über die 1960er Jahre wieder Marksteine der deutschlandpolitischen Beeinflussung durch Vertreter der Parteien des demokratischen Blocks sowie die demokratieferne Kooperation der Spitzenkräfte untereinander – und gerne auch gegen die Vorstellungen und Wünsche ihrer eigenen Wählerschar. Zwischen den Oberschlauen und Besserwissern gurkt immer wieder Willy Brandt herum, den die Parteibasis verehrte im Unterschied zu spröden, arroganten und schnodderigen Funktionären wie Fritz Erler, Herbert Wehner oder Helmut Schmidt.
Genießen Sie hier immer wieder kluge Sprüche Brandts über seine vermeintlich dusseligen Parteifreunde und die Heckenschützen aus anderen Lagern. Er wollte partout nicht verstehen, dass er sich seine neunmalklugen Erkenntnisse an den Hut stecken konnte. Ja, natürlich musste der Bundestag nur die deutschen Nachkriegsgrenzen an der Oder und der Görlitzer Neiße sowie die endgültige Abtrennung Österreichs vom Deutschen Reich anerkennen, ein Reich, das im Bonner Wolkenkuckucksheim weiterexistierte, obwohl die Sternchen* wussten, dass es nicht wiedererstehen durfte. Dann hätte man 1950 oder 1960 oder 1970 oder 1980 die Vereinigung der vier Besatzungszonen in Deutschland bekommen, wie sie 1990 selbstredend möglich wurde. Es wäre allerdings 1950 bei Weitem noch nicht so affenteuer geworden, weil die großen und kleinen Unternehmer noch im Osten produziert haben, die dann bei Nacht und Nebel in den Westen entschwanden und dort für Wohlstand sorgten.
Wissenswert und brandaktuell für uns heute ist, wie und warum nach dem Mauerbau die NPD entstand – und wie sie vom Inlandsgeheimdienst in die rechte Schmuddelecke geschoben wurde, bis sie von der Masse der Leute als Nazi-Partei abgelehnt und kaum noch gewählt wurde. Der Trick, wie man Ansichten und Wünsche, die von der alternativlosen Linie in Bonn abweichen, von politischem Einfluss ausschließt, ist uralt und viele Menschen in der Bundesrepublik sind auf den gleichen Trick auch bei den Republikanern und jetzt leider noch einmal bei der AfD hereingefallen.
Die NPD wurde von einem Demokraten aus der CDU gegründet, weil sich in Bonn auch drei Jahre nach dem Mauerbau keine Partei des demokratischen Blocks darum bemühte, Ulbrichts Grenzbefestigung wieder aus der Landschaft zu bekommen. Demokraten aus der CSU gründeten die Partei der Republikaner, weil sie ursprünglich die Milliarden-Kredite für die wirtschaftlich ins Straucheln gekommene DDR verhindern wollten, Geldflüsse, die unter Helmut Schmidt (SPD) und Franz Josef Strauß (CSU) eingefädelt worden waren. Dann wurden auch die Republikaner an den rechten Rand geführert, bis sie vom Spieltisch verschwunden waren.
Die AfD wollte die Aushebelung der Verträge, die zur Einführung des Euro geführt hatten, abwenden und später kriminell aufgefallene Ausländer dorthin schicken, wo die Sonne länger scheint als bei uns, lange bevor die ausufernde Kriminalität zumindest als Einzelfälle in den Medien erstmals offiziell eingeräumt wurde. Daraus machten die freien und vom Publikum unabhängigen Medien, dass die AfD alle Ausländer abschieben wolle und von dieser Droge sind sie noch immer nicht wieder weggekommen. Verheerend ist, dass die meisten Menschen in West-Deutschland noch nicht das Ohr und den Blick für schamlos lügende Scharlatane in den gebührenpflichtigen asozialen Medien erworben haben. Ihnen fehlt, was man eigentlich seinem ärgsten Feind nicht wünscht: die Erfahrung von mehreren Jahrzehnten in einer realen Diktatur unter bildungsfernen Gutmenschen, unter wohlmeinenden Amateuren. Sind sie nach der unverschämten Wählertäuschung eines Friedrich Merz nun endlich bereit zum Umdenken oder muss der Krug allen Ernstes zum Brunnen gehen, bis er bricht?
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