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„Ist Deutschland ein souveräner Staat?“ – Man möchte es gern meinen

Eine Rezension von Hubert von Brunn

Unterstellt, Sie gehören zu den Menschen, die das, womit die „Qualitätsmedien“ uns täglich füttern, nicht kritiklos hinnehmen, sondern mehr wissen wollen über Hintergründe und Zusammenhänge auf politischer, wirtschaftlicher und sozialer Ebene – dann muss ich Sie vor der Lektüre dieses Buches warnen. Während der Autor ganz nüchtern Seite für Seite haarsträubende Missstände, unsägliche Kungeleien hinter den Kulissen und an Volksverrat grenzende Machtspiele dahinblättert, wird Ihnen nämlich speiübel oder Sie werden unglaublich wütend. Es ist auch nicht auszuschließen, dass beide Reaktionen eintreten.

So mancher in dem Buch behandelte Aspekt, der hinter der Formulierung „Souveränes Deutschland“ ein dickes Fragezeichen provoziert, ist dem an der Geschichte des 20.Jahrhunderts interessierten Leser natürlich bekannt. Er weiß, dass in Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs de facto Besatzungsrecht herrscht, das die Amerikaner bis heute konsequent für die Durchsetzung ihrer Interessen in Anspruch nehmen; dass der Steuerzahler jedes Jahr zig Millionen Euro für die Unterhaltung der US-Militärbasen in unserem Land aufbringen muss, dass von hier aus der von Obama befeuerte Drohnenkrieg im Mittleren und Nahen Osten geführt wird. Er hat von der „Kanzlerakte“, dem „Unterwerfungsbrief“, gehört, den alle bisherigen Bundeskanzler als Ausdruck der Anerkenntnis amerikanischer Oberhoheit unterzeichnet haben, vielleicht auch vom „Artikel-10-Gesetz“ von 1968, wodurch das bis dahin im Grundgesetz garantierte Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis eingeschränkt wurde und den Alliierten – sprich den Amerikanern, die anderen sind inzwischen alle weg – das unumschränkte Recht zum Abhören und Ausspähen aller Bürger und Institutionen – inklusive der Bundeskanzlerin – einräumt.

Die handwerkliche Präzision dieses Werkes ist absolut überzeugend

Wolfgang Schimank indes besticht durch außergewöhnliches Detailwissen. Er geht den Dingen auf den Grund. Er macht aus Halbwissen und Hörensagen fundiertes Wissen. Das ist eine der herausragenden Leistungen dieses Buches. In akribischer und sehr aufwendiger Recherchearbeit hat er für jede seiner Thesen und Behauptungen Testimonials gefunden – Politiker, Wissenschaftler, Buchautoren, Journalisten –, die er zu Wort kommen lässt. Jedes Zitat unübersehbar als solches kenntlich gemacht, mit Quellenangabe und Datum sorgsam dokumentiert. Die handwerkliche Präzision dieses Werks würde jeder kritischen Beurteilung eines Doktorvaters standhalten. Dabei – und das ist die nächste großartige Leistung des Autors – liest sich sein Buch eben ganz und gar nicht wie eine Doktorarbeit, sondern eher wie ein spannender Krimi.

Es erzählt die Geschichte eines großartigen Volkes, das spätestens mit dem in allen Belangen ungerechten Verdikt des Versailler Vertrages klein gemacht und ein für alle Mal in die Knie gezwungen werden sollte. Das aber wieder aufgestanden ist, wieder verloren hat, danach wieder ganz von vorn angefangen hat und trotz aller Ressentiments und Stolpersteine seitens der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs es wieder geschafft hat, zumindest wirtschaftlich die Nummer eins in Europa zu sein. Alle Versuche der Amerikaner, diesen aufmüpfigen Germanen die Daumenschrauben anzulegen und durch allerlei juristische Tricksereien dafür zu sorgen, dass sie nicht wirklich den Handlungsspielraum haben, wie es dem größten Land in Europa zustünde, haben (noch) nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt.

Das Kreuzchen auf dem Wahlzettel – mehr Demokratie gibt es nicht

Das allein ist ja schon starker Tobak, aber dann kommen wir zu Europa, zu der nationalen Selbstaufgabe, die unsere Häuptlinge – angefangen von Helmut Kohl bis hin zum vorläufigen Höhepunkt Angela Merkel – bei der Fortentwicklung Europas seit 1990 an den Tag gelegt haben. Hier zerpflückt Schimank u.a. den Vertrag von Lissabon (2009), den er minutiös als „Machterschleichungsvertrag“ seitens der Brüsseler Eurokraten entlarvt. Ein Vertrag, der die Rechte der nationalen Parlamente erheblich beschneidet, der dazu geführt hat, dass ein Großteil der Gesetze, die im Deutschen Bundestag beschlossen werden, letztlich von der EU vorgegeben sind. Anderen EU-Staaten geht es nicht besser, aber die dürfen sich unter Umständen schon mal dagegen wehren, zum Beispiel mit einer Volksabstimmung. In Deutschland geht das nicht. Die repräsentative Demokratie lässt das nicht zu. Alle vier Jahre darf der deutsche Bürger ein Kreuzchen auf dem Wahlzettel machen, das war’s. Mehr Demokratie brauchen wir nicht und über Souveränität reden wir nicht.

Am Ende des Buches kommt der Autor zu dem Fazit: „Die EU ist der Vorhof der USA, das Schachbrett geostrategischer amerikanischer Interessen…“ An der Stelle sind wir bei der dritten und nach meinem Dafürhalten absolut herausragenden Leistung angelangt, die Wolfgang Schimank mit diesem Werk vollbracht hat. Er macht die Zangenbewegung deutlich, der sich das Deutschland von heute ausgesetzt sieht. Da sind auf der einen Seite die nach wie vor gültigen, perfide in die deutsche Rechtsprechung eingewobenen Besatzungsrechte der Amerikaner, auf der anderen Seite die alles andere als solidarische Haltung anderer europäischen Staaten. Die Deutschen dürfen gern das ergiebige Melkvieh sein, wenn es darum geht, dem „Club Mediterrané“, also den maroden Südstaaten in Europa (EZB und Herr Draghi lassen grüßen), finanziell auf die Beine zu helfen. Die bei Abstimmungen in der EU erforderliche Einstimmigkeit (Malta ist dann so groß wie Deutschland) führt dann immer wieder dazu, dass deutsche Interessen mehrheitlich abgeschmettert werden.

Wolfgang Schimank macht eindeutig klar: Formal gesehen haben wir schon so etwas wie Souveränität. Mit Frist von zwei Jahren könnte Deutschland aus der Nato austreten und sich damit endgültig – auf militärischer Ebene – des Gängelbandes der USA entledigen. Deutschland könnte auch aus der EU austreten (siehe Brexit), die D-Mark wieder einführen und die schon einmal vorhandenen wirtschaftlichen und politischen guten Beziehungen zu Russland wiederbeleben. Das würde für die Deutschen von großem Vorteil sein und die USA und die Europäer würden sich dabei ganz schön umgucken. Dazu bedürfte es allerdings einer starken Regierung, eines Kanzlers mit Rückgrat, der sich nicht davor scheut, die rechtlich gegebenen Möglichkeiten tatsächlich umzusetzen. – Ein Land wie Deutschland hat alle Voraussetzungen, ein souveräner Staat zu sein und ein souveräner Staat kann, nein, hat die Pflicht seinem Volk gegenüber, diese Rechte konsequent auszuüben. Das ist die nachklingende Botschaft dieses Buches, dessen Lektüre ich – aller oben genannten Vorbehalte zum Trotz – eindringlich empfehlen kann.


Ist Deutschland ein souveräner Staat“ von Wolfgang Schimank ist erhältlich im Buchhandel oder besser direkt zu bestellen beim Verlag hier.

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