SILVESTER
Der Kalender dünn und bieder
Altersschwach und ausgebrannt.
Das Vergang’ne kommt nicht wieder
Grau und müde ist das Land.
War das alte Jahr ein gutes?
Hat es Weisheit mir gebracht?
Bin ich froh und guten Mutes?
Spüre ich der Liebe Macht?
So fragen wir nicht ohne Bangen
Und reden uns die Antwort schön.
Was bleibt, ist schließlich das Verlangen:
Nächstes Jahr könnt’s besser geh’n.
Nun ist er da, der Herr Silvester
Und verlangt nach Rechenschaft.
Sei nicht so streng, sei mild, mein Bester
So manches hab’ ich doch geschafft.
Ich habe niemand umgebracht,
Obwohl’s mich manchmal arg gejuckt.
Ich hab’ geschwiegen mit Bedacht,
Auch wenn es in der Faust gezuckt.
Keinen Freund hab’ ich betrogen
Und auch keine Bank beraubt.
Nur, wenn’s nötig war, gelogen
Und an das Gute stets geglaubt.
Das sollte mir zum Lob gereichen,
Denn redlich hab’ ich mich gestreckt,
Jede Rechnung zu begleichen,
Und manches Ungemach versteckt.
Es treibt das Pendel ohne Gnaden
Des Zeigers Weg gen Mitternacht.
Jetzt sind wir auf der Zielgeraden
Gleich schlägt der Gong – es ist vollbracht!
Gute Tage, schlechte Tage,
Manchmal Leid und manchmal Glück.
Sei’s wie’s will, ich führ’ nicht Klage
Blick’ nach vorn und nicht zurück.
Das neue Jahr, es möge kommen
Und geben, was es geben kann.
Ich hab’ noch jeden Berg erklommen
Und steh’ auch weiter meinen Mann.
Drum Freunde, lasst uns fröhlich trinken
Auf uns und auf die neue Zeit.
Möge uns Fortuna winken
Wir sind da, wir sind bereit!
Hubert von Brunn
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