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Kuriose deutsche Wörter, heiter erklärt

Von Hans-Jörg Müllenmeister 

Heutzutage erdulden wir die wirren, langatmigen Wortgefechte und das Schwadronieren so mancher Politiker. Auch in den Medien wird die deutsche Sprache oft zum Schmuddelkind der Verständigung verunstaltet. Vielfach geht die Eleganz und Schönheit der deutschen Sprache auf Tauchstation. Mit einem Augenzwinkern wollen wir hier einmal den Sinn oder Unsinn einiger kurioser Wörter untersuchen. 

Doch was macht diese Wörter so besonders? Ist es ihre Klangfarbe, die uns zum Schmunzeln bringt, oder die skurrilen Bilder, die sie in unseren Köpfen erzeugen? Vielleicht ist es auch die Art und Weise, wie sie alltägliche Situationen auf den Punkt bringen, die uns sonst sprachlos machen würden. Tauchen wir ein in die Welt der kuriosen deutschen Wörter und entdecken gemeinsam ihre verborgenen Schätze und amüsanten Geschichten.

Papperlapapp 

Wie könnte man wirres, dummes oder redundantes Geschwätz besser charakterisieren als durch dieses Wort? Das ist brillant gelungen, noch dazu mit sechs gleichen Buchstaben. Kein anderes Wort mit sechs identischen Buchstaben kommen einem da in den Sinn. Jeder andere Konsonant wäre ungeeignet; stellen Sie sich das Wort mit sechs K’s vor.

Sicher, Schwadronieren ist auch recht nahe am Vielgeschwätz. Doch wenn man „Papperlapapp“ ausruft, schwingt eine wegwerfende Gestik mit, eine abkanzelnde Absicht. Wo gibt es ein Nonsens-beschreibendes Wort mit einer derart gelungenen Aussagekraft? Es ist nicht so krass wie „völliger Quatsch“.

Ein wenig erinnert mich das Wort an einen Schlagertext aus den 50er Jahren mit dem blödsinnigen Refrain “ladipapp“. Es muss etwas Seichtes ausdrücken – das Papperlapapp  – denn ansonsten spricht man bei einer besonders harten Sache von etwas, das nicht von „Pappe“ ist, also kein „Pappenstiel“ ist.

Dieses schöne „Wortlautgemälde“ intoniert seine Geschwätzigkeit; da steckt ein nachhaltiges Babbeln drin. Selbst Leute mit wenig Sprachgefühl, die das Wort zum ersten Mal hören, würden es nicht für einen sinnverheißenden Begriff halten. Vielmehr verweist Papperlapapp humorig auf puren Blödsinn.   

Die Plaudertasche 

Reden wir nicht über Polit-Schwätzer, sondern über harmlose Plaudertaschen. Sie verbindet eine ungezwungene, leicht dahinplätschernde Rede mit einer Tasche – ein Behältnis, dessen verborgener Inhalt leicht preisgegeben werden kann. Eine Plaudertasche ist eine charmante Bezeichnung für jemanden mit „Mauldiarrhoe“ oder ironisch für jemanden, der verschwiegen ist wie eine Litfaßsäule. Eigentlich ist eine Plaudertasche von Natur redselig, sodass sie aus Unbesonnenheit oder Naivität ein Geheimnis einfach „ausplaudert“.  Dass eine Plaudertasche meist weiblich ist, dürfte rein zufällig sein. Man stelle sich bloß ein maskulines Plauderbehältnis vor, etwa einen „Plauder-Korb“. Den gibt es freilich nicht, wohl aber den Maulkorb, den man verpasst bekommt, wenn eine Plaudertasche etwas aus dem Nähkörbchen plaudert oder klatschhaft aus der Schule etwas zum Besten gibt. Das Motto einer Plaudertasche ist ganz gewiss nicht „Hättest Du geschwiegen, wärest Du ein Philosoph geblieben“. Eher neigt sie dazu, sich leicht zu verplappern. Diese Neigung wird im Umgangsdeutsch eben mit dem milden Wort Plaudertasche belegt. Immerhin besser als das Plappermaul oder das Äquivalent „die Ratschkattl“, übrigens ein schönes Wort, das aber leider nur in Bayern verstanden wird.

Man muss schon sagen, dass der Volksmund die besagte Klatschbase genau richtig mit einer Plaudertasche beschreibt. Etwas merkwürdig wäre da eine Rede-Tüte, zumal es schon Flüstertüten gibt. 

Der Pfiffikus 

Der Begriff “Pfiffikus” beschreibt im Deutschen jemanden, der besonders schlau und gewitzt ist. Ein Pfiffikus meistert seine Aufgabe geschickt und klug, ohne dabei hinterlistig oder arglistig zu sein.   

Auf der „Schlauheitsskala“ steht der „Pfiffikus“ ziemlich weit oben. Es ist jemand, der es faustdick hinter den Ohren hat und mit allen Wassern gewaschen ist – aber auf eine charmante und positive Weise. Ein Schlitzohr, das seine Fähigkeiten ohne böse Absicht einsetzt, jemand, der kein Wässerchen trüben kann, der ein Schnippchen schlägt oder gar schlau ist wie ein Fuchs. 

Die Spezies Pfiffikus besitzt eine verschmitzte Schläue, die dem Schlitzohr sehr nahe kommt, jedoch ohne Arglist noch Hinterlist. Wenn man von einem Pfiffikus spricht, tut man dies mit Anerkennung. Lobt man zum Beispiel ein Kind für seine gelungenen Taten, sagt man: “Du bist ja ein richtiger Pfiffikus!“ Dieses Lob – das schönste Wort für eine Anerkennung – macht Mut und Freude. Das lustige Wort ist rundherum positiv besetzt, und bereits ein kleines Kind merkt sich rasch diese positive Spracherfahrung. Beim nächsten Mal, wenn es wieder etwas gut gemacht hat, lernt es situativ: Ich bin ein kleiner Pfiffikus! 

Das Bratkartoffelverhältnis 

In diesem Wort steckt ein gerüttelt Maß an Mutterwitz. Man spürt es, denn es zergeht angenehm auf der Zunge. Darin ist eine Art fürsorglicher Mutterliebe eingebacken, die bekanntlich durch den Magen geht. Kein anderes Wort vermag Gaumenfreude und Liebe so harmonisch vereinen.

Ein Bratkartoffelverhältnis ist eigentlich nichts Halbes und nichts Ganzes, vor allem nichts Haltbares oder Solides. Ursprünglich beschreibt es mit einem Augenzwinkern ein vorübergehendes Liebesverhältnis, einschließlich guter Verpflegung in heimeliger Atmosphäre. Im Vergleich dazu wirkt der moderne Begriff „wilde Ehe“ eher schroff. Ein Bratkartoffelverhältnis hingegen trägt bereits einen versöhnlichen, ja verzeihenden Unterton in sich. In wilder Ehe lebt man, aber ein altbackenes Bratkartoffelverhältnis genießt man.  

Dieses gute alte Tête-à-Tête lässt sich wegen seiner Kernaussage nicht so einfach in eine andere Sprache übertragen. Selbst ganze Sätze können das nicht so prägnant beschreiben. Genau das leistet die deutsche Sprache, denn sie kann ohne weitere Substantive mit vielschichtigen Aussagen zu einem neuen Sinn verschmelzen. 

Diese fast vergessene antike Wortlegierung „Bratkartoffelverhältnis“ ist es wert, wiederbelebt zu werden. Schließlich unterhält man ein Bratkartoffelverhältnis, und darin steckt innige Kommunikation, also ein gewisser Unterhaltungswert. 

Das Frühstück 

Das Wort vereint auf typisch deutsche Weise gleich zwei Umlaute, nämlich das „ü“. Während man zu späteren Tageszeiten einfach zu Mittag oder Abend isst, heißt es beim Frühstück nicht etwa „Morgenessen“. Das zeigt, dass das Frühstück einen besondern Platz im Wortschatz einnimmt. Niemand käme auf die Idee zu fragen, ob man „gestückt“ statt gegessen habe – man hat gefrühstückt.

Die  Aussage „wir frühstücken“ markiert den Beginn des noch jungen, frühen Tag. Bei allen anderen Mahlzeiten kann man sich alles vom kleinen Imbiss bis zum üppigen Mahl vorstellen. Doch wenn man „frühstücken“ sagt, sieht man „glücksinnlich“ (Wortschöpfung) bereits den duftenden Kaffee und die frischen Brötchen vor seinem geistigen Auge.

Dass das Frühstück verbal jedes Mittagessen übertrifft, zeigt der legendäre Filmtitel „Frühstück bei Tiffany“ – ein noch so deliziöses Mittagessen kann dem Frühstück nicht die „Kaffeebohne“ reichen. Für Essunwillige bringt allein schon jede Wortkombination mit Essen Unbehagen, aber auf das Frühstück möchte kaum einer verzichten. Den hohen Stellenwert des Frühstücks belegt auch die Aussage „Du hast wohl schlecht gefrühstückt“, wenn jemand schlechte Laune hat. Ganz zu schweigen davon, wenn jemand eine ihm anvertraute Sache leichtfertig „verfrühstückt“, also verspielt hat. Gemeinsam gemütlich zu frühstücken, zählt zum ersten „Stück-Gut“ eines harmonischen Tages. 

Der Frühling 

Wohl kaum eine Sprache – sei es Englisch mit „spring“, Französisch mit „printemps“, Italienisch mit „primavera“, Finnisch mit „kevätz“, Niederländisch mit „lente“ oder Russisch mit „весна“–  bietet einen so erwartungsvollen Wohlklang wie das deutsche Wort „Frühling“. Ein Amerikaner würde vielleicht ein mühsames „Fruling“ hervorbringen. Das zeigt: Beim typisch deutschen „ü“ kommt es ganz wesentlich auf die kleinen Oberzeichen an. Diese beiden Strichkobolde adeln das Wort Frühling wie zarte Knospen. 

Wer könnte die Duftgestalt des Frühlings besser beschreiben, als unser Dichterfürst Goethe? Er sprach: „Der Frühling webt schon in den Birken. Man möchte ein Maikäfer werden, um in dem Meer von Wohlgerüchen herumzuschweben“. Und im Osterspaziergang aus „Faust“ heißt es: 

„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick“.

Man stelle sich bloß vor, der Frühling würde mit „sam“ enden. Grausam! Das Dichterwort würde zu „Frühsam“ verbogen: „Frühsam lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte…“

Das Wort „Frühling“, mit Bedacht gesprochen, verkündet das Erwachen der Natur, verheißt Wohlduft und verspricht den Beginn des Jahreszyklus. Kein Wunder, dass diese frühe Jahreszeit im Wort Frühling allzeit Verehrung findet, nicht nur bei Dichtern und Denkern. Gäbe es das Wort nicht, müsste es erneut geboren werden, so wie der Frühling selbst, der aus dem tiefen Schlummer der Natur herzerfrischend immer wieder neu erwacht.

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