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Grenzen und Ambivalenz der Künstlichen Intelligenz

Von Hans-Jörg Müllenmeister 

Die Pisa-Studie bewies: Die Summe der Intelligenz auf unserem Planeten ist konstant. Die Bevölkerung wächst, vor allem in Deutschland! Da muss Künstliche Intelligenz her, die soll’s wieder richten. Schließlich wollen wir Hightech-Getriebenen endlich zum Mars. 

Was verstehen wir unter Künstliche Intelligenz? 

Die Heimat der Künstlichen Intelligenz (KI) ruht nicht in den Köpfen, vielmehr ist sie in aller Munde. Im mystischen Dickicht der Computer-Technologie fallen weitere aparte Begriffe wie Algorithmen, neuronale Netze oder das Deep Learning. Aber was ist überhaupt Künstliche Intelligenz? Stellen Sie sich dazu ein lernwilliges Kind vor, das durch Regeln, Muster und Wiederholungen seinen Lebensweg schrittweise erkundet, dann haben Sie im Prinzip eine Computer-„Lernmaschine mit KI“ konform abgebildet. Allerdings fehlt ihr die typisch menschliche Empathie – es gebricht ihr an letzter Kreativität mit der wir Zweibeiner aus Fleisch und Blut, samt den denkwilligen Synapsen, die Lösung eines Problems finden können. Auf die KI übertragen, heisst das: Je mehr Daten sie bekommt, um so schein-intelligenter ist sie. Rasch gelingt es ihr, daraus eigenständige Rückschlüsse zu ziehen, um eine komplexe Aufgabe zu lösen. Dabei ahmt sie unsere Verstandesleistung, unsere Intelligenz nach. Sie ist vor allem fähig, Muster und Trends in großen Datenmengen zu erschließen, die für Entscheidungen und Prognosen bedeutend sind. Etwa in der Spracherkennung, im Finanz-Unwesen bis hin zur personalisierten Medizin der Weißkittel-Zunft oder auch in der Roboter-Technik. Genau für diese Aufgaben ist die KI prädestiniert. 

Der KI-Quantensprung in der Computertechnologie 

Vorab zur Information: Die ungeheure Flut weltweit produzierter digitaler Speicherkapazität liegt bei etwa 40 Zetta-Byte (eine Trilliarde Bytes; das ist eine 1 mit 21 Nullen). Ein Bit ist ja die kleinste Informationseinheit des Computers und entspricht den Zuständen Strom an (1) und Strom aus (0). Ein Byte = 8 Bit = 256 Werte.

Zu Beginn der KI-Technologie war das Trainieren von Algorithmen für maschinelles Lernen begrenzt. Ein Algorithmus ist übrigens eine Art Rezept, das einem Computer sagt, was er Schritt für Schritt tun soll, um ein bestimmtes Problem einer Lösung näher zu führen. Aber Vorsicht: Eingegebene Algorithmen haben kein moralisches Bewusstsein. Erst als es gelang, größere Datenmengen zu verarbeiten, konnte sich die KI in das menschliche Denken – aber nicht ins Fühlen – mehr und mehr „hinein-denken“. Dies mit verbesserter Speicherkapazität und fortschrittlicheren Algorithmen. In den letzten Jahren hat die Künstliche Intelligenz mit der Entwicklung des sog. Deep Learning erhebliche Fortschritte gemacht. Damit lassen sich künstliche neuronale Netzwerke mit mehreren Schichten trainieren.

Das künstliche neuronale Netz

Stellen Sie sich dieses Gebilde aus vielen miteinander verbunden Mini-Computern vor, ähnlich wie das Synapsen-Netzwerk im menschlichen Gehirn. Was geschieht beim Training? Auf die eingehenden Daten wendet die KI in verschiedenen Ebenen Muster-Erkennungen an. Diese Muster werden so von Schicht zu Schicht immer abstrakter und nützlicher, um Entscheidungen oder Vorhersagen zu treffen. So lernt das Netzwerk Zug um Zug komplexere Muster zu erkennen.

Und doch gebricht es der Künstlichen Intelligenz an Kreativität

„Hier stock ich schon, wer hilft mir weiter fort“, das sagte einst Rat-suchend Goethes Faust. Da, wo es nämlich auf kreative Intelligenz ankommt, stockt die Entwicklung der KI. Warum? Weil die derzeitige Dateneingabe keine kreative Komponente enthält, will heißen: die Entscheidung einer KI wird nur auf der Grundlage der bestmöglichen analytischen Lösung getroffen. Und das ist nicht unbedingt die richtige.

Keinem noch so guten KI-Computer gelingt es bisher, in seinen Entscheidungen menschliche Kreativität, Intuition und Empathie erfolgreich nachzuahmen. Die historische „Unsterbliche Schach-Partie“ verdeutlicht das: Eine hochkreative und opferreiche Schachpartie, 1851 von Adolf Anderssen gespielt, von einem der besten Schachspieler des 19. Jahrhunderts. Er opferte einen Läufer, beide Türme und schließlich auch seine Dame. Mit den verbliebenden Leichtfiguren erzwang er das brillante Matt. Das vermag ein noch so KI-strotzender Schachcomputer nicht. Übrigens gibt der Programmierer dem Rechner nicht vor, wie er auf jeden Zug seines Gegenspielers reagieren soll. Vielmehr erlernt er während des Spielens, wie bestimmte Züge aufeinander aufbauen und welche Wechselwirkungen sie haben. Beim Erlernen spielt der Computer gegen sich selbst, nicht gegen den Menschen. Bei geschätzten 2 hoch 1043 möglichen Stellungen auf dem 64-feldrigen Schachbrett wäre es schlicht unmöglich „per Hand“ einem Computer alle möglichen Schachzüge beizubringen. Nebenbei gesagt: 2 hoch 10 sind schon 1024 Möglichkeiten.

Bestenfalls könnte eine KI versuchen, die Idee hinter dieser Partie zu verstehen, indem sie z.B. die Eröffnung, die Stellungsbewertung, die Kombinationen und die Mattmotive analysiert. Sie könnte auch versuchen, die Partie mit anderen berühmten Partien zu vergleichen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu finden. Aber ist das möglich mit imitierter menschlicher Kreativität, einem Bündel aus Intuition, Emotion, Inspiration und Originalität? 

Leisten Sie sich eben mal einen KI-geprägten Picasso 

Künstliche Intelligenz spielt in der Kreativ-Wirtschaft zunehmend eine immer größere Rolle. Dazu trägt der leichte Zugang zu KI-Werkzeugen bei. Kunstbanausen können diese kreativen KI-Tools zur „Erschaffung“ computer-generierter Bilder und Kunstwerke nutzen. KI-Bildgeneratoren erzeugen in Minutenschnelle sehr realistisch anmutende Bilder, sogar in verschiedenen Stilarten. Mit anderen Tools können wir Illustrationen für Produktdesigns erzeugen. Doch wie stark ist der Einfluss der Künstlichen Intelligenz auf unsere aktuelle TV-Werbelandschaft? Sind wir gezwungen, den hereinbrechenden, ideenlosen Werbe-Tsunami mit stereotypem Gehampel und schrillen Tönen zu ertragen? Man erinnert sich mit Wehmut und einem Lächeln an die alten Werbespots zurück: An das HB-Männchen, an den Klementine-Spot für Ariel oder an Humphrey Borgart mit „Finden Sie einen Optiker, der günstiger ist als Fielmann“. Das waren noch originelle kreativ ausgedachte Spots voller Humor, Esprit und Charme.

Der gefälschte Olav

Tools sind in der Lage synthetische Gesichter zu erschaffen, die glatt als echte Gesichter durchgehen. Es bedarf schon menschlicher Experten, um Echtheit oder Fälschung zu erkennen. Da ruht fatalerweise ein nicht ausgeschöpftes Betrugspotential und harrt seiner kriminellen Anwendung. Die KI kann uns sogar extrem realistisch gefälschte Videos, Audioaufnahmen und Bilder vorgaukeln, bekannt als „Deep-fakes“. Neulich sahen wir im Fernsehen einen synthetisch erzeugten Bundeskanzler Olav Scholz in Bild und Ton. Nun, uns’ Olav Waterkant-Stockfisch-Gestalt mit seinen sparsamen Gesten und bekannt durch seine ruhige Sprechweise, eignet sich hervorragend für eine synthetische Darbietung. Sein Video bestach. Dagegen sind Ampel-grüne Politiker unbestechlich, sie nehmen nicht einmal Vernunft an. 

Deep-fakes, Schattenseite der Künstlichen Intelligenz

Ist das unsere Zukunft, eine neue KI-dominierte Welt? Können sich da selbst schwachköpfige Autoren über eine entsprechende KI einen geschliffenen Schreibstil angedeihen lassen und den als den ihrigen ausgeben? Lassen sich gar Romane oder Drehbücher aus der KI-Retorte heben, ähnlich wie die dubios erworbenen Doktorwürden einiger Politiker, allen voran ein edler Herr von „Schlechtental“? Wäre es sogar Kriminellen möglich, ein Testament des Erblassers zu ihren Gunsten „eigenhändig“ zu fälschen?

Ohne Frage, im guten Sinne wird die KI demnächst stärker in der Verbrechensprävention und bei der Strafverfolgung eingesetzt (u.a. die Gesichtserkennung). Auch die Fluchtgefahr von Gefangenen lässt sich so genauer einschätzen und Straftaten oder Terroranschläge vorhersagen und sogar verhindern.

Seien wir allzeit wachsam und skeptisch bei „schicken“ Technologien

Risiken der Anwendung des mächtigen KI-Werkzeugs sind sorgfältig abzuwägen. KI sollte nur menschliche Entscheidungen unterstützen mit verlässlichen und repräsentativen Daten.

Denken Sie an weitere Hightech-„Wonneproppen“, die uns die moderne Technologie schenkt. Siehe dazu den Beitrag „5G-Netz: Zwiespalt zwischen Vernunft und Zukunftswahn“, denn für jede Innovation gilt der Grundsatz „Cui bono“, wem nützt das? Noch attackieren die im GHz-Bereich strahlenden Hightech-Schleichkatzen nicht unsere Gesundheit. Oder denken Sie an die Fortschritte in der Gen-Technik. Unbenommen von aller Ethik und Moral, fuhrwerkt man auch in fragwürdiger Absicht im menschlichen Erbgut herum. Missbrauch ist hier der böse Stiefvater des guten Sprösslings. Die Ergebnisse Künstlicher Intelligenz hängen davon ab, wie sie konzipiert sind und mit welchen Daten man sie füttert. Diese können absichtlich oder unabsichtlich verzerrt sein. Wer sich künftig KI-Tools ohne Murren und Knurren in seinen Körper implantieren lässt, geht ein hohes Sicherheitsrisiko ein. Die Gefahr besteht darin, dass sich unbemerkt fremdgesteuert, sogar über große Distanzen, das Tor öffnet für ein unbefugtes Eindringen in die Intimsphäre.

Zukunftsaussichten in einer KI-affinen Gesellschaft 

Ich befürchte, dass Künstliche Intelligenzen in Zukunft manchen Beruf ad absurdum führen. Die mit KI automatisch gesteuerte Übersetzung bricht Sprachbarrieren und womöglich den Übersetzern das Genick. Das Heer der teuern Winkeladvokaten und Links-Anwälten könnte sich stark dezimieren. Viele Taxi-Unternehmen würden autonome Fahrten anbieten und dem Taxler den Fahr-Garaus machen. Klar... Na, da denken auch einige Zahlungsanbieter ernstlich darüber nach, eben mal 1000 Mitarbeiter an die Luft zu setzen, wegen effizienteren KI-„Mitarbeitern“. Und im nächsten moral-sterilen, KI-gesteuerten Weltkrieg, feiert die Autonomie der Waffensysteme donnernd ihre Hochzeit. Hoffentlich gibt es dann neben dem resistenten Giftmüll aus machtlüsternen Despoten nur noch „tote“ Drohnen.

Bloß keine KI-Sklaven sein; pflegen wir statt dessen das eigne Lernen…

… sonst wird aus dem Meister ein Sklave. Der weise griechische Philosoph Sokrates sagte vor über 2.400 Jahren archaisch geprägt: “Lernen besteht in einem Erinnern von Informationen, die bereits seit Generationen in der Seele des Menschen wohnen“.

Im erlernten Anwenden ist die KI ambivalent. Zu sehr besteht in Zukunft die Gefahr, dass wir KI-Süchtigen unreflektiert das Denken und Handeln leichtfertig der Künstlichen Intelligenz überlassen. Es ist ein Circulus vitiosus, der Konflikt zwischen unserem ethischen Handeln und dem Fortschritt der Computer-KI-Technik. Diesen dekliniere ich augenzwinkernd so: 

Je mehr Daten die KI lernt, desto intelligenter ist sie. 
Je intelligenter sie ist, desto mehr menschelt sie. 
Je mehr sie menschelt, desto weniger intelligent ist sie. 
Je weniger intelligent sie ist, desto mehr menschelt sie. 
Je weniger sie menschelt, desto intelligenter ist sie. 

Aber warum überhaupt noch lernen? Übertragen wir das Lernen doch ganz der KI, dann sind wir außer Obligo und damit aus dem Schneider. Das wäre zweifellos ein katastrophaler Fehler unserer auf Komfort getrimmten Gesellschaft. Die Büchse der Pandora ist bereits geöffnet und die Künstliche Intelligenz tritt selbstbewusst in Erscheinung. Sie wird sich wie eine Pandemie über alle Gesellschaftsschichten hinweg ausbreiten. Verstricken wir uns evolutionär in eine gefährliche Rolle? Es dräut Gefahr, dass unsere kollektive Intelligenz sich zügig der kognitiven Leistungsfähigkeit einer Stubenfliege annähert.  

In Goethes Bildungsroman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ heißt es:

„Der Menschen größtes Verdienst bleibt wohl, wenn er die Umstände soviel als möglich bestimmt und sich so wenig als möglich von ihnen bestimmen lässt“ – wohl wahr, im Hier und Jetzt, eben von einer zwiespältig anwendbaren Künstlichen Intelligenz. 

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In diesem Sinn verweisen wir, die Redaktion, auf das neue Werk von Hauke Arach: „Mensch, lern das und frag nicht!“ Arach zeigt auf, wie Schüler seit längerer Zeit nicht mehr zu eigenständigem Denken erzogen werden. Wie junge Menschen gleichsam zu menschlichen „KI-Maschinen“ geformt werden, die wie die KI frei von Neugier und Kreativität einfach funktionieren sollen. Für grenzenlose Produktivität und maßlosen Gewinn. Lassen Sie sich erschrecken von den Beispielen, die Hauke Arach gut belegt vorstellt. Bestellen Sie Ihr Exemplar „Mensch, lern das und frag nicht!“ direkt beim Verlag hier oder erwerben Sie es in Ihrem Buchhandel. 

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