Die CSU fordert Pkw-Maut – Wahlkampfgedöns oder konsequente Haltung?
Von Hubert von Brunn
Als Berliner habe ich mit der bayerischen CSU naturgemäß nicht allzu viel am Hut, und das liegt nicht nur an der räumlichen Distanz. So manches Mal habe ich mich darüber aufgeregt, wenn die Landesfürsten im Freistaat meinten, eine Extrawurst gebraten bekommen zu müssen. Jetzt aber hat Horst Seehofer eine Sache zum Wahlkampfthema gemacht, für die ich mich auch schon seit Jahren leidenschaftlich einsetze: Die Pkw-Maut für Ausländer.
Mit seiner rigiden Haltung – insbesondere gegenüber Berlin – in Sachen Länderfinanzausgleich war der grantelnde Horst in meiner persönlichen Beliebtheitsskala schon wieder ganz nach unten gerutscht. An der Stelle wünschte ich ihm doch ein etwas ausgeprägteres historisches Bewusstsein. Wo wäre sein schickes München denn heute, wenn es das Schicksal Berlins mit Teilung, Blockade, Mauer und Wirtschaftsflucht hätte erleiden müssen, und Berlin stattdessen die ganz normale Entwicklung der westdeutschen Städte nach dem Zweiten Weltkrieg hätte durchmachen können? – Aber das nur am Rande. Heute geht es mir um das Thema, mit dem Herr Seehofer bei mir deutlich Punkte gesammelt hat.
Kein Koalitionsvertrag ohne Maut-Passus
In einem Interview in der Bild am Sonntag verkündete der bayerische Ministerpräsident vollmundig, dass er im Falle einer neuerlichen Regierungsbildung unter Federführung von CDU/CSU keinen Koalitionsvertrag unterzeichnen werde, in dem die Einführung einer Pkw-Maut für Ausländer nicht explizit aufgeführt sei. Mit dieser Forderung ist er sich einig mit seinem Parteifreund Peter Ramsauer, seines Zeichens amtierender Verkehrsminister, der schon vor geraumer Zeit angekündigt hat, diese „heilige Kuh“ schlachten zu wollen. Ich, und mit mir Millionen deutscher Autofahrer sehen das ganz genau so: Wie kann es sein, dass wir, sobald wir die bundesrepublikanische Grenze passiert haben, kräftig mit Autobahngebühren zur Kasse gebeten werden, während ganz Europa unsere großartige Verkehrsinfrastruktur zum Nulltarif nutzen kann?
Durch unsere geografische Lage sind wir nun einmal DAS Transitland in Europa und bieten mit einem Autobahnnetz von über 12.000 km, die etwa zu einem Drittel auch noch ohne Geschwindigkeitsbegrenzung befahren werden dürfen, geradezu paradiesische Zustände für jeden Automobilisten. Aber eine Straßengebühr dürfen wir für diesen grandiosen Service nicht verlangen – sagt angeblich die EU. Das Gleichheitsgebot würde damit verletzt. Dass ich nicht lache! So wie es JETZT ist, wird das Gleichheitsgebot verletzt. Wir sorgen mit unseren Steuergeldern für den Ausbau und den Erhalt der Verkehrswege, die von unseren europäischen Nachbarn benutzt und abgenutzt werden können, ohne dass sie dafür ihren Beitrag leisten. Wo bleibt da das Gleichheitsgebot?
Der Zahlmeister Europas muss auch fordern dürfen
Dieser vermeintliche „Stolperstein“ ließe sich mühelos EU-kompatibel aus dem Weg räumen, und zwar mit einer Vignette. Jeder Nutzer einer deutschen Autobahn muss diese Vignette haben. Der ausländische Autofahrer besorgt sie sich an der letzten Tankstelle vor der Landesgrenze (siehe Österreich): ganzjährig, halbjährig oder monatlich gültig, dem deutschen Autofahrer wird die Autosteuer genau um diesen Betrag gemindert. Damit zahlen ALLE diese Maut, wobei der deutsche Autofahrer nicht mehr belastet wird (was viele befürchten, auch der ADAC) – es wird nur anders abgerechnet. Über die verwaltungstechnischen Details dürfen sich die jeweiligen Fachleute dann noch ihre Köpfe zerbrechen – aber es solle mir keiner sagen: Es geht nicht.
Natürlich geht es! Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, aber genau hier ist die Crux. Bei den Koalitionspartnern CDU und FDP fehlt der politische Wille, diese Gleichbehandlung im europäischen Kontext durchzusetzen. Warum? – Eine logisch nachvollziehbare Begründung für ihre ablehnende Haltung gegenüber einer Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen haben Frau Merkel und Herr Rösler bislang noch nicht vorgetragen. Vermutlich haben sie die Rolle Deutschlands als Zahlmeister Europas schon derart verinnerlicht, dass es ihnen geradezu unanständig vorkommt, den Eurokraten in Brüssel gegenüber auch einmal fordernd entgegenzutreten. Armes Deutschland!
Jetzt bleibt abzuwarten, ob die markigen Worte von Herrn Seehofer nur Wahlkampfgedöns sind, und er nach den Wahlen nach dem Motto: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ auch wieder einknickt, oder ob er zu seiner Aussage steht und im Falle einer möglichen Neuauflage der schwarz-gelben Koalition diese platzen lässt, weil der Maut-Passus im Koalitionsvertrag nicht vorkommt. Sollte das geschehen, hätte der bayerische Landesfürst meine größte Hochachtung.