Nicht noch einen Friedensvertrag!
Eine Rezension von Peter Haisenko
Man sollte meinen, ein Friedensvertrag sei das erstrebenswerteste Gut für eine Nation, die unter einem Krieg leidet, gelitten hat. So muss es verwundern, dass in Deutschland während der letzten 76 Jahre niemals ernsthaft darauf gedrungen wurde, endlich einen Friedensvertrag abzuschließen. Betrachtet man aber, welche Folgen der Vertrag von Versailles, das Diktat, für das Deutsche Reich hatte, sollte man da etwas vorsichtiger denken.
Reinhard Leubes sechster Band zur Geschichte von 1850 bis 1989 trägt den Titel „Nicht noch einen Friedensvertrag“. Er behandelt die Jahre 1942/43 und wartet nicht nur am Ende mit einer soliden Sensation auf: Wer hat den „Kalten Krieg“ „erfunden“? Doch bis diese Frage aufgedeckt wird, bereitet der Autor in seiner unnachahmlichen Weise den Leser darauf vor, seine Entdeckung als einzig logische Konsequenz zu erkennen. Natürlich, wie von Leube gewohnt, mit unzähligen Quellen belegt.
Leube beginnt den sechsten Band seines großen Werks mit einem Überblick über den Ablauf der Ereignisse – beginnend um 1900 bis 1990. Allein dieser Teil hat mich ungemein beeindruckt. Noch nie habe ich eine derart kompakte und treffende Zusammenfassung über die komplexe Geschichte des 20. Jahrhunderts auf etwa zehn Druckseiten lesen dürfen. Damit ist der Leser auf spannende Lektüre vorbereitet, ja neugierig gemacht. Und er wird nicht enttäuscht.
Durch alle seine Werke, beginnend mit „Septemberrevolution (1938)“, zieht sich der Nachweis, wie verbreitet bis in die höchsten Etagen der Widerstand gegen Hitler im „Dritten Reich“ war. So auch in den Jahren 1942/43, die in diesem Werk chronologisch abgehandelt werden. Er beweist ein ums andere Mal, wie alle Versuche, Hitler zu entmachten, vor allem daran scheitern mussten, weil von London und später sogar von Washington jede von führenden Widerständlern dort erbetene Hilfe für den Plan nicht nur verweigert, sondern perfide konterkariert worden ist. Er belegt, dass Churchill und Roosevelt ein klares Ziel hatten: Die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reichs. Mit weniger wollte man sich auf keinen Fall zufrieden geben. Das wurde spätestens auf einer Konferenz der beiden in Casablanca festgelegt und dokumentiert. Was eine bedingungslose Kapitulation für Deutschland bedeuten würde, war auch den Generälen im Widerstand bewusst und so war auch diese Ansage ein Beitrag, Hitlers Sturz zu verhindern und den Krieg weiterzuführen. Eben solange, bis eine bedingungslose Kapitulation abgewendet oder eben nicht mehr vermieden werden konnte.
Aber Leube wartet auch mit weiteren Erkenntnissen auf, die man so in den deutschen Geschichtsbüchern nicht finden kann. Natürlich alles bestens belegt. So führt er Stück für Stück an, in welchem Ausmaß speziell die USA die deutsche Kriegswirtschaft unterstützt haben. Anfangs mit Technologietransfers und dann ganz direkt mit Produkten aus Fabriken, die zu amerikanischen Konzernen gehörten und bis heute gehören. Zum Beispiel die Ford-Werke in Köln, die nicht bombardiert wurden. Aber nicht nur da. Auch im besetzten Frankreich gab es Werke, Automobilkonzerne, deren Eigentümer in den USA saßen und die ohne jeden Skrupel für die Wehrmacht produzierten. Die so auch zum Tod von Zig-Tausenden US-Soldaten und der Alliierten beitrugen und vor allem erst ermöglichten, den Krieg derart auszudehnen, flächenmäßig und zeitlich. Man bedenke, dass die USA das für Kampfflugzeuge unerlässliche Benzol bis ins Frühjahr 1945 zuverlässig nach Deutschland geliefert haben, auch in dem Wissen, dass es mit Raubgold bezahlt wurde.
Ohne die Hilfe der USA hätte Hitler den Krieg nicht beginnen und schon gar nicht auf so große Teile Europas ausweiten können. Aber da ist noch mehr. Am „Lager Auschwitz“ war ein US-Konzern beteiligt und der hat Gewinne aus der dort erzwungenen Zwangsarbeit kassiert. Die Zwangsarbeit in dem Lager war kriegswichtig. Verstehen wir jetzt, oder eben gar nicht mehr, warum die Alliierten peinlich darauf geachtet haben, die Zufahrtswege dorthin nicht zu bombardieren, zu zerstören? Erst als das Lager den Sowjets in die Hände zu fallen drohte, also 1945, haben sie die Geleise zerstört. Glauben Sie nicht? Lesen Sie Leube!
Spätestens mit „Stalingrad“ musste dem Letzten klar sein, dass dieser Krieg verloren war. Wenn er noch einen Rest an Hirn übrig hatte, in dem andauernden Propagandagewitter. Vor allem für die führenden und hochrangigen Widerständler gab es da keine Zweifel. So befanden sie sich in einer Zwickmühle. Verzweifelt weiterkämpfen in der winzigen Hoffnung, vielleicht doch noch das Kriegsglück wenden zu können, oder den Führer endgültig und so schnell wie möglich zu eliminieren. Es war dann Stauffenberg, der mit seinem heute hochstilisierten Versuch kläglich scheiterte. Hochstilisiert deswegen, weil es wie eine Einzeltat aussehen und so vergessen machen soll, wie weit verbreitet der Widerstand war. Wie sonst könnte man allen Deutschen die „Erbschuld“ eines Tätervolks anhängen?
Mit dem Jahr 1943 hat der Widerstand dann erkennen müssen, dass die bedingungslose Kapitulation nicht mehr abgewendet werden kann, ganz gleich, ob Hitler an der Macht ist oder tot. So haben sie sich einen Plan ausgedacht, wie Deutschland einem neuerlichen Friedensdiktat entgehen kann, das nach dem Muster „Versailles“ Deutschland auf ewig in Schulden stürzen und in Bedeutungslosigkeit verbannen würde. Dieser Plan wurde ausgeführt und hat funktioniert. Deutsche Generäle und Geheimdienstler haben erkannt, dass das Wissen der Alliierten über die Sowjetunion geringfügig bis nebulös war. So war es ein Leichtes, beginnend 1943, England und die USA mit falschen Informationen zu füttern. Die Stärke Stalins und seine Angriffslust Richtung Westen wurden maßlos übertrieben und überzeugte so die USA, dass sie nach ihrem Sieg Deutschland brauchten, als letztes Bollwerk und mögliches „Verbrauchsmaterial“ gegen die kommunistische „Aggression“.
Um zu verstehen, welche „Leistung“ hier vom deutschen Widerstand erbracht worden ist, muss man Leubes Werk gelesen haben. Immerhin waren die USA und Stalin Verbündete. So erging sich nicht nur der amerikanische Vizepräsident Henry Agard Wallace in Lobhudeleien über das Sowjetsystem und seine großartigen Errungenschaften, ohne die Gulags und andere Grausamkeiten auch nur zu erwähnen. Das gipfelte in seinem Satz: „Vor dem heutigen Sowjet-Asien müssen die Verleumder Russlands verstummen“. Da fragt man sich nur noch, wie die Kommunistenhatz der Mc Carthy Ära entstehen konnte. Dank Leube wissen wir es jetzt.
Auf diese Weise wurde nicht nur Deutschlands Geschichte bestimmt, bis mindestens 1989, wie im Vorwort angedeutet wird. Der nächste Band von Leubes Aufarbeitung der Geschichte zeigt dann auf, wie sich der Plan des deutschen Widerstands auf die Nachkriegszeit ausgewirkt hat. Er wird in Kürze erscheinen. Bis dahin müssen Sie sich zufrieden geben mit dem Wissen darüber, wie der Plan für den Kalten Krieg bereits als verzweifelte Maßnahme 1943 in Deutschland entwickelt worden ist, um den endgültigen Untergang zu verhindern.
Schon das ist eine Erkenntnis, die einem alles um die Ohren fliegen lässt, was man bislang über die jüngere deutsche Geschichte zu wissen geglaubt hat. Im Anhang können Sie wieder das Inhaltsverzeichnis einsehen, das mit seinen Überschriften einen Überblick bietet, darüber, wie vielfältig Leubes Werk aufgestellt ist.
Reinhard Leube: „Nicht noch einen Friedensvertrag“ ist ab sofort im Buchhandel oder noch schneller zu bestellen beim Verlag hier. Sichern Sie sich ihr persönliches Exemplar aus der Erstauflage.
Inhaltsverzeichnis:
Was Sie hier erwartet
1942
Zum Verständnis der Welt bis 1989 9
Antisemiten unter sich 25
Den Krieg verkürzen oder verlängern? 32
Für Deutschland und gegen das Naziregime 40
Auf Nimmerwiedersehen 41
Ach wie gut, dass niemand weiß 42
Die Illusion der Befreiung 43
Ende Gelände 45
Wachablösung im Osten 45
Individuelle Bedürfnisse in Seiner Volksgemeinschaft 47
Gipfeltreffen unter kleinen Lichtern 48
Kleine Siege gegen die braune Brut 50
Beim Rassismus scheiden sich die Geister 52
Terroranschlag in Prag 54
Die ultimative Bombe 55
Wer kann wirksam gegensteuern? 57
Wilhelm Leuschner im Bild 59
5. Gebot: Du sollst nicht töten 62
Neue Versuche zur Durchsetzung des Rassismus 64
Die Europäer warten auf die zweite Front 73
Ausgebildete Militärs gegen einen brüllenden Laien 78
Wider den Judenhass des Führers 81
Da gibt es nur Fallen, Fahnenflucht oder Rebellion 86
Wo gehen die Juden denn nun hin? 102
Kurt Georg Kiesinger im Bild 115
Hitler muss weg I 117
Hans Oster im Bild 119
Marion Gräfin Dönhoff im Bild 122
Quellen und Anmerkungen zu 1942 124
1943
Die Ernte von zwanzig Jahren Appeasement 133
Der Krieg kommt immer näher 139
Hitler muss weg II 143
Wo bleibt der Rassismus in unserer Gesellschaft? 146
Die Welt ist im Krieg und das ist auch gut so 147
Väterchen Frost ist das alles nicht ganz klar 149
Churchill und Roosevelt treffen sich in Casablanca 150
Hundert Gramm Brot pro Tag 155
Beobachtungen in Deutschland I 161
Vereint gegen Hitler oder wie? 164
Beobachtungen in Deutschland II 166
Die einzigen beiden Widerständler im Dritten Reich 173
Tappen im Dunkeln 178
Hitler muss weg III 180
Blätterregen aus der Höhe 183
Der Kampf um die totale soziale Gerechtigkeit 186
Die beiden einzigen Widerständler werden hingerichtet 194
Deutsche und Juden 199
Schweres Wasser für Hitlers Riesenbombe 200
Fanatischer Rückbau von Weltkulturerbe 201
Deutsche und Juden und die Bomben 203
Beobachtungen in Deutschland III 208
Hitler muss weg IV 211
Die Versorgung in den Händen von Dilettanten 214
Hans Bernd Gisevius im Bild 215
Europa im Bombenhagel 217
Hitler muss weg V 218
Wie kann man ein Versailles II jetzt noch verhindern? 225
Quellen und Anmerkungen zu 1943 248
Literaturauswahl 263