------------------------------------

---------------------------------------

-------------------------------------

-------------------------------------

Um sich greifende Respektlosigkeit ist ein Makel falsch verstandener Demokratie

Von Hubert von Brunn

Da beschließt ein Gastwirt auf Rügen, künftig ab 17 Uhr keine Gäste unter 14 Jahren mehr zu bedienen. Ein Aufschrei geht durchs Land: kinderfeindlich, familienfeindlich, grundgesetzwidrig… Ein gewaltiger Shitstorm ist in den Sozialen Medien über den Mann hereingebrochen – bis hin zu Morddrohungen. Auf der anderen Seite gibt es auch Menschen, die viel Verständnis für seine Entscheidung aufbringen – ich gehöre dazu. Wieder einmal ist die Gesellschaft gespalten, weil in den Medien eine völlig verblödete Diskussion geführt wird. Das Problem, um das es wirklich geht, heißt nicht Kinder- oder Familienfeindlichkeit, sondern schlicht und ergreifend: Respekt.

Diesen irrationalen Disput um das Restaurant auf Rügen will ich zum Anlass nehmen für ein par Bemerkungen zu dem Begriff „Respekt“, der im aktiven Sprachgebrauch und erst recht im alltäglichen Verhalten vieler Menschen heutzutage überhaupt keine Rolle mehr spielt. Aufgewachsen in den 1950-er/-60er Jahren, gab es für mich als Kind jede Menge Respektspersonen: Vorneweg Vater und Mutter, die Großeltern, der Pfarrer, Lehrer, Polizisten, Feuerwehrmänner, Rettungssanitäter, ja, selbst der uniformierte Fahrkartenkontrolleur im Zug verlangte einen gewissen Respekt. Dass ich diese Haltung einnehmen konnte, habe ich meinen Eltern zu verdanken: Sie haben mich erzogen! Ich durfte meine Kinderwelt ausleben, meinem Spieltrieb folgen, meine Neugier befriedigen – aber es wurde mir auch unmissverständlich deutlich gemacht, wo die Welt der Erwachsenen beginnt, in der ich (noch) nichts zu suchen habe. Diese Spielregeln waren eindeutig, unmissverständlich und eine Verletzung derselben – was natürlich auch geschah – hatte Konsequenzen. Ich will nicht behaupten, dass die Erziehungsmaßnahmen, die mein Vater dann zuweilen ergriffen hat, dem heutigen Verständnis von Erziehung standhalten könnten – eher nicht. Dennoch (oder vielleicht sogar deswegen) ist etwas aus mir geworden: Abitur, Studium mit Abschluss, berufliche Karriere, finanzielle Unabhängigkeit vom Elternhaus… Einen bleibenden Schaden habe ich durch die Erziehung, die man mir hat angedeihen lassen, jedenfalls nicht erlitten.

Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt“

Kommen wir noch einmal zurück auf Rudolf Markl und sein Restaurant „Oma’s Küche und Quartier“. Er hat seine Gasträume mit Antiquitäten und liebevoll zusammengetragenen Sammlerstücken ausgestattet und aufwendig gestaltete Motto-Räume eingerichtet. Damit will er seinen Gästen, die zum Speisen in sein Restaurant kommen, ein besonderes Ambiente bieten. Dieser Wohlfühlaspekt geht jedoch unter, wenn sich Horden von unerzogenen kleinen Monstern diese Räumlichkeiten mit Toben und Schreien untertan machen, mit Essen um sich werfen und antiquarische Sammlerstücke zerstören. Dem wollte Rudolf Markl nicht länger tatenlos zusehen und hat jetzt die Notbremse gezogen. Rechtlich ist das überhaupt kein Problem. Er darf von seinem Hausrecht gebrauch machen und Einzelpersonen oder auch Gruppen von Personen den Zutritt zu seinem Restaurant verwehren, wenn nachvollziehbare, sachliche Gründe vorliegen. In dem Moment, wo sich andere Gäste durch das ungebührliche Verhalten tobender Kinder nachhaltig gestört fühlen, ist eine solche Begründung gegeben. Es handelt sich um einen Gastronomiebetrieb, der davon lebt, möglichst alle Gäste zufrieden zu stellen. Wenn ich mit meiner Partnerin auf Rügen Urlaub mache und sie am Abend zu einem romantischen Dinner einlade, dann habe ich das verdammte Recht, in Ruhe gelassen und nicht von unerzogenen Plagen belästigt zu werden.

Da kommen wir auf des Pudels Kern. Super emanzipierte Eltern, gut verdienend, vegetarisch/vegan, den Grünen zugetan, und über die Maßen selbstbewusst, vertreten in geradezu militanter Weise die Ansicht, dass ihre Kinder alles, wirklich alles dürfen und der Rest der Welt sich diesem Anspruch gefälligst unterzuordnen hat. Sie gehören schließlich der überlegenen Kaste an und haben mit dem Spießertum, das Höflichkeit, gegenseitige Rücksichtnahme und Respekt vor dem Anderen als Grundpfeiler einer gelungenen Erziehung postuliert, ganz und gar nichts zu tun. Da sind wir beim nächsten Begriff, der in vielen Familien abhanden gekommen ist: Erziehung! Kinder versuchen immer alles bis zum Gehtnichtmehr auszuprobieren, lassen ihrem Spieltrieb freien Lauf und folgen allein der Intuition ihrer Neugier. Das ist gut und richtig und völlig normal und Eltern sollten ihnen diesen Freiraum, wenn möglich auch einräumen. Aber nicht in einem Restaurant, in dem andere Gäste auch den Freiraum für sich in Anspruch nehmen dürfen, ungestört ihr Essen genießen zu können. „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt“, sagt sinngemäß der große deutsche Philosoph Immanuel Kant. – Recht hat er!

Wer keinerlei Autorität akzeptiert, wird letztlich versagen

Für Kampfmütter und -väter ist der kleine Mann aus Königsberg natürlich auch nur ein mediokrer Spießer, der selbst nie Kinder hatte und schon deshalb gar nicht mitreden kann. Sie haben in ihrer progressiven Weltsicht beschlossen, dass ihre Kinder keinerlei Zwängen unterworfen werden sollten, jederzeit das machen können, wozu sie Lust haben und in Konsequenz dieser Haltung den Begriff „Erziehung“ aus ihrem persönlichen Dictionnaire eliminiert. – An der Stelle kommen wir zu der Interdependenz von Erziehung und Respekt. Nach Lust und Laune gewähren lassen, hat mit Erziehung nichts zu tun. Erziehung bedeutet u.a. Lehren, Erklären, vor Gefahren warnen und Grenzen aufzeigen. Wie soll ein Kind wissen, wann es Grenzen überschreitet, wenn man ihm nie klar gemacht hat, wo die Grenzen sind? Die Versager sind die Eltern und so betrifft das Lokalverbot auf Rügen erst an zweiter Stelle die randalierenden Kinder. An erster Stelle betrifft es die arrogant-verblödeten Eltern, die nicht in der Lage sind, ihre Brut so zu erziehen, dass sie in der Lage wären, sich alltagstauglich zu verhalten. Wenn Eltern es versäumen, ihrem Nachwuchs zu vermitteln, was Respekt bedeutet und dass das neben Dankbarkeit zu den vornehmsten menschlichen Qualitäten zählt – dann dürfen sie sich nicht wundern, wenn aus dem Kind, das nie gelernt hat, eine Autorität anzuerkennen und zu respektieren, später ein Versager wird – zumindest die erwartete großartige berufliche Karriere ausbleibt.

Irgendwann ist nämlich Schluss mit lustig. Irgendwann wird jeder konfrontiert mit Lehrern, Meistern, Vorgesetzten – und diese sind in aller Regel nicht gewillt, respektloses Verhalten zu akzeptieren. Dann wird es für jene, die gewohnt sind, tun und lassen zu können, wonach ihnen gerade der Sinn steht, besonders schwer, sich unterzuordnen. Sie verstehen die Welt nicht mehr und viele von ihnen brechen die Ausbildung ab. Für ihre verkorkste Zukunft dürfen sie sich dann bei ihren ach so toleranten und progressiven Eltern bedanken. Irgendeinen mittelmäßigen Job kriegen sie dann vielleicht gerade noch hin – für eine Führungsposition wird es aber wohl kaum reichen. Dort sind nämlich heutzutage mehr denn je Teamfähigkeit, Sozialkompetenz und Emotionale Intelligenz gefragt. Wer diese Qualitäten nicht mitbringt, wird jedes Assessment Center für Führungskräfte als Verlierer verlassen.

Schlechtes Vorbild für Migranten aus Kulturen der Strenge

Und noch einen wichtigen Aspekt dürfen wir bei dieser Betrachtung nicht außer Acht lassen: Die immer mehr um sich greifende Respektlosigkeit gegenüber Menschen, die sich in den Dienst der Allgemeinheit stellen, von Berufswegen für Recht und Ordnung sorgen, in Notlagen helfen und Leben retten. Da werden Polizisten, Feuerwehrleute, Rettungssanitäter und andere Helfer bei ihren Einsätzen von irgendwelchen Rüpeln beschimpft, bespuckt und sogar tätlich angegriffen. Anmaßung, Dummheit und brutaler Egoismus trumpfen auf – von Respekt keine Spur. Sind das die viel beschworenen „westlichen Werte“, wird sich dann auch so mancher Zuunsgekommene aus Afghanistan, Irak, Syrien etc. fragen? Vor allem junge Männer, die von zuhause die strenge Hand des Vaters und die kompromisslose bis rigide Vorgehensweise der Staatsmacht gewohnt sind, reiben sich angesichts der Respektlosigkeit, der sie in unserer Gesellschaft allenthalben begegnen, verwundert die Augen. An der Stelle sind sie jedoch besonders lernfähig und verhalten sich nach einer kurzen Phase des Staunens genauso. ‚Wenn das hier so üblich ist, auf Polizisten im Einsatz loszugehen’, werden sie sich sagen, ‚dann machen wir das auch so. Wir sollen uns ja integrieren und an die Sitten und Gebräuche des Landen anpassen.’

Hier wird also endgültig deutlich, welchen Bärendienst die antiautoritären Mamis und Papis nicht nur ihren verzogenen Nachkommen, sondern letztlich der ganzen Gesellschaft erweisen. Demokratie kann nur funktionieren, wenn die geltenden Spielregeln von ALLEN eingehalten werden. Dazu bedarf es allerdings einer starken Regierung, die dafür sorgt, dass dieses demokratische Prinzip von den Ordnungskräften auch durchgesetzt werden kann. Genau das aber haben wir nicht – von unserer Justiz, der das Wohl des Täters vielfach wichtiger ist als das des Opfers, ganz zu schweigen. So gesehen, leistet der Wirt auf Rügen mit seinem Lokalverbot für randalierende Kinder durchaus einen wertvollen Dienst an der Gesellschaft. Allen Anfeindungen aus dem erziehungsfeindlichen Lager zu Trotz, lässt er sich nicht beirren und verlangt von allen Gästen in seinem Restaurant gegenseitigen Respekt. Eine durch und durch humanistische Forderung, die so manchen Kampfeltern und egomanen Selbstdarstellern zu denken geben sollte.

Nach oben