Daten Abhören + Verarbeiten = Gedankenkontrolle
Von Peter Haisenko
Vor einigen Jahren erhielt ich Informationen über ein Programm, das die Zukunft vorhersagen kann. Das Prinzip ist einfach: Das Programm sammelt über Google, Facebook und Konsorten statistische Daten über die Verwendung von (Schlüssel-)Worten und deren Häufung in E-Mails, Blogs und allgemeiner Kommunikation. Daraus lassen sich dann Trends für die Stimmungslage der Internetnutzer ableiten und zum Beispiel Börsentrends vorhersagen. Das jedenfalls war der angegebene Zweck dieses Programms.
Doch dieses Programm kann viel mehr. Wenn es sich in Händen derer befindet, die maßgeblichen Einfluss auf die Inhalte der Leitmedien haben, wird es zu einem Instrument der Gedankenkontrolle. Sehr fein dosiert können Meldungen lanciert werden, die einem erkannten Trend Vorschub leisten oder diesen dämpfen. Das Prinzip ist so alt wie einfach: Teile und herrsche! Die Welt soll zu möglichst gleichen Teilen gespalten sein und somit nach demokratischen Prinzipien unregierbar. Es darf kein Trend zugelassen werden, der dazu führen könnte, dass sich stabile Mehrheiten bilden, die zu einer Gefahr für die herrschende Schicht werden könnten. Das funktioniert perfekt.
Sämtliche westlichen Demokratien sind nahezu paralysiert dadurch, dass sich zu fast allen Themen Gegner und Befürworter die Waage halten. Wahlen gehen grundsätzlich so knapp aus, dass keine Partei mit einer stabilen Mehrheit ihre Ziele durchsetzen kann. Die Folge sind (faule) Kompromisse, die kein Land wirklich voranbringen: Für Windkraft, aber nicht in meinem Garten. Banken kontrollieren, aber meine Kapitalrendite muss bleiben. Bessere Arbeitsbedingungen in der Dritten Welt, aber das T-Shirt muss billig bleiben. Löhne sollen gerecht sein, aber was geht mich das an?
Die Unterlassungslüge
Es gibt Themen und Trends, die eindeutig absolute Mehrheiten hätten. Das wissen diejenigen genau, die mit diesem Programm arbeiten. In diesem Fall besteht die Kunst darin, diese Themen in den Medien nicht zu einem Thema werden zu lassen, weil die Meinung dazu kaum manipuliert werden kann. Das beste Beispiel hierfür war die letzte Bundestagswahl. Alle Parteien, außer der „Linken“ haben folgende Themen völlig ausgeklammert, die eindeutige Mehrheiten beim Wähler gefunden hätten: Auslandseinsätze der Bundeswehr, Renovierung des Finanz- und Bankensystems, gerechte Löhne. Volksabstimmungen über Europa-Themen finden in Deutschland nicht statt. Die (Volks?-)Parteien sind in einem allgemeinen Brei der Ambivalenz so ähnlich untereinander, dass man sich fragen muss, warum man überhaupt zur Wahl geht. Griffige Themen werden auch im laufenden Wahlkampf nicht angefasst.
Das vorgebliche Ziel, mit dem Abgreifen von Daten in industriellem Maßstab Terrorakte zu verhindern, ist nur vorgeschoben. Der Nachweis für den Erfolg kann sowieso nicht erbracht werden. Die Spaltung funktioniert auch hier: Die einen glauben es, die anderen nicht. Tatsächlich kann sogar dieses Verhältnis durch das Datensammeln analysiert und gesteuert werden. Die amerikanische NSA hat alle Daten und ist so in der Lage, die Stimmungstrends in der ganzen Welt zu kontrollieren. Frühzeitig wird erkannt, wo sich Stimmungslagen zu Protestpotential entwickeln, und man kann entsprechend darauf reagieren.
Unbeweisbare Meldungen
Richtig nett war die aktuelle Meldung, die USA würden eine große Anzahl von Botschaften (vorübergehend) schließen, weil die Analysen der NSA Anschläge vermuten lassen. Man hat aus den Trends erfahren, dass den USA Gefahr droht, wegen ihrer Abhörpraktiken weltweit verurteilt zu werden. Der viel zu wenig wütenden Diskussion über die Abhörpraktiken wird nun entgegengestellt: Seht her, wie wichtig es ist, dass wir abhören! Wiederum glauben es die einen und sind dankbar, die anderen sehen das, was es ist: Eine Behauptung, die niemals nachgewiesen werden kann oder muss. Und wenn zu viele Zweifel bleiben, wie die Datenanalyse zeigen könnte, dann wird eben irgendeine Botschaft angegriffen. Wer über genügend Geld verfügt, kann das organisieren.
Diese Vorgehensweise hat Tradition in der amerikanischen Politik. Erster und Zweiter Weltkrieg, Vietnam und so weiter. Heute allerdings sind die Methoden erheblich verfeinert. An den gesammelten und analysierten Daten kann sofort – in Echtzeit – abgelesen werden, welche Maßnahme wie auf die allgemeine Stimmung wirkt, und wo weitere Korrekturen notwendig sind. Das massenhafte Abgreifen von Daten macht Meinungsforschungsinstitute überflüssig.
Wissen ist Macht
Mit der Diskussion über die Ungeheuerlichkeit, mit welcher Chuzpe Daten abgegriffen werden, wird die Öffentlichkeit in bekannter Manier vom eigentlichen Thema abgelenkt: Gedankenkontrolle, oder besser Neu-Deutsch „mind control“. Wegen ihrer Datenanalyse weiß die NSA genau, dass dieser Aspekt ihrer Datenabgriffe noch nicht ins Bewusstsein der Allgemeinheit vorgedrungen ist. Man konzentriert die Argumentation also weiter auf die „Terrorabwehr“, die nach altem Muster jeweils zu etwa gleichen Teilen befürwortet oder abgelehnt wird. Sollte sich das im Trend ändern, kann rechtzeitig reagiert werden.
Die NSA, und damit die US-Regierung wissen auch, dass das Internet ein Tummelplatz für eigenständig Denkende und damit gefährlich für die etablierten Machthaber ist. Deswegen beschäftigt die NSA eine Heerschar von gut geschulten Vasallen, die nichts anderes zu tun haben, als die Kommentare zu Blogs und anderen Internetforen in die „richtige“ Richtung zu kontaminieren. Den Erfolg dieser Maßnahmen kann die US-Regierung wiederum in Echtzeit überprüfen. Wieder ist das Ziel, die Meinungen der Bevölkerungen zu möglichst gleichen Teilen gespalten zu halten und so zu kontrollieren. – Teile und herrsche!
Notmaßnahmen eines Imperiums im Niedergang
Wie jedes Imperium, das im Grunde von seiner (demokratischen) Illegitimität weiß, müssen die USA für ihren Machtanspruch immer größere Teile ihrer Volkswirtschaft für Geheimdienste, Exekutive, Kontrolle und Militär aufwenden. Siehe UdSSR oder DDR. Das trägt unter anderem dazu bei, dass für Produktion und Entwicklung ziviler Produkte unverhältnismäßig wenig Kapazität übrigbleibt. Zweifellos fähige Köpfe – wie zum Beispiel Edward Snowden – spionieren Menschen völlig unproduktiv aus, anstatt ihre Begabungen zur Entwicklung ziviler oder kommerzieller Projekte zu nutzen. Es ist ein Teufelskreis, der das sterbende Imperium immer weiter von den Menschen entfernt und in wirtschaftliche Katastrophen treibt.
Der Vorteil der Datenanalyse für die USA besteht darin, dass sie genau feststellen können, in welchem Ausmaß sie für ihre Verbrechen gegen Völkerrecht und Menschenrechte angegriffen oder verurteilt werden. Sie können punktgenau reagieren – oder eben gar nicht (siehe Drohnen-Morde, Guantanamo, Irak, Afghanistan), weil sie eben auch wissen, dass das Protestpotential zu diesen Themen noch nicht gebündelt und damit nicht schlagkräftig oder gefährlich ist. Sollte sich ein gefährlicher Trend zeigen, kann die US-Regierung mit Minimalaufwand reagieren. Immer nur so viel, bis der erkannte und unerwünschte Trend zusammengebrochen ist.
Weltweite Erfassung von Daten aller Art und die resultierenden Trends könnten segensreich sein. Es könnte helfen, Missstände frühzeitig zu erkennen und bereits im Ansatz gegen zu steuern. Ich denke hier an Hungersnöte, also die frühzeitige Steuerung von Lebensmittelströmen oder die Unzufriedenheit mit Gehaltsstrukturen und Kapitalströmen. Leider ist in einer Welt der (Geld-)Gier das Gegenteil der Fall. Erkannte Trends werden benutzt, um an den Warenterminbörsen maximale Profite zu erzielen oder Bezahlungsstrukturen und Ähnliches hart an der Schwelle offenen Protests auszureizen. Die NSA, und damit die US-Regierung benutzt ihre analysierten Daten heute dazu, absolute Kontrolle auszuüben und die Gedankenwelt der Menschen in der „richtigen“ Spur zu halten.