Der Tod spricht polnisch – eine Rezension
Von Hubert von Brunn
Einen Roman auf vier Ebenen zu erzählen, ist ein literarischer Geniestreich, der Alexander Donner auf beeindruckende Weise gelingt. Da ist die erste Ebene, ein spannender Krimi mit einem zumeist übellaunigen Kommissar Turner und seiner extravaganten Assistentin Edith. Drei mysteriöse Morde innerhalb kürzester Zeit bereiten einiges Kopfzerbrechen und den Ermittlern – wie dem Leser – wird immer klarer, dass der Schlüssel für diese Verbrechen in der Vergangenheit der Opfer liegt. Womit wir uns auf der zweiten Ebene bewegen, der Vergangenheit, die der Autor in kurzen, prägnanten, mitunter verstörenden Lebensbeschreibungen wieder lebendig werden lässt.
Äußerst geschickt spinnt Donner Beziehungsfäden zwischen diesen beiden Ebenen und lässt sie hineinwirken in die dritte, nämlich der sehr lebendigen und lustvollen SM- und Fetischszene im Hier und Heute. Plötzlich gewinnen Figuren, die auf „ihrer“ angestammten Ebene eine klar definierte Rolle gespielt haben, eine völlig andere Bedeutung und geben in diesem nicht alltäglichen Kontext die andere, die dunkle Seite ihrer Existenz zu erkennen.
Dazwischen schaltet sich gewissermaßen als Vermittler oder Katalysator der Ich-Erzähler Alexander ein (vierte Ebene). Mit seinen inneren Monologen, philosophischen Betrachtungen und psychologischen Studien lässt er die Ereignisse noch einmal in einem ganz anderen Licht erscheinen. Dabei schwebt er nicht distanziert über den Dingen, sondern wird selbst in das Geschehen hineingezogen, wird vom Beobachter zum Handelnden.
Dieses Verweben von Fiktion (Kriminalstory), historischen Wahrheiten (Vergangenheitsbewältigung) und die Beschreibung eines gesellschaftlichen Phänomens unserer Tage (SM/Fetisch) geben diesem Buch seine einmalige Prägung und dem Leser am Ende die Gewissheit, dass die Geschichte nur so und nicht anders verlaufen konnte.
Speziell die im 2. Teil sehr detailliert und mit entsprechender sprachlicher Prägnanz geschilderten SM-Praktiken mögen dem einen oder anderen Leser, der mit dieser Szene nicht vertraut ist, befremdlich erscheinen. Doch zum einen bewegt sich Donner – auch wenn es um die Schilderung deftiger Details geht – stets auf sprachlich anspruchsvollem Niveau, zum andern lässt er auch solche Szenen nicht unreflektiert. Vielmehr appelliert er an die Toleranz aufgeklärter Menschen in einer freien Gesellschaft, in der auch Extreme ihre Daseinsberechtigung haben, solange kein Zwang ausgeübt wird und niemand zu Schaden kommt. Zumal – und das mag den „uneingeweihten“, womöglich mit Vorurteilen belasteten Leser verblüffen – sehr viel echte Liebe mit im Spiel ist.
„Der Tod spricht polnisch“ ist ein schillernder, unkonventioneller, lustvoll provozierender und zugleich philosophisch tiefgründiger Roman. Er führt in die Höhen und Abgründe menschlicher Obsessionen und setzt Fragezeichen hinter die Wirklichkeit des Seins, die doch oftmals so ganz anders ist als es scheint.
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