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Günther Jauch: Ist der deutsche Konsument Schuld am Tod der Näherinnen in Bangladesch?

Von Peter Haisenko

Die Zusammensetzung der Diskussionsrunde bei Günther Jauch am vergangenen Sonntag war schlecht gewählt. Schlecht in dem Sinne, dass bei allen Teilnehmern von vorn herein prinzipiell Konsens dahingehend herrschte, dass die menschenunwürdige Arbeitssituation der Näherinnen in Bangladesch unbedingt verbessert werden müsste. Eine echte Kontroverse gab es also nicht. Die Diskutanten unterschieden sich lediglich dadurch, dass sie verschiedene Methoden zur Lösung des Problems vertraten.

Die Beiträge aller Diskutanten waren ehrlich, gut und richtig, was nicht bei allen von Anfang an zu vermuten war. Zwischen Dirk Niebel, Gisela Burckhardt, Sina Trinkwalder und Ranga Yogeshwar wirkte der Billig-Krempel-König Thomas Tankley beinahe wie ein Fremdkörper. Umso mehr erstaunte er mit sozialorientierten, praktischen Beiträgen und konsentierenden Analysen. Und es war ausgerechnet der sympathische Billigheimer, der die Forderung formuliert hat, mehr in den südlichen Regionen der Arbeitslosigkeit Europas für Europa zu produzieren. Es wäre dann zwar etwas teurer, so Tankley, aber Europa als Ganzes könnte so viele Probleme überwinden. Diesen Ansatz hätte ich mir schon lange von unseren Politikern gewünscht.

Ansonsten: Einigkeit und Harmonie – und kollektives Übersehen oder absichtliches Verschweigen der einfachsten und offensichtlichsten Lösungsmöglichkeit. Einigkeit herrschte nicht zuletzt auch in der Einschätzung, dass man in Deutschland bzw. Europa nichts wirklich Wirksames zur Lösung vor Ort beitragen könne. Zumindest nichts, was in absehbarer Zeit wirken könnte und das Problem nicht nur in das nächste Land verlagert. Besonders Minister Niebel hat zwar freundliche Ansätze bemüht, aber es war wiederum allen klar, dass die Wirksamkeit frühestens am Sankt Nimmerleinstag zu beobachten sein wird. Dem widerspreche ich vehement, denn es gibt sehr wohl eine einfache Lösung, die noch dazu sofort Wirkung zeigte.

Deutschland und die EU haben die Möglichkeit und das Recht, die Einfuhr von Waren zu verbieten, die bestimmte Kriterien nicht erfüllen. Sei es zu viel Gift, fehlende Zertifikate oder die falsche Krümmung einer Frucht: Die EU kennt da kein Pardon. Was liegt also näher, als in kürzester Zeit eine neue Verordnung zu erlassen, die weder Deutschland, noch irgendeinem anderen EU-Land schadet, aber erheblich zur Lösung der angesprochenen Probleme in Bangladesch (und nicht nur dort) beitragen würde?

Diese Verordnung kann in einem einzigen Satz formuliert werden:

In die EU (oder Deutschland!) dürfen nur noch Waren eingeführt werden, wenn alle an der Herstellung und am Transport beteiligten Arbeitskräfte ausnahmslos einen Stundenlohn von mindestens € 1,- (in Worten: ein Euro) erhalten.

Wie Dirk Niebel immer wieder richtig betont hat, können und dürfen wir nicht in die Gesetzgebung oder Strukturen fremder Länder eingreifen. (Mal abgesehen von Afghanistan oder so!) Das würden wir auf diese Weise auch nicht tun. Der große Vorteil wäre, dass diese Maßnahme innerhalb kürzester Zeit gewaltige Wirkung auf die gesamte Sozialstruktur jener Länder hätte, die die gnadenlose Ausbeutung ihrer Bürger zulassen oder sogar fördern.

Das Beste aber an diesem einfachen Verfahren wäre, dass selbst dann, wenn ein Parlament – wie das in Bangladesch – mit korrupten Eigentümern der Ausbeutungsbetriebe besetzt ist, diese sich nicht dagegen wehren können. So, wie weder Herr Niebel, noch die Kanzlerin in Gesetze und Verordnungen anderer souveräner Staaten eingreifen können, so müssten umgekehrt die Politiker in diesen Ländern EU- oder deutsche Verordnungen zähneknirschend zur Kenntnis nehmen. In jedem Falle müssten sie die entsprechenden Normen einhalten, wenn sie weiterhin nach Europa exportieren wollen. Dann muss der deutsche Konsument auch keine Gewissensbisse mehr haben, ob an seinen billig erstandenen T-Shirts und Jeans womöglich das Blut der Näherinnen aus einer zusammengefallenen Sklaven-Fabriken klebt. Alles wäre gut.

Die Sekundärfolgen würden allerdings ein mittleres Beben in der Finanzwelt auslösen. Die Währungen der Billigproduktionsländer müssten neu bewertet werden, denn obwohl die Endverkaufspreise in Europa nur um maximal einen Euro steigen müssten, würden die Exportländer für diese Güter schlagartig bis zu zehnmal höhere Deviseneinnahmen haben. Wieso nur maximal einen Euro? Ganz einfach: die Transport- und anderen Kosten steigen ja nicht oder nur minimal. Minimal in dem Sinn, dass jetzt natürlich auch der Leichtmatrose auf dem Containerschiff und der Hafenarbeiter mindestens einen Euro Stundenlohn erhalten müssen.

Die unvermeidliche Aufwertung der skandalös unterbewerteten Währungen der Entwicklungsländer würde für uns natürlich eine gewisse Verteuerung der Importe bedeuten. Eine Steigerung des Endverkaufspreises um mehr als einen weiteren Euro ist allerdings sehr unwahrscheinlich und wäre von den deutschen Kunden mühelos zu verkraften. Ob ein Shirt statt € 9,99 dann € 11,99 kostet, hält keinen Kaufwilligen ab, das Objekt seine Begierde zu erwerben. Auf der anderen Seite würden sich aus der gesamten Entwicklung sehr positive Aspekte für unseren Export ergeben. Die Billigproduktionsländer hätten dann nämlich wieder Kapital, um vermehrt Waren aus Europa zu kaufen. Wer also hätte bei konsequenter Umsetzung dieser Verfahrensweise etwas zu verlieren? – Niemand! Alles würde besser!

Es ist also wieder einmal die Politik, unsere eigene Politik, die es in der Hand hat, europäische Standards wenigstens ansatzweise in Entwicklungsländer zu tragen, ohne deutsche Interessen am Hindukusch mit Soldaten verteidigen zu müssen.

Liebe Frau Bundeskanzlerin Merkel, bringen Sie dieses einfache Gesetz ein und drücken Sie es durch. Die Menschen werden Sie dafür lieben und wählen. Bedenken Sie, der gute Deutsche will sozial und gerecht sein. Aber wenn´s ums Geld geht, müssen Sie ihm mit entsprechenden gesetzlichen Vorgaben schon ein wenig auf die Sprünge helfen, damit er sein soziales Gewissen auch leben kann. Und Sie, verehrte Frau Bundeskanzlerin, werden in die Geschichte eingehen als die Erste, die mit einem Federstrich die sozialen Verhältnisse in der gesamten Welt in eine bessere Richtung gelenkt hat.

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Zu diesem Thema habe ich mich bereits 2006 leicht satirisch aber lösungsorientiert geäußert: Kinderarbeit ist ein Luxusproblem

Auch zum Thema Niedriglohn in Deutschland gibt es eine verblüffend einfache Lösung: Lohnobergrenze? Alter Hut! 

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