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Sehnsucht nach dem Jenseits – Fiktion oder Welt der Seelen

Von Hans-Jörg Müllenmeister

Erst auf der Zielgeraden unseres Lebensparcours sinnieren wir tiefer über die Schöpfung. Was erwartet uns im Jenseits? In der jovialen Redewendung „Des Menschen Wille ist sein Himmelreich“ steckt ein geistiges Privileg, das die Schöpfung nur dem Menschen schenkte – der Tier- und Pflanzenwelt bleibt es dagegen vorenthalten, nämlich der freie Wille: Dieses nichtmaterielle Mitbringsel führt uns zeitlebens, es verführt und leitet zu erstrebenswerten Zielen. Diese Ur-Sehnsucht ist der spirituelle Treibriemen unseres Lebens. 

In der Tat bedient der freie Wille sowohl das Gute wie auch das Böse in uns. Der freie Wille ist also ambivalent angelegt. Damit ist es allein unsere Entscheidung, wie wir mit dem freien Willen umgehen und unsere Lebensführung gestalten. Ohne diese einzigartige Gottesgabe wären wir bloß Sklaven in der Allmacht Gottes und damit nicht selbst voll verantwortlich für unsere Lebensgestaltung. Diese Erkenntnis hat für eine „Lebensbewertung“ im Jenseits elementare Bedeutung für den Status der Seele.  

Der unsichtbare Habitus der Seele 

Schon immer hat der Mensch mit heißem Bemühen versucht, die Seele nachzuweisen oder gar die Natur der Seele zu ergründen. In den Zwanziger Jahren wog ein gewisser Mac Dougaller Sterbende. Nach dem Eintreten des Todes verloren all diese Todgeweihten angeblich ein Gewicht von etwa 21 Gramm. Damit stand für ihn fest: Der Mensch hat eine Seele, die nach dem Tode entweicht, und die wiegt eben 21 Gramm. Das ist m.E. eher eine assertorische Aussage, also ohne gültigen Beweis.  

Indes scheint es eine Seele mit unsterblichem Bewusstsein schon zu geben. Sie selbst ist nichts Wirkliches zum Anfassen, besitzt also keine Masse, aber ohne sie gäbe es kein Leben.  

Tiefsinniger versuchten schon vor Jahrhunderten kluge Köpfe wie Descartes und Leibniz den Kern der Seele zu ergründen. Leibniz sah die Seele des Menschen als eine Monade, wie er sie nannte: Eine unsterbliche Substanz, die durch eine besondere (prästabilierte) Harmonie eine vorübergehende Einheit mit dem Körper bildet. Seine Monaden-Lehre postuliert metaphysische, beseelte Atome ohne Körper, also ohne Masse und Ausdehnung. Dies im Gegensatz zur Erkenntnis der Atomphysiker, die physischen Atomen sehr wohl eine Masse zuschreiben. Der Dualismus kleinster Teilchen ist nicht auf die subatomare Welt beschränkt, sondern auch wirksam zwischen Körper und Seele.  

Eine spannende Frage wäre: Wenn es eine Seele gibt, wann „schlüpft“ die Seele in den menschlichen Körper, etwa schon vor der Geburt  – und welches Körperorgan ist womöglich ihr Zuhause? Niemand weiß es. Mir scheint, dass diese „Seelenbausteine“ im metaphysischen Sinne eine ähnliche Bedeutung haben wie der geniale Speicher aller Erbinformationen, unsere DNA im physischen Bereich. Dieser unglaubliche Informationsspeicher enthält ja unseren gesamten Lebensbauplan – die biologische Gebrauchsanweisung, die jede unserer Zellen mitführt. Ist die Seele das spirituelle Pendant zu unserer DNA? 

Jenseits-Erwartungen der Seele  

Nahezu alle Religionen wetteifern damit, einer „folgsamen“ Seele – im Sinne der Religion – einen größtmöglichen, paradiesischen Komfort im Jenseits zu versprechen. Niederträchtige Seelen dagegen, haben Höllenqualen auszustehen. Auf mich wirken all diese von Menschengeist ausgebrüteten Verheißungen eher wie eine Werbekampagne. Dazu nur ein Beispiel aus der muslimischen Welt. Nach der traditionellen Überlieferung von Abu Sa'eed warten auf den Muslim im Paradies 72 Jungfrauen. Einfach herrliche Aussichten! Welcher erwartungsvolle Sprenggürtler möchte sich da nicht vorzeitig in die Luft jagen. Mir schwant, dass ein Jenseits durchaus denkbar ist – aber ohne gleich das Paradies oder die Hölle zu bemühen. 

Die Wertigkeit der Seelen im Jenseits 

Sicherlich erfährt die Seele des Menschen nach ihrer „Ankunft“ im Jenseits eine Art Bewertung, ein Seelengericht. Als ständiger Lebensbegleiter sind der Seele alle Taten und Untaten der Lebenschronik tiefbewusst. Spätestens dann, wenn diese Seelen-Persönlichkeit dem Schöpfer begegnet und sie sich wie vor dem Spiegel der Wahrheit selber erkennt: gerecht, aufrichtig, ohne Lug und Trug. Sie erkennt, was wir aus dem von Gott mitgegebenen Potential im irdischen Leben gemacht haben – sowohl im Guten wie im Bösen. 

Klar, nicht alle Menschenseelen sind gleich tugendhaft oder gar verbrecherisch. Ein simpler, physikalischer Versuch verdeutlicht die nachfolgende Selektion, also die Wertstufen der Seelen im Jenseits. Denken Sie an ein Glasgefäß, in dem Sie nacheinander Flüssigkeiten mit unterschiedlicher Wichte hineingießen. Der z.B. schwarzfarbige Bodensatz bildet die Flüssigkeit mit der größten Wichte, alle anderen Flüssigkeiten schichten sich entsprechend ihrer Wichte darüber. Die oberste Schicht sei glasklar. 

Entsprechend diesem Bild, sind auch die unterschiedlichen Seelen-Wertigkeiten säuberlich durch eine Grenzschicht voneinander getrennt. So bilden die Seelen kriminelle Schurken, etwa Stalin, Hitler, Pol Pott und andere private Serientäter den Bodensatz. Liebenswerte, friedvolle Seelen dagegen bilden die Oberschicht. Die Metapher verdeutlicht es: Im sogenannten Paradies gibt es an der Grenzschicht der Seelen-Kasten nur minimale Fluktuation (analog der Brownschen Molekularbewegung) zur angrenzenden Kaste (Grenzschicht). Man bleibt eher unter sich im eigenen Saft. Wie wird es z.B. in so einer Schurken-Seelengemeinschaft zugehen. Alle sind samt und sonders mordgierig – rotten sich diese Seelen dann mit Stumpf und Stiel selber aus? Nein, dieser „Bodensatz“ führt sich nicht selbst ad absurdum. 

Seelenwanderung

Wenn es eine Wiedergeburt der Seelen gibt, müsste sich das Böse in diesem periodischen Inkarnationsprozess selbst ausrotten. Den Eindruck habe ich aber keineswegs, denn menschliche Missetaten auf unserem Planeten häufen sich sogar exponentiell. Offensichtlich gelingt es den Schurken-Seelen immer wieder ein neues mordlüsternes Comeback auf Erden zu feiern. 

Nach meiner Idee hat die Schöpfung ein Faible für Periodizität und Zyklen. Ja, auch unser gesamtes Leben ist von Zyklen geprägt, dies mit allen Ingredienzien, die Körper, Geist und Seele bieten. Besiedelt unsere alte Seele, geläutert und wieder geboren, ein neues irdisches Leben – mit einer neuen „verbesserten“ Lebenschronik? Gewiss, im Jenseits ist die Seele mit sich selbst konfrontiert. Kurzum: Uns erwartet im Jenseits unsere eigene gespiegelte Seelen-Persönlichkeit. Hier findet sie größtmögliche Harmonie mit sich selbst. Wir befinden uns reinrassig in Gesellschaft mit ähnlich gearteten Seelen. Vielleicht muss man sich das Leben im Jenseits mathematisch wie eine konforme Abbildung des diesseitigen letzten Lebens vorstellen – verschönt auf einer höheren Ebene. 

 Zurück zum Ausgangspunkt zurück zum freien Willen

In der Tat ist der freie Wille ein einfacher frappierenden Lösungsansatz, wie sich das Jenseits-Erleben fügt, ohne all jene Versprechen der Religionen, sowohl im Guten wie im Bösen. Die jenseitige konforme Welt ist m.E. ernüchternd und zugleich hochgradig gerecht, und zwar ohne Pomp und Tingeltangel.

Im Beitrag „Paraphysik und Gottesbild“ führte ebenfalls eine bewusst getroffene „Vereinfachung“ zu einem sinnvollen Lösungsansatz: Gott ist der Zeit nicht untertan – er, als der Schöpfer, hat indes für all seine Schöpfungsprozesse im Universum die Zeit als Basis unterlegt. Für ihn selbst gibt es kein Zeit-Dogma.

 Spekulationen um das Jenseits

Und doch sind all unsere Jenseits-Vorstellungen – wie auch diese hier – letztlich reine Spekulation. So belehrt Mephisto Dr. Faust schon.    

Ich sag es Dir: 

Ein Kerl, der spekuliert

 Ist wie ein Tier auf dürrer Heide

Von einem bösen Geist im Kreis herumgeführt

Und rings herum liegt schöne grüne Weide. 

Hier können Sie die Betrachtung von Hans-Jörg Müllenmeister lesen: „Paraphysik und Gottesbild“ 
https://www.anderweltonline.com/kultur/kultur-2023/paraphysik-und-gottesbild/ 

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