Demokratie und Marktwirtschaft – für immer verloren?
Von Peter Haisenko
Entgegen aller Beteuerungen gibt es in der westlichen Welt seit Jahrzehnten weder Demokratie noch Marktwirtschaft. Wir leben in einer Plutokratie, geprägt von Medienmonopolen und Käuferkartellen. Ex-EZB-Präsident Trichet hat es schon vor Jahren formuliert: Die Märkte funktionieren nicht mehr. Ich füge an: Die Demokratie auch nicht, und das Geldsystem schon lange nicht mehr. Das darf nicht verwundern, denn die Voraussetzungen, die Grundannahmen für die westlichen Lehren existieren nicht mehr: Permanenter Mangel und freie Meinungsbildung.
Henry Kissinger hat das in den 70er Jahren so formuliert: "Who controls the food supply controls the people; who controls the energy can control whole continents; who controls money can control the world." ( Wer die Lebensmittelversorgung beherrscht, beherrscht ein Volk; wer die Energie beherrscht, kann ganze Kontinente beherrschen; wer das Geld beherrscht, kann die ganze Welt beherrschen. )
Nach den Lehren der Ökonomie bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis. Was passiert aber, wenn in einer Überflussgesellschaft das Angebot permanent größer ist als die Nachfrage? Wenn die Geldmenge so groß ist, dass sie den Wert aller Waren und Dienstleistungen um ein Vielfaches übertrifft? Wenn selbst mit niedrigsten Preisen die Nachfrage nicht gesteigert werden kann, weil einfach kein Bedarf herzustellen ist? – Dann sind die heiligen Regeln der Ökonomie auf den Kopf gestellt, und das ist der derzeitige Zustand der westlichen Welt.
Preisgestaltung unabhängig von Angebot und Nachfrage
Nicht mehr Angebot und Nachfrage regeln den Preis, sondern Käuferkartelle. Produzenten befinden sich in einem aussichtslosen Kampf gegeneinander und müssen sich unterbieten bis an den Rand des Ruins oder darüber. Ganze Nationen werden gegeneinander ausgespielt im Wettbewerb darum, wer die niedrigsten Produktionskosten für Überflussgüter anbietet. Oder besser: Wer bereit ist, seine Bevölkerung zu den menschenunwürdigsten Bedingungen Sklavenarbeit leisten zu lassen. Sozialstandards? Wir verlagern unsere Produktion ins nächst-skrupellosere Land! Die Käuferkartelle erpressen ganze Staaten.
Das Geldkartell tut das seinige. Ein Kartell, bestehend aus den Führern der Finanzwelt, Regierungen und Gewerkschaften, sorgt für eine kontrollierte Inflation. Denjenigen, deren Lebensumstände nicht von Überfluss geprägt sind, für die also noch die Regeln von Angebot und Nachfrage Gültigkeit haben, wird der Zugang zu verfügbarem Geld genau dosiert zugeteilt. Weltweit. Es ist wiederum ein Käuferkartell, das mit Verweis auf die Massenarbeitslosigkeit die Arbeitnehmer gegeneinander ausspielt, zu immer niedrigeren Löhnen ihre Arbeitskraft „auf dem Markt zu verkaufen“.
Der Verrat der Gewerkschaften
Die Gewerkschaften, deren ureigene Aufgabe es wäre, genau das zu verhindern, haben sich schon lange von ihren hehren Zielen verabschiedet. Sie haben sich den Zielen der finanzkontrollierten Regierungen untergeordnet. Ihre „Forderungen“ sind mit den Regierungen abgestimmt und zwar mit dem Ziel, die Arbeitnehmer knapp unter der Protestschwelle zu halten. Dabei betrügen die Gewerkschaften ihre Mitglieder mit manipulierten Forderungen, die besser aussehen sollen, als sie sind. 6 oder 7 Prozent Lohnerhöhung werden plakativ in den Raum gestellt im Wissen, dass maximal 3 bis 4 Prozent realisierbar sind.
Die vorsätzliche Unterlassungslüge besteht darin, dass sich diese Forderung auf einen Zeitraum von zwei Jahren bezieht. Dieser kleine Nebensatz wird geflissentlich versteckt. Aus gutem Grund, denn dann wird sichtbar, dass die Lohnforderung von vorn herein unter der Inflationsrate liegt. Keine Gewerkschaft könnte sich gegenüber ihren Mitgliedern legitimieren, wenn sie ehrlich zugäbe, nur 3 Prozent für ein Jahr zu fordern, von denen dann nur die Hälfte erreicht wird. Die Gewerkschaften sind Teil des Käuferkartells geworden und werden dafür mit lukrativen Aufsichtsratsposten belohnt.
Lobbyisten machen Gesetze
Marktriesen wie Zalando und Konsorten erfreuen die Konsumenten mit scheinbar wunderbar niedrigen Preisen. Auch wenn alle negativen Effekte auf die Strukturen der normalen Handelswege unbeachtet bleiben, muss deutlich gemacht werden, dass ein solcher Marktriese nur mit größtem Kapitaleinsatz überhaupt entstehen kann. Der Kostenvorlauf für Infrastruktur und vor allem für Werbung liegt im hohen zweistelligen Millionenbereich. Dagegen kann niemand antreten, der nicht über dieses Kapital verfügt. Was hat das noch mit Marktwirtschaft zu tun? Wer das Geld hat, hat die Macht und macht mit den „Märkten“ was er will. Es ist wieder ein Käuferkartell.
All das ist nur möglich, weil die westlichen Regierungen mit ihren „Gesetzen“ die Voraussetzungen geschaffen haben. Heerscharen von Lobbyisten sorgen dafür, dass es so ist. Bezahlt werden diese von denjenigen, die über das große Geld verfügen. Die Plutokraten verstecken sich hinter Scheindemokratien, die sie auch sonst auf vielfältigste Weise erpressen. Man denke nur an die Geldinstitute, die sich mit Hilfe der Gesetze der Lobbyisten zu Größen aufgebläht haben, die sie dann als „too big to fail“, als unabdingbar darstellen. Ein geschlossenes System der Plutokratie.
Demokratie und Medien
Der unverdorbene aber aufgeweckte Junge fragt: „Papa, warum passiert jeden Tag genau so viel, wie in die Zeitung passt?“ Es ist logisch und notwendig, dass die Nachrichtenflut gefiltert werden muss. Die Frage ist nur, wer der Herr der Filter ist. Auch hier ist die Antwort einfach: Wer die Journalisten bezahlt, bestimmt, was veröffentlicht wird. Zensur in unseren „demokratischen“ Medien? Nicht weniger, als in der brutalsten Diktatur! Der Unterschied ist nur, dass journalistische „Abweichler“ hierzulande in der Regel nicht ermordet werden. Doch wer sich gegen das Diktat des Gelds vergeht, wird finanziell gekillt. Herausgemobbt, „freigestellt“ oder einfach entlassen. Und anschließend flächendeckend stigmatisiert. Wer sich als Journalist nicht der gewünschten Richtung untergeordnet hat, wird nie wieder eine gut bezahlte Anstellung finden. Es lebe die Plutokratie!
Bis hierhin sollte dem geneigten Leser einigermaßen klar geworden sein, dass wir weder Demokratie noch Marktwirtschaft haben in einer Welt, deren Götter Geld und Gewinn heißen – oder shareholder value. Was ist die Alternative? Zunächst muss festgestellt werden, dass es noch Länder gibt, wo zumindest intern noch Marktwirtschaft existiert. Das sind die armen Länder der „dritten Welt“, deren Lebensumstände dem permanenten Mangel unterliegen. Allerdings sind die Staatsformen dieser Länder in den seltensten Fällen als „demokratisch“ zu bezeichnen. Im Außenhandel aber werden diese Länder wiederum von Käuferkartellen gnadenlos ausgebeutet. Und natürlich auch durch die Währungskartelle und ihre Helfer, die Ratingagenturen, die die Währungen dieser Länder künstlich niedrig bewerten.
Die Religion der Demokratie und Marktwirtschaft
Wer es wagt, Demokratie oder Marktwirtschaft auch nur ansatzweise in Frage zu stellen, wird sofort stigmatisiert. Beide Dogmen sind mit religionsgleicher Absolutheit abgesichert und werden weltweit wie zu Zeiten der Kreuzzüge auch mit Waffengewalt durchgesetzt. Wehe dem, der es wagt, einen alternativen Weg zu beschreiten und einen Staat zu führen, der sich nicht dem Diktat der Verschuldung oder des Dollars unterwirft. Siehe Ägypten(1955-Suezkrise), Syrien, Libyen, Irak oder Iran – nicht zu vergessen: Putins Russland.
Die westlichen „Eliten“ und die breite Masse sind in jahrzehntelanger Anstrengung restlos indoktriniert. Es wird immer von Geld geredet, wenn eigentlich Arbeit gemeint ist. Die Folge ist, dass das Grunddenken in der quasi-religiösen Demokratie- und Marktwirtschaftsfalle gefangen ist. Man muss schon einiges an Fantasie und „Freidenken“ aktivieren, wenn man sich daraus befreien will. Erst danach wird man offen sein für echte Alternativen zum bestehenden System.
Eine Demokratie kann nur funktionieren, solange ihre Basis, das Geldsystem, nicht über die Demokratie selbst bestimmen kann. Die Väter des deutschen Grundgesetzes zum Beispiel wollten genau das im Grundgesetz festschreiben. Auch eine Abstimmung im Rheinland vor 1949 zeigte den mehrheitlichen Willen der Deutschen, die Macht des Gelds und der Banken nicht zuzulassen. Es wäre ein erster Schritt gewesen, die Diktatur des Gelds – zumindest im neu zu formenden Deutschland - gar nicht erst entstehen zu lassen. Genau das aber ließen die Alliierten nicht zu. Sie ignorierten die Abstimmung und verboten den entsprechenden Passus im Grundgesetz.
Alte Paradigmen müssen revidiert werden
Es kommt darauf an, die breite Masse hinzuführen zu der Erkenntnis, dass Kapital und „Geldmärkte“ niemals produktiv sein können. Geld kann nicht arbeiten! Gewinne aus Geld und Zinsen können nur schmarotzerhafte Ausbeutung sein und nichts anderes! Geld ist Mittel zum Zweck, ein Hilfsmittel, um Arbeit zu verteilen oder zu bündeln, bzw. um Waren auszutauschen. Realistisch gesehen, taugt es nicht einmal zur Wertaufbewahrung, denn es ist jederzeit der willkürlichen Annullierung unterworfen. Es ist nichts anderes als ein auf Papier gedrucktes Versprechen, eine Konvention, die zum Machtmittel pervertiert ist.
Geld beherrscht das Denken. Die Gier nach Geld geht über Leichen, im wahrsten Sinn des Wortes. Geld kennt keine Loyalität. Es wird immer einen geben, der mit höheren Summen alte Loyalitäten aufbrechen kann. Geld ist der Maßstab für gesellschaftliche Stellung. Wer über Geld verfügt, wird respektiert, egal, ob sein Charakter oder sein Handeln dies angeraten erscheinen lässt. Ist das die Welt, in der wir wirklich leben wollen?
Der Preis der Freiheit – welcher Freiheit?
Die Demokratie, so wie wir sie erleben müssen, hat sich selbst ad Absurdum geführt. Freiheit? Die Freiheit der Wahl? Ja, die haben wir: Wir können aus einer absurden Vielfalt von Produkten auswählen, zum Beispiel welches Deo uns am wenigsten schadet. Ist doch großartig! Wir haben auch die Freiheit zu wählen zwischen Parteien, die sich eigentlich nicht unterscheiden. Wahlen „light“, sozusagen. Aber wir haben nicht die Freiheit, kein Öl zu kaufen. Wir dürfen nicht entscheiden, ob mit unserem Geld Banken gerettet oder Kriege geführt werden. Diese Fragen werden in unserer „demokratischen“ Gesellschaft nicht gestellt.
„Freie“ Märkte dürfen nur da existieren, wo eine echte Wahlmöglichkeit besteht. Die infrastrukturelle Grundversorgung gehört sicher nicht dazu. Zu welchen Absurditäten das führen kann, zeigt sich am Beispiel Telekommunikation. Da wird der guten alten Post das Monopol genommen und gleichzeitig die Nachfolgeorganisation „Telekom“ verpflichtet, ein leistungsfähiges Leitungsnetz bereit zu stellen, das sie dann aber an „Wettbewerber“ zu so günstigen, vom Staat festgelegten Preisen vermieten muss, dass jene sie mit Gewinn zu günstigeren Preisen als die Telekom an ihre Kunden weitergeben können. Und natürlich damit Vorstände mit fürstlichen Einkommen und Aktionäre mit satter Rendite bedacht werden. Wettbewerb macht alles günstiger? – Eben nicht! Es kann nicht günstiger werden, wenn drei Briefträger unterschiedlicher Firmen die Briefe zu einem Haus tragen. Nur die Löhne werden durch diese Art des unsinnigen Wettbewerbs niedriger.
Demokratischer Kapitalismus ist ein Oxymoron
Würden diese elementaren Fragen in einer echten Demokratie den Bürgern überlassen, ohne sie vorher mit der Medienmacht zu indoktrinieren – die Entscheidung würde klar ausfallen. So eindeutig, wie sie bezüglich der Wasserversorgung und der Deutschen Bahn nicht ignoriert werden konnte. Aber unsere geldgesteuerten „Demokraten“ haben es versucht. Und damit bin ich wieder beim Punkt: Demokratischer Kapitalismus ist ein Oxymoron. Demokratie, die dem Geld Macht überlässt, ist keine Demokratie mehr. Es ist Plutokratie in Reinform, versteckt unter dem Deckmäntelchen der Demokratie.
Die von Gier nach Geld, Macht und Gewinn bestimmte Demokratie westlicher Prägung hat die Welt mit Waffen überschwemmt. Sie hat Millionen Tote zu verantworten. Sie ist intolerant und stellt Parteiinteressen über Vernunft und Gemeinsinn. Sie ersetzt in ansteigendem Tempo Freiheit durch Überwachung. Sie lässt keine anderen Götter neben sich zu. Ist es nicht an der Zeit, über alternative Formen nachzudenken? Hätten wir nicht allen Grund, Modelle anderer Staaten wohlwollend zu analysieren, anstatt sie mit viel Geld durch Subversion und Bomben zu zerstören?
Nach meiner Überzeugung haben Demokratie und Marktwirtschaft auf längere Sicht nur dann eine Chance, wenn sie sich nicht weiter dem Kapitalismus unterwerfen, sondern eine Symbiose mit dem Humanismus eingehen. Demokratie zum Wohle aller Menschen der Erde. Demokratie, die niemand übervorteilen will, aber dennoch Entscheidungen zulässt, die nicht jeder Minderheit gerecht werden müssen. In jedem Fall muss in einem ersten Schritt die Macht des Gelds gebrochen und die Einflussnahme der Plutokraten-Clique minimiert werden. Dann, und nur dann können Demokratie und Marktwirtschaft im Interesse und zum Wohle aller Menschen wirksam werden.