Außerirdischem Leben nachspüren und dabei das innere Selbst entdecken
Von Hans-Jörg Müllenmeister
Schon immer hat der forschende Mensch, als Homo speculants, seinen Wirkungskreis zu erweitern versucht – „bis an die Sterne weit“ – wie es schon in Goethes Faust heißt. Auch wenn die irdische Welt inzwischen aus den Fugen geraten ist, sucht der Mensch weiterhin fieberhaft nach außerirdischem Leben – mit allen Mitteln, die unsere Technik aufbringen kann.
Soweit mir bekannt, hat erstmals der Astrophysiker Frank Drake mit seiner Gleichung aus sieben Faktoren die Anzahl der technischen, intelligenten Zivilisationen in unserer Galaxie abgeschätzt. Der Faktor „Anzahl der Sterne in der Milchstraße“ ist dabei der bekannteste. Einer neuen Studie im Astrophysical Journal zufolge könnten in unserer Milchstraße mindestens 36 aktive, kommunizierende intelligente Zivilisationen existieren. Bisher ließ sich jedoch kein außerirdisches Leben (Alien) schlüssig wissenschaftlich nachweisen. Solches Leben könnte von einfachen Formen wie Prokaryoten (zelluläre Lebewesen ohne Zellkern) bis hin zu intelligenten Wesen reichen und möglicherweise Zivilisationen hervorbringen, die weitaus weiter entwickelt sind als der Mensch. Einer neuen Studie zufolge glauben einige Wissenschaftler inzwischen, dass es in unserer Milchstraße an die 40 Milliarden Planeten gibt, die ähnlich der Erde sind. Na ja, sei’s drum.
Gehen wir hier zunächst der spannenden Frage nach, welche Methoden und Techniken es gibt, mögliches Leben im All aufzuspüren. Im Wesentlichen sind wir dabei auf das Licht als einzige Informationsquelle in seinen vielfältigen Ausprägungen aus dem Universum angewiesen.
Licht aus dem Weltall
Das Licht liefert eine Fülle an Informationen und ist eines der leistungsfähigsten Werkzeuge in der Astronomie. Es erlaubt Astronomen und Wissenschaftlern, entfernte Welten zu studieren und nach Hinweisen auf Leben zu suchen, obwohl wir sie physisch nicht erreichen können. Durch die Spektralanalyse des Lichts, das von einem Stern oder Planeten kommt, können Wissenschaftler die chemische Zusammensetzung von Atmosphären und Oberflächen bestimmen. Gewisse Signaturen im Spektrum können auf das Vorhandensein von Wasser, Sauerstoff, Methan und anderen potenziellen Biosignaturen hinweisen. Der Schlüssel zur Entdeckung von Leben im All liegt in der Spektralanalyse von Licht in verschiedenen Wellenlängenbereichen. Jede dieser Bereiche kann spezifische Informationen über die chemische Zusammensetzung und physikalischen Bedingungen von Himmelskörpern liefern.
Das sichtbare Licht ist nützlich für die Analyse von Oberflächen-Merkmalen und Wolkenbedeckung. Reflektiertes Licht kann auf Photosynthese hinweisen, wie das Chlorophyll in Pflanzen auf der Erde.
UV-Licht deutet auf das Vorhandensein von Ozon hin, das durch biologische Prozesse entstehen kann. Beobachtungen im UV-Bereich können auch Hinweise auf die Strahlungsumgebung eines Planeten liefern.
Im Infrarotbereich (IR) des Lichts lässt sich Methan, Kohlendioxid und Wasser nachweisen. Diese Moleküle sind wichtige Indikatoren für biologisches Leben. Infrarotstrahlung kann auch Wärmeemissionen messen und Aufschluss über die Temperatur von Planetenoberflächen geben. Diese Daten können uns viel über die Bedingungen auf fernen Planeten und Monden verraten.
Mit Mikrowellen lassen sich die chemische Zusammensetzung und Temperatur der Atmosphäre analysieren. Sie sind besonders geeignet für die Untersuchung tieferer Schichten in den Atmosphären von Gasplaneten.
Radioastronomie und die Suche nach Funksignalen
Die Radioastronomie sucht unter anderem nach Funksignalen, die von außerirdischen intelligenten Zivilisationen (SETI) stammen könnten. Diese Methode, inspiriert durch die Drake-Gleichung, wird seit den 1960er Jahren vorangetrieben und umfasst den Wellenlängenbereich von etwa 1 mm (300 GHz) bis etwa 20 m (15 MHz). Diese Wellenlängenbereiche stellen ein optisches Fenster für die Erdatmosphäre dar.
Der Vorteil der radioastronomischen Beobachtungen ist, dass sie nicht durch das Sonnenlicht gestört werden und somit auch am Tage durchgeführt werden können. Zudem werden Radiowellen in der interstellaren Materie nicht absorbiert, wodurch Gebiete beobachtet werden können, die im sichtbaren Licht von dichten Wolken verdeckt sind.
Ein Beispiel für die Leistungsfähigkeit der Radioastronomie ist der Nachweis von Molekülen im interstellaren Medium. Aus deren Linienemission lassen sich physikalische Größen wie Dichte und Temperatur ableiten. Fakt ist: Eine erste große Datenanalyse zur Suche nach Radiosignalen außerirdischer Zivilisationen hat bisher keine eindeutigen Ergebnisse erbracht.
Transitmethode
Wenn ein Planet vor seinem Stern vorbeizieht (transitiert), ändert sich die Lichtmenge, die der Stern zur Erde sendet. Sie vermindert sich durch die Planeten-Abschattung um einen winzigen Betrag. Diese Methode hilft nicht nur, Exoplaneten zu entdecken, sondern auch, ihre Atmosphären zu analysieren.
Messmethode der sogenannten Doppler Spektroskopie
Mit dieser Technik messen die Astronomen winzige Bewegungen eines Sterns, die durch die Gravitations-Anziehungskraft eines umkreisenden Planeten entstehen. Während diese Methoden mehr über die Planetenbahn und Masse verraten, bieten sie auch indirekte Hinweise auf mögliche Lebensbedingungen. Die Technik untersucht die Polarisation des Lichts, das von einem Planeten reflektiert wird. Unterschiede in der Polarisation können Aufschluss über die Atmosphäre und Oberflächenbedingungen geben.
Laborversuche
Schließlich führt man Experimente durch, um die Bedingungen anderer Planeten nachzuahmen und zu sehen, ob Leben unter solchen Bedingungen entstehen könnte. Ein berühmtes Beispiel ist das Miller-Urey-Experiment zur Entstehung des Lebens.
Angenommen, es gäbe eine kontaktsuchende Hochzivilisation im All
In den Weiten des Universums gibt es unzählige Möglichkeiten für Leben und Intelligenz, die wir noch nicht entdeckt haben – selbst hochentwickelte Zivilisationen im All. Über Lichtjahre Entfernungen würde ein Aliens-Funksignal extrem stark abschwächen und im sogenannten kosmischen Rauschen untergehen: Die Sende-Feldstärke nimmt ja mit dem Quadrat zur Entfernung ab. Das Sendesignal würde extrem „dünn“ bei uns ankommen und nur schwer zu entdecken sein.
Selbst wenn wir eine Botschaft empfangen, erschweren technologische Unterschiede zwischen den Zivilisationen die Interpretation und das Verständnis der Nachrichten. Voraussetzung wären übrigens gleiche oder kompatible Kommunikationsmethoden.
In der Praxis ist es fast utopisch, eine effektive Kommunikation aufzubauen. Selbst der theoretische Nutzen durch eine „direkte Unterhaltung“ wäre gleich Null wegen der möglichen jahrelangen Signallaufzeiten. Aber bereits der Beweis, dass wir nicht allein im Universum sind, hätte immense philosophische und wissenschaftliche Bedeutung.
Unsere eigene Zerbrechlichkeit und die Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, könnten uns dazu anregen, auf nachhaltigere und harmonischere Weise mit unserer Umwelt und miteinander zu leben. Die Einsicht, dass wir nicht die einzigen oder gar die fortschrittlichsten Wesen im Universum sind, kann uns Demut lehren und unseren Antrieb verstärken, weiterhin zu lernen und zu wachsen.
Einsichten und andere Lebensformen
Ich meine, wir unterschätzen die Schöpfung, denn sie hat unendliche Möglichkeiten, Leben im Universum so zu „installieren“, ohne dass sich verschiedene Hochzivilisationen – einschließlich ihrer Konstrukte aus verschiedenen allein seeligmachenden Religionen – nicht ins Gehege kommen. All das spricht für die unendliche Kreativität und Komplexität der Schöpfung. Vielleicht gibt es Lebensformen und Zivilisationen, die auf eine Art und Weise existieren und kommunizieren, die wir uns noch nicht einmal träumen lassen. Stand heute: Wir verstehen nicht einmal die „Sprache“ unserer irdischen Mitgeschöpfe, der Tiere und Pflanzen.
Eine faszinierende Möglichkeit wäre z.B. ein Leben auf Silizium-Basis, eine spannende Alternative zur Kohlenstoff-basierten Biologie, in der wir leben. Silizium (Si) hat ähnliche chemische Eigenschaften wie Kohlenstoff (C) und könnte theoretisch auch komplexe „Lebensmoleküle“ und Strukturen bilden. Diese Verbindungen könnten sogar in einer Umgebung existieren, die für ein Leben auf Kohlenstoffbasis völlig ungeeignet ist. Silizium-Verbindungen sind oft stabiler bei höheren Temperaturen als Kohlenstoff-Verbindungen. Das bedeutet, dass sich Si-Leben möglicherweise auf extrem heißen Planeten oder Monden ausbreiten könnte, wo C-Leben nie entstehen könnte. Während C-Leben Wasser als Lösungsmittel benötigt, könnte Leben auf Si-Basis sogar mit anderen Lösungsmittel wie Ammoniak oder flüssigen Stickstoff auskommen.
Die Energiequellen könnten auch unterschiedlich sein. Si-Leben wäre auf andere Energiequellen angewiesen als C-Leben, möglicherweise durch unterschiedliche chemische Prozesse. Allein diese Überlegungen eröffnen weitere faszinierende Möglichkeiten für die Suche nach Leben im Universum. Es zeigt, wie vielfältig und kreativ die Natur sein kann und wie viele unbekannte Lebensformen noch darauf warten, entdeckt zu werden.
Auch könnte die Evolution und Anpassung von Leben auf Si-Basis völlig anders verlaufen. Eine Vielfalt von Lebensformen wären möglich. Vor allem zeigt dieser Quergedanke, dass unsere Suche nach außerirdischem Leben nur eine begrenzte Suche nach uns selbst ist, indem wir uns bespiegeln. Könnte es sein, dass Leben im Universum in Formen existiert, die wir uns bisher nicht vorstellen können und dass wir unsere Definition und unser Verständnis von Leben erweitern müssen. Die Vielfalt und Kreativität der Schöpfung geht womöglich weit über unsere derzeitigen Vorstellungen hinaus.
Bei der Suche nach Leben im All begegnen wir unserem Spiegelbild
Im Grunde suchen wir, manisch getrieben, nach unseren eigenen Grenzen und sind dabei unsere eigenen Gefangenen. Seien wir uns dessen bewusst. Unsere Suche nach Leben im Universum spiegelt oft unsere eigenen Vorstellungen, Wünsche und Grenzen wider. Indem wir nach Lebensformen suchen, die uns ähnlich sind, suchen wir vielleicht nach einem Spiegelbild unserer eigenen Existenz und Bedeutung. In diesem Sinne ist die Suche nach Leben im Universum nicht nur eine wissenschaftliche, sondern auch eine philosophische und spirituelle Reise. Sie fordert uns heraus, über unsere eigenen Existenzbedingungen nachzudenken und unsere Sichtweise menschlich zu erweitern. Egal ob wir irgendwann auf andere intelligente Lebensformen treffen oder nicht, die Reise selbst ist von unschätzbarem Wert. Sie lehrt uns Demut, Neugier und die Bedeutung der Zusammenarbeit in unserem gemeinsamen Bestreben, die Geheimnisse des Universums zu entschlüsseln.
Auf meine einstige Frage an einen Astronauten: “Haben Sie da draußen Gott gefunden?“ klang seine Antwort sehr nachdenklich. Sie offenbarte mir, wie sehr der Weltraum uns dazu bringt, über unsere Existenz und unsere Statistenrolle im Kosmos nachzudenken. Selbst ohne je mit außerirdischem Leben in Kontakt zu kommen, berichten viele Astronauten von einem tiefen Gefühl der Demut und Ehrfurcht angesichts der Weite des Universums und der Zerbrechlichkeit der kleinen blauen Glasmurmel im All: unser Heimatplanet Erde. Ob man die Astronauten-Erfahrung als Begegnung mit etwas Göttlichem sieht oder als tiefere Verbindung zur Natur und dem Universum, das bleibt einem jedem selbst überlassen. Lasst uns weiterhin mit offenen Augen und Herzen forschen und die Wunder des Universums erkunden – in der Hoffnung, dass wir eines Tages nicht nur außerirdisches Leben, sondern auch ein tieferes Verständnis unseres eigenen Lebens und unserer Bedeutung im Kosmos finden.
Nachtext zum Beitrag:
Jetzt zu Weihnachten sähe man gern den Wunsch erfüllt, dass selbstsüchtige Menschen einen Blick vom Weltall auf die zerbrechliche „Weihnachtskugel Erde“ werfen könnten. Ein Wunder wäre es, wenn durch diese gewonnene Ur-Demut kriegslüsterne Taten auf der Erde endlich ausblieben.