„Ausverkauf vom Traum Neuseeland“ – Wie ein blühendes Land verramscht wurde
Eine Rezension von Hubert von Brunn
Was hat Deutschland mit Neuseeland gemein? Beide Länder haben nicht wirklich die volle Souveränität, beide Länder sind auf politischer und militärischer Ebene Kolonien der Vereinigten Staaten von Amerika und in wirtschaftlicher Hinsicht Kolonien des internationalen Finanzkapitals. Diese Parallelen stellt Hans-Jürgen Geese in seinem neuesten Buch „Ausverkauf vom Traum Neuseeland“ her und es ist der kritische Befund eines Mannes, der wie kaum ein anderer prädestiniert ist, derartige Vergleiche anzustellen.
Geboren und aufgewachsen in Deutschland, beruflich viele Jahre sowohl in den USA als auch in Asien unterwegs und vor vielen Jahren als Auswanderer in Neuseeland sesshaft geworden, ist der Autor ein ebenso aufmerksamer wie kritischer Beobachter der Weltgeschehens, wobei sein besonderes Augenmerk den Zuständen in den Ländern gilt, denen er sich emotional am meisten verbunden fühlt: Deutschland und Neuseeland. In seinem ebenfalls im Anderwelt Verlag erschienenen Buch „Die Deutschen – Das klügste Volk auf Erden verabschiedet sich von der Geschichte“ breitet er aus, wie er die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen in seiner alten Heimat wahr nimmt und wie sehr es ihn schmerzt aus der Ferne miterleben zu müssen, wie „sein“ Deutschland sukzessive an die Wand gefahren wird.
In dem aktuellen Buch „Ausverkauf vom Traum Neuseeland“ liegt der Fokus seiner Betrachtungen auf der historischen Entwicklung des Inselstaates am anderen Ende der Welt seit 1840 (erster Vertrag der britischen Eroberer mit einem Maori-Stamm) bis zu Gegenwart. Mit erstaunlichen Detailwissen, das er an vielen Stellen durch Originalzitate (meist auch ins Deutsche übersetzt) belegt, lässt Geese den deutschen Leser teilhaben an den spezifischen Gegebenheiten in seiner neuen Heimat, stellt Persönlichkeiten vor, die für das Wohl und Weh des Volker verantwortlich waren und sind, gibt interessante Einblicke in die archaische Welt der Ureinwohner (Maori), gibt Auskunft über die Blütezeit – ab 1935, als ein sozialistisch angehauchtes Modell der Bevölkerung relativen Wohlstand und dem Staat bemerkenswerte Handlungsfreiheit bescherte – und analysiert schließlich den von außen herbeigeführten Niedergang dieser glücklichen Phase.
Neuseeland wurde im Laufe seiner Geschichte zweimal verkauft
Als Jahr des „Umsturzes“ definiert der Autor 1984. In diesem Jahr wurde die bis dahin von bodenständigen, ehrlichen, dem Volk verpflichteten Regierung infiltriert von im Ausland (USA und England) ausgebildeten Akademikern und Experten, deren einziges Ziel es war, Profite zu maximieren. Unterstützt von Heerscharen von Consultants, Lobbyisten und Juristen wurden ausländischen Spekulanten, Investoren und Heuschrecken Tür und Tor geöffnet, um sich und ihre Seilschaften zu bereichern, währen in der Bevölkerung die Schere von Arm und Reich immer weiter auseinander ging. Selbst die bis dahin blühende Landwirtschaft, einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Neuseeland, wurde „geopfert auf dem Altar des Kapitalismus“. Public Private Partnership (PPP) lautete plötzlich das Zauberwort, was nichts anderes bedeutet als Übernahme der Infrastruktur durch private Investoren – und der Steuerzahler muss dafür blechen. 1984 hat der Ausverkauf Neuseelands begonnen – und der Prozess setzt sich bis heute fort.
Die Maori liegen Geese sehr am Herzen und so empört er sich an mehreren Stellen im Buch über die Niederträchtigkeit der britischen Eroberer im Umgang mit den Ureinwohnern. Wie sie von den Herrenmenschen als Menschen dritter Klasse behandelt wurden, wie sie in ihrer naiven Gutgläubigkeit von Anfang an über den Tisch gezogen wurden, wie ihnen das Land für einen Spottpreis abgeluchst oder gleich genommen wurde, das dann clevere Europäer gewinnbringend weiter verscherbeln konnten. Den Maori ist es nicht anders ergangen als den Aborigines im benachbarten Australien oder auf der anderen Seite des Erdballs den Indianern in Nordamerika. Die Briten waren nie zimperlich, wenn sie als Eroberer und Kolonialisten in Erscheinung traten. Und so kommt Geese in seiner ganzheitlichen Betrachtung, in der die Eroberer und die Ureinwohner gleichermaßen Berücksichtigung finden, zu dem wenig erfreulichen Schluss: „Neuseeland wurde eigentlich im Laufe seiner Geschichte zweimal verkauft. Die Maoris verkauften das Land an die Weißen. Und nach 1984 verkauften die Neuseeländer jeglicher Couleur das Land wiederum an die ausländischen Investoren.“
Hans-Jürgen Geese pflegt einen sehr eigenwilligen Sprachstil. Manchmal ironisch bis sarkastisch, manchmal lakonisch-mitfühlend und mit humorigen Einwürfen. Manchmal spricht er den Leser auch direkt an: „Sie meinen, ich sei verrückt?“ oder „Ich frage Sie noch einmal: Was ist Realität?“ Dieser Stil ist etwas gewöhnungsbedürftig, doch wenn man sich auf diese Diktion einlässt, darf man sich an einer ebenso informativen wie unterhaltsamen Lektüre erfreuen. Die tiefen Einblick in ein Land, das nicht nur geographisch weit von uns weg ist, die erstaunlichen Bezüge, die der Autor zu seiner alten Heimat Deutschland herstellt und seine treffenden Analysen bezüglich der Verflechtungen im Zeitalter der Globalisierung machen dieses Buch zu einem außergewöhnlichen Lesevergnügen.
"Ausverkauf vom Traum Neuseeland" ist erhältlich im Buchhandel oder direkt zu bestellen beim Verlag hier.