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Rasse und Gender: Die Obsoleterklärung von Begriffen und ihre Folgen

Eine sozio-philosophische Betrachtung von Dr. Wolfgang Caspart

Für oder gegen obsolete Begriffe kann niemand sinnvollerweise kämpfen. Was es nicht gibt, kann nicht Gegenstand eines vernünftigen Streits sein. Erklärt eine internationale Autorität wie die UNO etwas als obsolet, so folgen daraus selbstverständlich Konsequenzen.

Rasse

So hat im Vorfeld der UNESCO-Konferenz „Gegen Rassismus, Gewalt und Diskriminierung“ eine Arbeitsgruppe von 18 internationalen Wissenschaftlern unter Leitung des Wiener Anthropologen Univ. Prof. Dr. Horst Seidler in der Konferenz „Gegen Rassismus, Gewalt und Diskriminierung“ vom 8. bis 11. Juni 1995 in der „Stellungnahme zur Rassenfrage“ offizielle festgestellt (Dokumentationsarchiv 1996): „Es gibt keinen wissenschaftlichen Grund, den Begriff ´Rasse´ weiterhin zu verwenden.“ Der Rassebegriff ist damit UN-amtlich obsolet, und das Wort „Rasse“ wird seitdem gerne unter Anführungszeichen setzt. Bestenfalls spricht „man“ jetzt von Populationsgenetik.

Erstaunlicherweise werden aber die aus dem Begriff „Rasse“ folgenden Ableitungen nicht mit Anführungszeichen versehen. Welche da sind „Rassendiskriminierung, Rassismus, Rassentrennung, Antirassismus, Rassentheorie“ und Ähnliches. Man sollte meinen, wo es keine Rasse gibt, kann es auch keine Rassendiskriminierung, Rassentrennung oder Rassentheorie und keinen Rassismus oder Antirassismus geben. Wenn kein wissenschaftlicher Grund existieren soll, den Begriff „Rasse“ weiterhin zu verwenden, warum sollte es rechtswissenschaftlich noch Begriffe wie „Rassendiskriminierung“,“ Rassismus“ oder „Rassentheorie“ samt Rechtsfolgen geben? Ist Rasse obsolet, was passiert dann mit dem Antirassismus? Die Obsoleterklärung der Rasse macht das Eintreten für, aber auch gegen diese zu einer vernunftwidrigen Angelegenheit. Müssen auch die USA ihre Pässe ändern, in denen die Rasse vermerkt ist?

Gender

Die Grundvorstellung des „Gender Mainstreaming“ ist, dass die gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Geschlechtsrollen von Männern und Frauen – anders als das biologische Geschlecht – erlernt und damit veränderbar seien. Die 4. UN-Frauenkonferenz 1995 hat die Geschlechterdifferenzierung von Mann und Frau und die Heterosexualität als Norm offiziell für aufgehoben erklärt. Mit dem Amsterdamer Vertrag von 1997 wurde das „Gender Mainstreaming“ zur „Querschnittsaufgabe der Politik“ der EU dekretiert. Völlig unabhängig von seinem biologischen Geschlecht soll jeder sein kulturelles, „soziales Geschlecht“ selbst bestimmen (Kuby 2006). Die Geschlechtsunterschiede sind damit ebenfalls für obsolet erklärt worden.

Wenn menschliches Verhalten freilich vom biologischen Geschlecht unabhängig sozial beliebig erlernt, verändert und gestaltet werden kann, machen positive wie negative Diskriminierungen von Mann und Frau keinen Sinn. Wenn die ontologische Gegebenheit des Menschseins zu ignorieren ist, wozu bedarf es dann noch einer speziellen Frauenförderung? Manifestieren sich morphologische und hormonelle Unterschiede nicht im Verhalten und damit auch nicht im Sozialverhalten, sind spezielle Frauenquoten wohl überflüssig. Im frei gestaltbaren „Uni-Sex“ haben spezielle Frauen- und Genderpolitik keinen tieferen Daseinszweck. Feministische „Genderkompetenz-Zentren“, „Gender-Beauftragte“ und „Gender-Budgeting“ verlieren ihre Berechtigungen und kosten überflüssig Geld.

Folgen

Keine Ursache ohne Wirkung. Ändert man die Voraussetzungen, also unsere Vorstellungen von der Natur, dann darf man sich nicht über die Folgen wundern. Die Verwechslung von Gleichwertigkeit mit Gleichartigkeit endet für die Betreiber allgemeiner Gleichheit kontraproduktiv. Es rächt sich, wenn man die Theorien, Hypothesen oder Utopien nicht an der Realität orientiert – die Aporien feiern fröhliche Urstände. Der monistische Egalitarismus (Gleichheitswahn) sucht nach der Negation und Fundamentalkorrektur der Natur und Schöpfung. Im Namen der Gleichheit aller Menschen soll die Einheit durch die Aufhebung der natürlichen Ungleichheiten künstlich hergestellt werden, einerseits durch Multikultur und Ethnomorphose, andererseits durch Frauenbevorzugung und Männerbenachteiligung (Röhl 2005). Unter Berufung auf die Freiheit wird der Freiheit zur Erzielung Gewalt angetan. Vor allem soll die sexuelle Revolution nach Wilhelm Reich (1966) die Menschheit vom Gewissen als „dem Schandmal einer unfreien Gesellschaft“ (Adorno 1966, S. 270) erlösen. Das Ziel ist es, den Menschen selbst zu verändern (Rosenkranz 2008, S. 35 ff).

Denn die fundamentale Unzufriedenheit mit den naturgegebenen Voraussetzungen des Menschseins ist der eigentliche Beweggrund für den Hass der gleichmacherischen Minderwertigkeitskomplexler und kompensatorischen Weltverbesserer auf die Realität. Mit „hasserfülltem Herzen“ richtete Adorno seinen „von Hass geschärfter Blick auf das Bestehende“ und entwickelte „seine Aggressivität“ (Wiggerhaus 1986, S 185). An den „naturwissenschaftlich notwendigen Geschichtsablauf“ der Paläomarxisten glaubt niemand mehr, an seine Stelle ist bei den Neomarxisten die moralische Attitüde der Betroffenheit und des Mitleids mit den „Diskriminierten, Entrechteten und Entfremdeten“ getreten (Kosiek 2001). Zur Therapie empfahl Max Horkheimer (1947) die „Methode der Negation“ und „die Denunziation dessen, was gegenwärtig Vernunft heißt“. Die traditionelle Geschlechterbeziehung aufzulösen und zur freien Disposition zu stellen, setzt den Schlusspunkt hinter die gehasste Tradition, das Gewissen, die bürgerliche Gesellschaft, den „Faschismus“, die bestehende Kultur und die Religion. Aus Feindschaft zur Natur wird auf die reine Milieutheorie gesetzt (Caspart 2008). Die Welt muss niedergerissen und die Natur bekämpft werden, um eine neue Welt und eine bessere Natur zu errichten – Diabolik und Neurotizismus in Reinkultur!

Differenzierung

Besser und rationaler wäre es, an die Stelle der Realitätsverweigerung ein differenziertes Denken zu setzen. An die naturwissenschaftliche Rassefrage wie an die sozialpsychologischen Geschlechterbeziehungen mit ihren jeweiligen rechtswissenschaftlichen Folgen sollte mit wissenschaftlichen Methoden herangegangen werden. Statt Begriffe wie Rasse oder Geschlecht für obsolet und damit inexistent zu erklären, wäre es wissenschaftlicher, hinter ihre Gegebenheiten zu blicken. Aus politischen und ideologischen Gründen mittels „confirmation bias“ nur erwünschte Belege zu suchen (Watson 1960) und in „illusionärer Korrelation“ unerwünschte Informationen zu ignorieren (Chapman & Chapman 1967), dient nicht der Wahrheitsfindung und löst keine Probleme, sondern verschlimmert sie.

Man mag zu Rassentheorien oder Geschlechterrollen stehen und sie gewichten wie man will, nur ihre Begrifflichkeiten auszublenden und damit jede Diskussion zu verweigern, ist sicherlich falsch und diskreditiert die Ignoranten selber. Dieses Vorgehen zeigt die tieferliegende Unsicherheit und Furcht, zu ideologisch unerwünschten Ergebnissen zu gelangen. Folglich vertrauen modernistische Einpeitscher auf die „Schweigespirale“ aus Isolationsangst, Konformitätsdruck und Konsonanzstreben (Noelle-Neumann 2001), um ihre vorgefassten Meinungen der Öffentlichkeit zu oktroyieren. Hilft aber nichts: Aus dem Feld zu gehen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, ist nicht Aufklärung, also kein „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (Kant 1784).

Literaturnachweis

Theodor W(iesengrund) ADORNO: Negative Dialektik. Verlag Suhrkamp, Frankfurt am Main 1966.

Wolfgang CASPART: Gender Mainstreaming. Es lebe die Perversion! In: Zur Zeit 3/2008, Wien 2007, S. 16.

Lauren J. Chapman & J.P. Chapman: Genesis of popular but erroneous psychodiagnostic observations. Journal of Abnormal Psychology 1967, 71, S 193-204.

Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes: Mitteilungen, Folge 129, Dezember 1996, S. 4.

Max HORKHEIMER: Eclipse of Reason (deutsch: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft). Englisch New York 1947, deutsch 1967. Gesammelte Schriften (herausgegeben von Alfred SCHMIDT), Band 6. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1991.

Immanuel KANT: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung. Zuerst 1784. Gesammelte Schriften, Akademie-Ausgabe, Band VIII. Verlag Reimer, Berlin 1912. Reprint Verlag de Gruyter, Berlin 1968.

Rolf KOSIEK: Die Frankfurter Schule und ihre zersetzenden Auswirkungen. Hohenrain Verlag, Tübingen 2001.

Gabriele KUBY: Die Gender Revolution. Relativismus in Aktion. FE-Medienverlag, Kißlegg 2006.

Elisabeth Noelle-Neumann: Die Schweigespirale. Öffentliche Meinung - unsere soziale Haut. 6., erweiterte Neuauflage. Langen Müller Verlag, München 2001.

Wilhelm Reich (1966): Die sexuelle Revolution. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1972.

Bettina RÖHL: Die Gender Mainstreaming Strategie. Utopie oder Wirklichkeit? Wie eine hauchdünne Funktionärsschicht in der Politik hinter den Kulissen den Boden für eine „Gender-Gesellschaft“ bereitet. Cicero, 31. März 2005.

Barbara Rosenkranz: MenschInnen. Gender Mainstreaming. Auf dem Weg zum geschlechtslosen Menschen. Ares Verlag, Graz 2008.

Rolf WIGGERSHAUS: Die Frankfurter Schule. Geschichte, theoretische Entwicklung, politische Bedeutung. Hanser Verlag, Frankfurt am Main 1986.

P.C. Watson: On the failure to eliminate hypotheses in a conceptual task. Quarterly Journal of Experimental Psychology 1960, 12, S 129-140.

(In: Zur Zeit 18/11, Wien 2011, S. 16)

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